WERDER MAGAZIN Nr. 320 - page 17

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ls ihn die Trainer der U 23 vor der
Saison nach seinen Zielen fragten,
lautete die Antwort des damals
19-Jährigen: „Weiterhin Stamm-
spieler in der U 23 sein, sieben Tore erzielen,
ein Training bei den Profis absolvieren und
einen Profivertrag unterschreiben.“ Erfül-
len konnte er diese Erwartungen nicht. Er
hat sie übertroffen! „Aber darauf ruhe ich
mich nicht aus“, verspricht der Youngster
und schickt gleich neue Ziele hinterher: „Ich
möchte regelmäßig bei den Profis auf dem
Platz stehen, auch mal ab der ersten Minute.
Daran arbeite ich.“
Am sechsten Spieltag,
bei Werders 2:0-Erfolg
in Hamburg, hallte der Name „Martin Ko-
bylanski“ erstmals durch ein Bundesliga-Sta-
dion. Bei einem Spaziergang der Mannschaft
wenige Stunden vor der Partie informierte
Cheftrainer Robin Dutt seinen Schützling,
dass er von Beginn an zum Einsatz kommen
würde. Wenn er von diesem „Adrenalinkick“
berichtet, strahlt der Angreifer. „Ich hatte
damit überhaupt nicht gerechnet. Eigentlich
wollte ich vor dem Spiel noch ein Nicker-
chen machen und mich ausruhen. Aber ich
war viel zu hibbelig“, verrät ‚Koby‘.
Seit diesem Tag
hat sich für ihn sportlich ei-
niges verändert. Auf dem Trainingsgelände
der Profis hat er längst einen Stammplatz
sicher, am Spieltag arbeitet er daran noch.
Weil er derzeit in der Bundesliga vor allem
bei Kurzeinsätzen Erfahrung sammelt, holt
er sich die nötige Spielpraxis bei der U 23.
„Natürlich ist es etwas anderes, vor 40.000
Menschen zu spielen. Aber ich weiß, dass
mir die Minuten in der U 23 weiterhelfen.
Deshalb bin ich dort gerne dabei“, erklärt
er. Und dafür, dass er auf dem Boden bleibt,
sorgt auch schon die Hierarchie bei den
Profis. „Da ich der jüngste Spieler bin, trage
ich nach dem Training immer die Bälle“, sagt
er lachend und nennt das Trainingszubehör
liebevoll „mein Ballsack“.
Privat ist Martin Kobylanski
trotz der sportli-
chen Erfolge „derselbe Typ“ geblieben. „Ich
gehe gern in die Stadt, spiele Playstation
oder gucke mit den Jungs Fußball“, verrät
der 20-Jährige. Aber so ganz geht es natür-
lich auch an ihm nicht vorbei, dass ihm jetzt
Millionen Menschen beim Fußballspielen
zusehen: „Manchmal werde ich nach einem
Autogramm gefragt. Das ist schon komisch,
denn vor ein paar Jahren war ich selbst noch
Balljunge und habe mich gefreut, so nah an
den Profis dran zu sein.“
Obwohl das Erstliga-Debüt
des Torjägers
noch nicht lange zurückliegt, ist der Name
Kobylanski Bundesliga-Kennern schon lan-
ge ein Begriff. Vater Andrzej machte es sei-
nem Sohn einst vor, spielte unter anderem
für Energie Cottbus in der ersten Liga. Der
Nachwuchs ist also mit den besten Voraus-
setzungen in sein Fußballer-Leben gestar-
tet. Beim Gedanken an seine Anfänge muss
Martin Kobylanski dennoch schmunzeln:
„Im Alter von ungefähr sieben Jahren war ich
kein guter Kicker“, sagt er. „Ich habe noch
ein paar Videos aus dieser Zeit. Das ist echt
etwas erschreckend.“ Nur gut, dass die we-
nigsten Fußballer einfach so vom Himmel
gefallen sind…
Nach seinem Vereinseinstand
bei den Bambi-
nis von Hannover 96 kam ‚Koby‘ als Sechs-
jähriger zu Energie Cottbus. Hier verbrach-
te er seine gesamte Fußballjugend und gab
mit 17 Jahren sein Debüt in der zweiten
Bundesliga. Spannende Zeiten für den Teen-
ager. Denn damals lebte er allein mit seiner
älteren Schwester in Cottbus, weil die Eltern
durch die Karriere des Vaters oft pendeln
mussten. Für Martin Kobylanski übernahm
deshalb die fünf Jahre ältere Schwester
schon mal die Rolle der ‚Mutti‘: „Sie hat
mein Zimmer geputzt, für mich gekocht und
mich zum Training gefahren.“
Obwohl er Cottbus
als seine Heimat bezeich-
net, fühlt sich der Nachwuchskicker Polen,
dem Herkunftsland seiner Eltern, stark ver-
bunden: „Ich bin ein Pole, der in Deutsch-
land aufgewachsen ist.“ Deshalb hat er sich
entschieden, für die polnische National-
mannschaft aufzulaufen. Diesmal endgültig,
nachdem er zwischenzeitlich für die deut-
schen Junioren gespielt hatte. „Ich wollte
mir einfach eine Meinung bilden“, erklärt
Kobylanski. „In den jüngeren Teams waren
die Bedingungen in Deutschland viel besser.
Aber jetzt, in der U20, ist der Unterschied
nicht mehr so groß.“ Als er vor wenigen
Monaten gegen Deutschland antrat, wur-
de er in seiner Entscheidung, für Polen zu
spielen, bestärkt: „Im Stadion waren 10.000
Zuschauer, die eine super Choreo für uns
gemacht haben. Es ist Wahnsinn, welches
Potenzial in den polnischen Fans steckt.“
Über weitere Einsätze
in der Bundesliga will
sich der Jungprofi langfristig für die A-Natio-
nalmannschaft empfehlen. Der erste Treffer
in Deutschlands höchster Spielklasse wäre
wohl ein schlagkräftiges Argument. Eine
Idee, wie er sich zunächst einmal selbst da-
für belohnen könnte, hat ‚Koby‘ auch schon:
„Mein Vater und ich sind große Fans des FC
Liverpool. Mein erstes Bundesliga-Tor könn-
te ich zum Anlass nehmen, endlich ein Spiel
dort live zu sehen“, überlegt er. Da heißt es:
Gas geben in grün-weiß und dann die ‚Reds‘
anfeuern!
Laura Ziegler
Mein Debüt, mein Land,
mein Ballsack… 
Im Herbst machte
Martin Kobylanski in der U23 auf sich aufmerksam.
Inzwischen hat sich der Angreifer mit polnischen
Wurzeln in den Kader der Profi-Mannschaft gekämpft.
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