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Jahresbericht 2015
Ärztekammer
Nordrhein
Allgemeine Fragen der Gesundheits-, Sozial- und Berufspolitik
Über einen Mangel an gesetzgeberischer Akti-
vität musste sich in der Bundesgesundheitspolitik
im Berichtsjahr wirklich niemand beklagen: Mehr
als zehn Gesetzentwürfe wurden seit Mitte 2014 in
schneller Folge vorgelegt. Das Themenspektrum
reichte von der Gesundheitsförderung und Erkran-
kungsvorbeugung (Entwurf des
Präventionsgesetzes
)
bis hin zur Begleitung unheilbar Kranker und Ster-
bender (Entwurf des
Hospiz- und Palliativgesetzes
),
fast immer in Umsetzung der Vorgaben des Koali-
tionsvertrages der großen Koalition auf Bundes-
ebene.
Im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Dis-
kussion standen und stehen jedoch vor allem zwei
Gesetze, die auch für die Landesgesundheitspolitik
und ihre Verantwortung für die Versorgungsstruk-
turen von zentraler Bedeutung sind: Das inzwi-
schen verabschiedete
„Versorgungsstärkungsgesetz“
,
mit dem zahlreiche Änderungen vor allem in der
ambulanten Versorgung in Gang gesetzt werden
und der bis zum Herbst 2015 noch intensiv disku-
tierte Entwurf eines Krankenhausstrukturgeset-
zes. Mit beiden Gesetzen hat sich auch die Kam-
merversammlung der Ärztekammer Nordrhein auf
ihren Sitzungen im November 2014 und im März
2015 intensiv auseinandergesetzt
(siehe Seite 12 ff)
.
Die Position der Kammer zum
Versorgungsstär-
kungsgesetz
war nach der Kammerversammlung
Gegenstand eines ausführlichen Schreibens an die
Landesgesundheitsministerin, die Abgeordneten im
Gesundheitsausschuss des NRW-Landtages und die
nordrhein-westfälischen Abgeordneten im Gesund-
heitsausschuss des Bundestages. Im Mittelpunkt
stand die Warnung vor der kontraproduktiven und
in sich widersprüchlichen Einführung einer Vier-
Wochen-Termingarantie einerseits und einer Soll-
Regelung zum Aufkauf von Arztsitzen andererseits.
ImMärz 2015 galt es noch einmal, auf der landespo-
litischen Ebene zu intervenieren, um vor einem in
den Bundesrat eingebrachten Antrag zuwarnen, mit
dem ein Teil der bitter notwendigen Mittel zur För-
derung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin
für die Alimentierung von sogenannten Kompe-
tenzzentren umgewidmet werden sollte. Am Ende
stand eine durchwachsene Bilanz: Die Soll-Rege-
lung zum Praxen-Aufkauf wurde durch eine Anhe-
bung der Schwelle auf einen Versorgungsgrad von
140 Prozent deutlich entschärft, während die Ter-
minservicestellen kommen werden, wenn auch mit
einer Evaluationsverpflichtung. Der Bundesrat als
Ländervertretung hat sich gegen eine Förderung von
„Kompetenzzentren“ zulasten von Weiterbildungs-
stellen ausgesprochen – im Gesetz stehen sie nun-
mehr dennoch, allerdings als „Kann“-Regelung.
Von vornherein einbezogen war das Land Nord-
rhein-Westfalen bei der geplanten Krankenhausre-
form: Die Eckpunkte der Reform wurden in einer
Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet, in der die
nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin mit-
gewirkt hat. Folgerichtig hat sie die Ärztekammern
in Nordrhein-Westfalen wie auch andere Institu-
tionen des NRW-Gesundheitswesens um Stellung-
nahme zu diesen Eckpunkten gebeten. Die beiden
Ärztekammern in Nordrhein-Westfalen haben in
bewährter Weise gemeinsam Stellung bezogen
und – neben anderen Aspekten – auf das ungelöste
Problem der Investitionsfinanzierung aufmerksam
gemacht. Die Ärztekammern haben deutlich ge-
macht, dass sie eine qualitäts- und erreichbarkeits-
orientierte Ausrichtung der Krankenhausplanung
begrüßen, zugleich jedoch vor einer Unkultur von
Bürokratie und Misstrauen entschieden warnen.
Stattdessen fordern die Kammern die Entwicklung
praktikabler, fachlich gut begründeter Parameter
unter Einbeziehung des ärztlichen Sachverstandes.
Vor diesem Hintergrund sehen die Kammern die
Fixierung der Reform auf den Gemeinsamen Bun-
desausschuss kritisch.
Am Ende eines langen Diskussionsprozesses und
bundesweiter Proteste gegen den zwischenzeitlich
vorgelegten Gesetzentwurf standen wiederum Bund-
Länder-Eckpunkte – nunmehr zum notwendigen
Änderungsbedarf am Gesetzentwurf. Damit stehen
eine ganze Reihe von finanziellen Nachbesserun-
gen an, allerdings keine Lösung des grundlegen-
den Investitionsproblems. In Nordrhein-Westfalen
hat die Landesregierung derweil einen Haushalts-
entwurf vorgelegt, mit dem die Investitionsmittel
Das Jahr der Gesetze
Die große Koalition hat seit dem Herbst 2014 verstärkt damit begonnen, die gesundheits-
politischen Vorgaben des Koalitionsvertrages in konkrete Gesetzentwürfe umzusetzen. Insbesondere
das sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz und die geplante Krankenhausreform haben auch die
landesgesundheitspolitische Agenda mitgeprägt.
Ulrich Langenberg,
Geschäftsführender Arzt
der Ärztekammer
Nordrhein.