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Gutachtliche Entscheidungen

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Fehlerhafte Behandlung nach Kataraktoperation

Postoperative Versäumnisse bei Anzeichen einer beginnenden Endophthalmitis

In letzter Zeit musste sich die Gutachterkommission immer

häufiger mit Behandlungsfehlervorwürfen zu Kataraktope-

rationen beschäftigen. Während in der Zeit von 1994 bis

1998 der Anteil dieser Operationen an den Begutachtungs-

verfahren in derAugenheilkunde noch bei einemViertel lag,

stieg er seitdem auf über ein Drittel an. Die Zahl der seit

1994 im Zusammenhang mit Kataraktoperationen festge-

stellten Behandlungsfehler beläuft sich auf 14 von insgesamt

98 auf diesem Teilgebiet der Augenheilkunde durchgeführ-

ten Begutachtungen. Das entspricht einer Behandlungsfeh-

lerquote von 14,3 Prozent, die allerdings immer noch deut-

lich unter der Fehlerquote von rund 36 Prozent in allen von

der Gutachterkommission seit 1994 abgeschlossenen Begut-

achtungsverfahren liegt.

Im nachfolgend geschilderten Fall wird ein gravierender,

nicht untypischer Behandlungsvorgang dargestellt, der

deutlich erkennen lässt, in welchem Umfang die Gutachter-

kommission beanstandet und wo sie sich mangels sicherer

Feststellungen in der Beurteilung zurückhält.

Der Sachverhalt

Bei der seinerzeit 60 Jahre alten Patientin entwickelte sich

im linken Auge eine Zentralvenenthrombose mit der Folge,

dass das Auge nur noch die Sehschärfe „Finger zählen“ hat-

te.

Im Alter von nunmehr 65 Jahren suchte sie wegen eines

grauen Stars auf beiden Augen die Praxis des beschuldigten

Arztes auf. Dieser operierte den grauen Star des linken Au-

ges ambulant am 24. September. Bei der Operation entstand

ein Einriss der Hinterkapsel der Linse, was eine vordere Vi-

trektomie (Glaskörperausschneidung) erforderlich machte.

Die Sehschärfe blieb schlecht.Weitere Komplikationen tra-

ten nicht auf.

Bereits am 26. Oktober operierte der Arzt das jetzt allein

noch funktionstüchtige rechte Auge wieder ambulant. Er-

neut trat ein Kapselriss auf mit der Folge einer vorderen Vi-

trektomie. Bei der Kontrolle am folgenden Tag war die Seh-

schärfe auch hier auf „Finger zählen“ herabgesetzt. Im Au-

ge zeigte sich der Befund einer Entzündung („Tyndall++“

und „Zellen+“). Der Augeninnendruck war 32 mmHg

(Quecksilbersäule, normal wäre bis 20 mmHg). In der Kran-

kenakte findet sich als Therapie der Eintrag „Dexa Kombi“.

Offenbar wurde die Kombination von Dexamethason und

Gentamycin als Tropfen und Salbe (Dexa-Gentamycin Au-

gentropfen-Augensalbe Kombinationspackung) verordnet.

Der Arzt bestellte die Patientin für den Nachmittag des

28. Oktober zur Kontrolle.

Da sich an diesem Tag das Sehen weiter verschlechtert hat-

te, konsultierte die Patientin einen anderen Augenarzt, der

sie sofort in die nächste Universitätsaugenklinik einwies.

Stationäre Behandlung

In der Klinik wurde der Befund einer rechtsseitigen End-

ophthalmitis mit Hypopyon (Zellen in der vorderen Augen-

kammer), Zellen im Glaskörper und Infiltraten in der Netz-

haut erhoben; außerdem bestand der Verdacht auf eine

Netzhautablösung. Noch am 28. Oktober wurden notfall-

mäßig eineVitrektomie durchgeführt und die Kunstlinse ex-

plantiert. Bei der Operation zeigte sich eine Oradialyse

(Netzhautriss). Zur Tamponade wurde Silikonöl in das Auge

gegeben. Nach der Operation lag die Netzhaut an. Mit einer

korrigierenden Brille wurde einmal eine Sehschärfe von 0,4

erreicht. Im weiteren Verlauf ergab sich aber eine schlechte

zentrale Sehschärfe. Am 2. März des folgenden Jahres

wurde das Öl entfernt; eine neue Kunstlinse wurde implan-

tiert. Die Sehschärfe stieg nicht an; sie betrug 0,05. In der

Gefäßdarstellung der Netzhaut fand sich das Muster einer

trockenen Makulopathie. Die Ärzte der Universitätsaugen-

klinik gingen von einem toxischen Schaden durch die End-

ophthalmitis als Grund für die mangelhafte Sehschärfe aus.

Gutachtliche Beurteilung

Bei der ambulanten Staroperation des linken Auges am

24. September konnte die Gutachterkommission keinen vor-

werfbaren ärztlichen Behandlungsfehler feststellen. Die

Kapselruptur, die etwa bei 3,1 Prozent solcher Operationen

auftritt, gehört zu den typischen Komplikationen, die auch

bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt nicht immer sicher

vermeidbar sind. Wenn keine Anhaltspunkte für ein nicht

ausreichend vorsichtiges ärztliches Vorgehen feststellbar

sind, kann aus der Tatsache einer solchen Komplikation

nicht auf ein ärztliches Fehlverhalten geschlossen werden.

Anders liegen die Umstände bei der Operation des allein

noch funktionstüchtigen rechten Auges am 26. Oktober.

Der Arzt, gewarnt durch den Verlauf der ersten Operation,

hätte nach Auffassung der Gutachterkommission bei diesem

Auge mit höchster Vorsicht verfahren müssen, um eine Kap-

selruptur zu vermeiden, oder die Operation einem erfahre-

neren Operateur überlassen sollen. Die Kommission hat es

angesichts einer Häufigkeit von nur 3,1 Prozent als sehr un-

gewöhnlich bezeichnet, dass sich eine solche Komplikation

an beiden Augen eines Patienten ereignet. Es spricht in die-

sem zweiten Fall sehr viel dafür, dass bei Wahrung größt-

möglicher Sorgfalt ein erneuter Kapselriss hätte vermieden

werden können. Die Gutachterkommission hat jedoch da-

von abgesehen, hierzu weitere Ermittlungen anzustellen,

weil der entscheidende ärztliche Fehler in der Nachbehand-

lung liegt.

Fehlerhafte postoperative Behandlung

Nach Ansicht der Kommission ist kein Operateur vor der

Komplikation einer Endophthalmitis sicher, deren Häufig-

keit in der Literatur mit 0,13 Prozent angegeben ist. Die

Endophthalmitis gehört zu den typischen, wenn auch sehr

seltenen Komplikationen. Ihre Häufigkeit ist allerdings