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Jahresbericht 2015

Ärztekammer

Nordrhein

Kammerversammlung

Direktausbildung zum psycholo-

gischen Psychotherapeuten

In der Diskussion über die psychotherapeu-

tische Aus- und Weiterbildung bekräftigt die

Kammerversammlung der Ärztekammer Nord-

rhein ihre Ablehnung und die ablehnende

Haltung der Bundesärztekammer, eine Direkt-

ausbildung zum psychologischen Psycho-

therapeuten zu institutionalisieren.

Versorgungsstärkungsgesetz:

Chancen zur Verbesserung nutzen

Die Kammerversammlung sieht sich durch die

Diskussion in den letzten Monaten in ihren

Forderungen nach Änderungen am Entwurf des

GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes bestätigt.

Änderungen an diesem Gesetzentwurf sind

noch möglich. Die Kammerversammlung ruft

insbesondere dazu auf:

1. auf bürokratische und ungeeignete Maß-

nahmen wie

Terminservicestellen

und die

kontraproduktive Soll-Regelung zum A

ufkauf

von Arztpraxen

zu verzichten. Stattdessen ist

eine Analyse des tatsächlichen Versorgungsbe-

darfs erforderlich. Denn die gegenwärtig in der

Planung verwendeten Parameter bilden weder

im ambulanten noch im stationären Sektor die

eigentliche Zielgröße „Bedarf“ angemessen

ab. Der tatsächliche Versorgungsbedarf muss

auch Grundlage für die Entscheidung über die

in der „Sonderregion Ruhrgebiet“ geltenden

abweichenden Verhältniszahlen sein.

2.

Regresse

endlich vollständig abzuschaffen

und damit ein klares Zeichen für die Attraktivi-

tät der ambulanten ärztlichen Tätigkeit und die

freiberufliche Orientierung am Patientenwohl

zu setzen.

Umfassende wirtschaftliche (Regress) und recht-

liche (Strafanzeige) Verantwortlichkeit eines

Einweisers kann es aufgrund der vielschichtigen

Beziehungsebenen (räumliche Zuordnung, Ka-

pazität, Dringlichkeit, Kompetenz etc.) niemals

geben und ist somit im besonderen Vertragsver-

hältnis Arzt-Patient auch nicht darstellbar.

Das sozialtechnische Instrument der Prüfungen

besonders auf Grundlage von Durchschnittsver-

gleichen hat zur Folge, dass der Arzt in seiner

Verordnungsweise ständig unter Druck gesetzt

wird, gerade nicht unabhängig im Sinne des ein-

zelnen Patienten zu handeln, wie es nach ärztli-

chem Ethos und Berufsordnung geboten wäre.

3. dem Vorschlag des Bundesrates zu folgen

und bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2016

einen basiswirksamen

Ausgleich für unbegrün-

dete Unterschiede in der durchschnittlichen

morbiditätsorientierten Gesamtvergütung

je

Versicherten vorzunehmen. Patientinnen und

Patienten in Nordrhein haben das Recht, nicht

schlechter gestellt zu werden als Patienten in

anderen Bundesländern.

4. das vorgesehene

„Fallmanagement“ der

Krankenkassen bei Arbeitsunfähigen

nicht

einzuführen. Eine unmittelbare Intervention der

Krankenkassen in den Behandlungsprozess, wie

es der Gesetzentwurf vorsieht („Hilfestellung

durch die Krankenkasse, welche Leistungen und

unterstützende Angebote zur Wiederherstel-

lung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind“),

ist im Interesse der betroffenen Patientinnen

und Patienten abzulehnen. Es verletzt die

Rechte der Patienten auf eine geschützte Arzt-

Patienten-Beziehung. Die mit der vom Kabinett

beschlossenen Fassung vorgesehene schrift-

liche Zustimmung des Versicherten löst dieses

Problem nicht.

5. bei der Krankenhausentlassung die von der

nordrheinischen Ärzteschaft geforderte gesetz-

liche Festschreibung und Finanzierung der bis-

her schon bewährten Mitgabepraxis zu verwirk-

lichen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Rege-

lung zur Ausstellung von Rezepten birgt Risiken

für die

Arzneimitteltherapiesicherheit

, weil

sie zu zusätzlichen Medikamentenwechseln,

Doppelmedikation durch Patienten aus eigenem

Bestand und einem verspäteten Aufsuchen des

weiterbehandelnden Arztes führen kann.

6. die vorgesehenen

psychotherapeutischen

Sprechstunden

verpflichtend mit der Nutzung

spezifisch ärztlicher Kompetenzen zu verbinden.

Die Erkenntnis, dass in der Patientenversorgung

die Bereiche „Leib“ und „Seele“ nicht getrennt

betrachtet werden dürfen, gehört zu den großen

Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Sie

muss auch für das neue Instrument der psycho-

therapeutischen Sprechstunden leitend sein.

Eine offene psychotherapeutische Sprechstunde

für unselektierte Patienten durch psycholo-

gische Psychotherapeuten und Kinder- und

Jugendlichenpsychotherapeuten darf es im Inte-

resse der Patientensicherheit nicht geben. Denn

nur Ärzte verfügen über die somatische, die

pharmakologische und die sozialmedizinische

Aus- und Weiterbildung zur sicheren und für die

ganzheitliche Patientenversorgung erforderli-

chen Ausgestaltung einer solchen Sprechstunde.

Die Kammerversammlung lehnt ab:

7. die geplante

Änderung in

§ 79 b SGB V

zur

Besetzung des Beratenden Fachausschusses Psy-

chotherapie

, wonach dieser mit 5 überwiegend

psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen/Ärzten

und 1 überwiegend psychotherapeutisch tätigen

Ärztin/Arzt für Kinder- und Jugendmedizin zu

besetzen sei. Das Überwiegen psychotherapeu-

tischer Tätigkeit schließt eine breite Gruppe

von Ärztinnen und Ärzten aus, die integrativ

somatisch-medizinisch und psychotherapeu-

tisch tätig sind.

Die Kammerversammlung der Ärztekammer

Nordrhein bittet den Vorstand, die ihm zur

Verfügung stehenden Einflussmöglichkeiten

zu nutzen, um eine Korrektur dieses Gesetzes-

textes zu bewirken mit der Formulierung:

„Die Vertreter der Ärztinnen und Ärzte müssen

auch psychotherapeutisch tätig sein, darunter

soll eine Ärztin/ein Arzt sein, die/der die Kinder-

und Jugendmedizin vertritt“.

Praxis und Klinik in Nordrhein

stehen Seite an Seite

Das Ärztebündnis Nordrhein fordert die Ärzte-

kammer Nordrhein auf, sich für den Erhalt der

flächendeckenden ambulanten, wohnortnahen

Versorgung durch Haus- und Fachärzte einzuset-

zen, die durch das

Versorgungsstärkungsgesetz

(GKV-VSG)

gefährdet ist.

Die Ärztekammer Nordrhein möge die Folgen

des Gesetzes gegenüber den Vertretern der

Lokalpolitik erläutern und auf den Ernst der

Lage aufmerksam machen.

Das Ärztebündnis Nordrhein weist auf die Fol-

gen für Städte, Kommunen und Kreise hin: Das

Versorgungsstärkungsgesetz hat unmittelbare,

lokale und regionale Konsequenzen für die

Versorgung der Patienten. Die Folgen des Ge-

setzes sind geeignet, die Lebensqualität und

die Attraktivität der nordrheinischen Städte,

Gemeinden und Landkreise erheblich zu

mindern:

• der geplante Praxisaufkauf dünnt die haus-

und fachärztliche Versorgungslandschaft aus,

• weniger Praxen bedeuten weniger Anlauf-

stellen für zu vergebende Termine,

• die Kliniken selbst arbeiten an der personellen

Kapazitätsgrenze, sodass sie für zusätzliche

Aufgaben nicht gerüstet sind,

• die Terminservicestellen – die auch aus

anderen Gründen in der Kritik stehen – können

mangels ausreichender Praxiskapazitäten vor

Ort nicht im Sinne der ambulanten Versor-

gung arbeiten, sondern müssen die Patienten

schneller in die Klinikambulanzen überweisen.

Dies sind Folgen, die die Versorgungssicher-

heit und die Lebensqualität in Nordrhein aus

Patientensicht einschränken. Dies kann nicht im

Interesse funktionierender Gemeinwesen sein.

Praxen und Kliniken in Nordrhein stehen hier

Seite an Seite. Beide sind nicht bereit, die nega-

tiven Folgen des Versorgungsstrukturgesetzes

zu tragen und sich gegeneinander ausspielen

zu lassen.

Entschließungen der Kammerversammlung