

erlässlichen Fakten begründe nach den im Arzthaftungs-
recht entwickelten Grundsätzen die Vermutung, dass die
Maßnahme unterblieben sei. Die Gutachterkommission ge-
he deshalb davon aus, dass die genannten Parameter nicht
bestimmt und kontrolliert worden seien. Das Unterbleiben
der Bestimmung und Kontrolle von Zieltemperatur, Leis-
tung, Dauer und Anzahl der Energieapplikationen sowie
der Kommentierung der fluoroskopisch dokumentierten
Katheterpositionen stelle einen Behandlungsfehler dar, der
den Ärzten bei beiden Ablationen anzulasten sei. Eine ärzt-
liche Maßnahme, die ohne Festlegung und Kontrolle der
Kriterien durchgeführt worden sei, die für ihren Erfolg oder
Misserfolg maßgebend seien, sei fehlerhaft.
Der Dokumentationsmangel führe auch – so hat die Kom-
mission weiter ausgeführt – zu einer Umkehr der Beweislast
hinsichtlich des Kausalzusammenhanges zwischen dem Be-
handlungsfehler und dem eingetretenen Primärschaden,
der in dem Auftreten eines totalen AV-Blockes bestehe. Bei
dieser Feststellung geht die Gutachterkommission in Über-
einstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung
davon aus, dass eine Beweislastumkehr hinsichtlich des
Kausalzusammenhanges nicht nur geboten sei, wenn die
Dokumentationslücke einen groben Behandlungsfehler in-
diziere, sondern auch, wenn die Unaufklärbarkeit des Be-
handlungsablaufes wesentlich darauf beruhe, dass die not-
wendigen Daten zur Aufklärung des Behandlungsgesche-
hens von dem Arzt gerade auch wegen des erhöhten Risikos
des Verlaufs geschuldet, aber aus von ihm zu vertretenden
Gründen nicht zurVerfügung gestellt würden. In diesen Fäl-
len könne dem Patienten wegen der Aufklärungshindernis-
se die Beweislast billigerweise nicht zugemutet werden
(vgl.
BGH, vom 03.02.1987 – VI ZR 56/86; OLG München, VersR
2012, 111, 112)
.
Diese Voraussetzungen haben nach Auffassung der Gutach-
terkommission vorgelegen. Denn es fehlten bei zwei invasi-
ven Eingriffen, bei denen die Gefahr einer lebenslangen
Schrittmacherpflichtigkeit besteht, die wesentlichen Daten,
die für den Erfolg oderMisserfolg derMaßnahmen entschei-
dend und die deshalb auch für die Beurteilung der Behand-
lung maßgeblich seien. Diese Daten hätten die beschuldig-
ten Ärzte trotz mehrfacher Nachfrage nicht zur Verfügung
gestellt.Die von denÄrzten zu vertretende Unaufklärbarkeit
des Ablaufs dieser Behandlung mit erhöhtem Risiko müsse
sich in der Verminderung des von der Patientin zu erbrin-
genden Beweismaßes niederschlagen.
Infolge der fehlenden Daten könne der Ablauf der Behand-
lung nicht nachvollzogen und nicht überprüft werden, ob
die Behandlung fachgerecht durchgeführt worden sei. Die
der Antragstellerin hierdurch entstehenden Nachteile könn-
ten nur durch eine Umkehr der Beweislast ausgeglichen
werden.Unter der danach gebotenen Umkehr der Beweislast
sei der Kausalzusammenhang zwischen dem Behandlungs-
fehler – der unterlassenen Bestimmung und Kontrolle von
Zieltemperatur, Leistung, Dauer und Anzahl der Energie-
applikationen sowie der fehlende Kommentierung der fluo-
roskopisch dokumentierten Katheterpositionen bei zwei
Ablationen – und dem Auftreten eines totalen AV-Blocks als
Primärschaden zu vermuten.
Zwar wird das Auftreten eines AV-Blocks bei der Katheter-
ablation in der Literatur als eine Komplikation beschrieben,
die auch bei fachgerechter Behandlung mit einer Häufigkeit
von drei Prozent auftreten kann
(Kugler J. et al.: Pediatric
Radiofrequency catheter ablation registry, success, fluoroscopy
time and complication rate for supraventricular tachy-cardia,
J. Cardiovascular Electrophysiology, 2002, Vol.13,336–341)
. Je-
doch habe die Behandlerseite darzulegen und zu beweisen,
dass der Behandlungsverlauf im vorliegenden Fall auch oh-
ne Behandlungsfehler identisch gewesen wäre, ein Nach-
weis, der bei der gegebenen Dokumentationslage nicht ge-
führt werden könne.
Als weitere Gesundheitsschäden seien zu nennen: Unter der
Annahme einer normalen Lebenserwartung sei allein we-
gen Batterieerschöpfung von wahrscheinlich sieben bis acht
Austauschoperationen des Generators und gegebenenfalls
einer kompletten Austauschoperation inklusive der Schritt-
machersondenwegen Sondenermüdungsbrüchen und der er-
höhten Gefahr einer infektiösen Endokarditis auszugehen.
Ob die permanente apikale Stimulation mit Induktion eines
Linksschenkelblocks und konsekutivem asynchronen links-
ventrikulären Kontraktionsablauf die Entstehung einer
Kardiomyopathie begünstige, werde die Zeit zeigen.
Peter Hanrath und Karl Joseph Schäfer
Gutachtliche Entscheidungen
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Die nicht dokumentierte Prozedur einer Ablationsbehandlung