

Zur Beseitigung einerVarikozele stehen verschiedeneVerfah-
ren zur Verfügung:
Die supra- oder inguinale Ligatur der Vena(e)
testiculari(e)s mit der Arteria testicularis (nach Palomo)
oder ohne die Arteria testicularis (nach Bernardi),
die inguinale oder subinguinale Ligatur der Venae
testiculares und des Plexus pampiniformis
(nach Ivanissevich),
die endoskopische trans- oder retroperitoneale Ligatur
der Vena(e) testiculari(e)s,
die perkutane phlebographische Verödung der Vena(e)
testiculari(e)s, retrograd oder orthograd.
Jede dieser Methoden hat ihre Vor- und Nachteile, wobei mit
keiner von ihnen ein voller Erfolg garantiert werden kann.
Sie sind zudemmit erheblichen Komplikationen verbunden:
einer Hydrozelen-Entstehung in drei bis 39 Prozent, einer
Varikozelen-Persistenz in bis zu 16 Prozent und einer Hoden-
atrophie in bis zu einem Prozent der Fälle. Bei der Behand-
lung einer Varikozelen-Persistenz sind die Eingriffsrisiken
erhöht.
In Anbetracht der eingeschränkten Behandlungsaussichten
und der erheblichen Behandlungsrisiken ist die Indikation
zur Operation einer Varikozele sehr zurückhaltend zu stel-
len, um eine Fehltherapie oder Komplikationen zu vermei-
den. Bei dem ersten Fall ging es um den Hauptzweck einer
Varikozelen-Behandlung, nämlich die Verbesserung der Sa-
menqualität zur Erzielung einer Schwangerschaft. Hierzu
hätte durch eine Spermiographie überprüft werden müssen,
ob überhaupt eine Spermiogenesestörung vorliegt, die eine
Varikozelen-Operation rechtfertigt. Auch die Indikation zur
Beseitigung der geklagten Scrotum- und Orgasmusschmer-
zen hätte des differenzialdiagnostischen Ausschlusses ande-
rer Ursachen wie einer Prostataentzündung bedurft.
Bei dem zweiten Fall war eineVerbesserung derAzoospermie
(bei zweimaligem Nachweis fehlender Spermien im Ejaku-
lat) durch die Beseitigung derVarikozele von vornherein aus-
geschlossen.
In beiden Fällen war die Operation nicht indiziert und somit
behandlungsfehlerhaft.
Auch bei der operativen Behandlung der jeweiligen Variko-
zele war zu prüfen,ob Komplikationen zu vermeiden gewesen
wären.Bei dem ersten Fall wurden entgegen den Empfehlun-
gen der Operationslehre, bei der Methode nach Ivanissevich
„nicht mehr als 2/3 derVenen abzutragen,um die Ernährung
des Hodens nicht zu gefährden“, sämtliche Venen des Samen-
stranges, einschließlich die dem Ductus deferens anliegen-
den, unterbunden. Hiermit wurde absehbar der venöse Ab-
strom des Hodens vollständig blockiert. Demzufolge kam es
nach der Operation zu einer hämorrhagischen Hodeninfar-
zierung.Der intraoperativ gesetzte Schaden war postoperativ
nicht mehr rückgängig zu machen. Der abgestorbene Hoden
musste schließlich wegen der symptomatischen Komplika-
tionen nach etwa zwei Monaten entfernt werden.
Bei dem zweiten Fall kam es nach der endoskopischenVariko-
zelen-Klippung/Resektion zu einer stärkergradigen Blutung
in die Bauchdecken, die in ihrem Ausmaß als solche erkenn-
bar war und durch eine sofortigeWundrevision hätte gestillt
werden können. Der Versuch, die Blutansammlungen im
Unterbauch und im Scrotum durch eine konservative Be-
handlung zu bekämpfen, konnte demOperateur jedoch nicht
als behandlungsfehlerhaft vorgeworfen werden.
Insgesamt sind bei der Behandlung einerVarikozele die Indi-
kation und die Operationstechnik aus gutachterlicher Sicht
kritische Punkte,die zu vermeidbaren Fehlern führen können.
Volkmar Lent und Engelbert Oehler
Gutachtliche Entscheidungen
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Fehler bei der Behandlung einer Varikozele