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Gutachtliche Entscheidungen

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Sicherstellung einer erforderlichen Medikation bei Entlassung

Sicherungsaufklärung und Eingriffsaufklärung

Der Fall gibt Anlass, auf Besonderheiten der Sicherungsaufklärung

in Abgrenzung zur Eingriffsaufklärung hinzuweisen. Die letztge-

nannte Aufklärung, deren Inhalt die Information des Patienten

uber Art und Durchfuhrung einer geplanten Behandlung und uber

deren Risiken ist, soll dem Patienten die fur seine Entscheidung

uber die Einwilligung in die Behandlung erforderlichen Kenntnisse

vermitteln. Wird diese Aufklärung nicht oder unzureichend erteilt,

fehlt es in der Regel an einer rechtswirksamen Einwilligung und ist

die dennoch erfolgte Behandlung rechtswidrig.

Die Sicherungsaufklärung, auch therapeutische Aufklärung ge-

nannt, soll hingegen den Patienten uber Umstände und/oder Ver-

haltensweisen informieren, die zur Sicherung des Heilerfolgs oder

eines therapiegerechten Verhaltens von Bedeutung sind. Sie dient

also dem Schutz des Patienten vor eigenem Fehlverhalten. Sie be-

zieht sich auf eine Vielzahl von Tatbeständen, die während der Be-

handlung, aber auch noch, wie in dem Fall dargestellt, in der Zeit

nach der Behandlung liegen können. Die Rechtsprechung hierzu

weist eine Fulle von Beispielen auf, beginnend etwa mit dem Hin-

weis auf die Dringlichkeit der Behandlung nach der ersten Unter-

suchung und endend mit Anweisungen fur das kunftige Verhalten

des Patienten nach dem Ende der Behandlung, um Ruckfälle oder

Verschlimmerung zu vermeiden.

Bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Sicherungsaufklärung han-

delt es sich um einen Behandlungsfehler, fur den verfahrensrecht-

lich dieselben Regeln gelten wie fur sonstige Behandlungsfehler.

Die Beweislast fur das Vorliegen eines solchen Fehlers liegt also

beim Patienten. Da nicht wie bei der Eingriffsaufklärung ein von

Patient und Arzt unterschriebenes Aufklärungsdokument angefer-

tigt wird, kann die Beweisfuhrung schwierig sein. In den Fällen, in

denen eine aus medizinischen Grunden dokumentationspflichtige

Sicherungsaufklärung vom Arzt nicht dokumentiert ist, kann aus

der Nichtdokumentation eventuell geschlossen werden, dass sie

nicht erfolgt ist. In einem solchen Fall musste der Arzt beweisen,

dass dies doch der Fall war.

Stentverschlusses und die Gefahren und Konsequenzen ei-

ner Nichtbeachtung dieser Tabletteneinnahme aufgeklärt

werden müssen. Bei Nichteinnahme der dringlich gebote-

nen dualen antithrombotischen Therapie –wie im vorliegen-

den Falle – ist das Risiko einer Stent-Thrombose nahezu

100 Prozent.Ausweislich der Leitlinien für perkutane Koro-

narinterventionen der Europäischen Gesellschaft für Kar-

diologie muss bei metallischen Stents Clopidogrel für min-

destens drei bis vier Wochen und Aspirin

®

lebenslang ein-

genommen werden

(E H J, 2005, 26, 804-47)

.

Ferner hätte – insbesondere in Anbetracht des bevorstehen-

denWochenendes –Vorsorge getroffen werden müssen, den

Patienten über das Wochenende hinaus mit diesen notwen-

digen Medikamenten zu versorgen,wie es in vielen Kliniken

üblich ist und wie es bei Entlassung nach notfallmäßiger

Wiederaufnahme in der beklagten Klinik dann nachweis-

lich auch geschah. Alternativ hätte man den Patienten ein-

dringlich darauf hinweisen müssen, sich in Anbetracht des

bevorstehenden Wochenendes noch am Entlassungstag

beim Hausarzt oder KV-Notarzt zwecks Ausstellung eines

entsprechenden Rezepts vorzustellen. Entsprechende An-

weisungen sind aus den vorliegenden Akten nicht zu ent-

nehmen. Dass es nach der Stellungnahme des Chefarztes ei-

ne Dienstanweisung gegeben haben soll, die Problematik

der Medikamenteneinnahme im Rahmen der täglich statt-

findenden Visiten anzusprechen, ersetzt die Notwendigkeit

der Dokumentation einer diesbezüglichen Sicherungsauf-

klärung des Patienten nicht.

Der zwei Tage später aufgetreteneVorderwandinfarkt ist mit

hoher Wahrscheinlichkeit auf die unterbliebene, aber drin-

gend gebotene Fortführung der dualen antithrombotischen

Therapie zurückzuführen. Durch die rechtzeitige und er-

folgreiche Reperfusion der verschlossenen Herzkranzarte-

rie ist es zu keiner erkennbaren Beeinträchtigung der globa-

len linksventrikulären Pumpfunktion gekommen.

Peter Hanrath, Erwin Wolf und Beate Weber