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Differenzialdiagnostik bei cerebraler Symptomatik

lichkeit eines cerebralen Insultes oder einer cerebralen Blu-

tung denken lassen. Für eine solche Überlegung war es nicht

ausschlaggebend, dass die Patientin – nach der Darstellung

des Arztes – den zeitlichen Zusammenhang der Schmerzen

am Hals mit einer Kraftübung des rechten Armes nicht mit-

geteilt hat. Bei gründlicher Befragung der Patientin zur

Vorgeschichte hätte dieser Umstand allerdings zur Kenntnis

des Arztes gelangen können.

Unabhängig davon bot die beschriebene neurologische Fo-

kalsymptomatik Anlass zu sofortigen diagnostischen Maß-

nahmen. Dabei war es Aufgabe des aufnehmenden Arztes –

ggf. nach Beteiligung des Chef- oder Oberarztes –, differen-

zialdiagnostisch eine cerebrale Ischämie bzw. Blutung zu

sichern oder zuverlässig auszuschließen, und zwar als

Grundlage für die einzuschlagende Therapie.

Für eine Migräne war die beschriebene kurzfristige Sympto-

matik eher untypisch, auch anamnestisch nicht zu erfragen

und damit unwahrscheinlich. Aber selbst bei anderer Be-

wertung dieser Schmerzen hätte das Auftreten einer passa-

geren neurologischen Fokalsymptomatik unklarer Ursache

bei der zuvor neurologisch unauffälligen Patientin Anlass

zu einer unverzüglichen diagnostischen Klärung geben

müssen, insbesondere durch ein cerebrales Computertomo-

gramm und eine neurologische Konsiliaruntersuchung oder

Abgabe der Patientin an eine Neurologische Klinik.

Sofortige Diagnostik notwendig

Von dieser Aufgabe konnte sich der Aufnahmearzt durch ei-

ne telefonische Rücksprache mit einem Arzt der Neurologi-

schen Klinik nicht entlasten, der die Patientin selbst nicht

gesehen und untersucht hatte. Der Arzt durfte bei der zu er-

fragenden Anamnese und trotz des bei der Untersuchung

wieder unauffälligen Befundes die Patientin nicht ohne

Weiteres entlassen. Unter diesen Umständen war vielmehr

eine engmaschige klinische Überwachung, mindestens aber

eine dringliche weiterführende Diagnostik erforderlich, da

die Behandlung unter anderem von deren Ergebnissen ab-

hängig zu machen war.

Keineswegs konnte es ausreichend sein, der Patientin ledig-

lich die Vorstellung beim Hausarzt anzuraten, ohne sie auf

die Dringlichkeit der neurologischen Untersuchung nach-

drücklich aufmerksam zu machen. Die Empfehlung, beim

Auftreten von Lähmungserscheinungen unmittelbar die

Neurologische Universitätsklinik aufzusuchen,minderte so-

gar aus der Sicht der Patientin die Notwendigkeit sofortiger

diagnostischer Maßnahmen.

Die Gutachterkommission kam in Übereinstimmung mit

dem neurologischen Fachsachverständigen zu dem Ergeb-

nis, dass bei einer noch am selben Tag begonnenen intra-

venösen Antikoagulantien-Behandlung mit Heparin wahr-

scheinlich das zwei Tage später eingetretene Infarktereignis

mit der Halbseitenparese links verhindert worden wäre.

Mit dieser Maßgabe stellte die Kommission einen vorwerf-

baren ärztlichen Behandlungsfehler fest.

Anmerkung zum Thema

Die Gutachterkommission hatte in der Vergangenheit eine

Reihe weiterer, ähnlich gelagerter Fälle zu bearbeiten.

Herbert Weltrich und Herwarth Lent

Gutachtliche Entscheidungen

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