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Die Gutachterkommission hat wiederholt ärztliche Behand-

lungsfehler feststellen müssen, die dazu führten, dass die

Verdachtsdiagnose einer akuten Appendizitis nicht rechtzei-

tig gestellt wurde. Bei Schmerzen im Epigastrium, in der Pe-

riumbilikalregion und vor allem im rechten Unterbauch ist

bei jedem Patienten ohne Appendektomienarbe an eine sol-

che Entzündung zu denken.

Die Anamnese mit der zeitlichen Abfolge der Symptome er-

gibt bereits wichtige Hinweise. Die Schmerzen beginnen in

der Regel im Epigastrium oder periumbilikal. Danach loka-

lisieren sie sich in den rechten Unterbauch. Es bestehen sub-

febrile Temperaturen und eine charakteristische Differenz

zwischen axillärer und rektaler Temperatur. Eine leichte

Leukozytose ist zumeist vorhanden. Bei stärkerem Fieber

(39°C und höher) und anhaltenden Schmerzen ist stets auch

eine Perforation der Appendix in Betracht zu ziehen

(vgl.

W. Kaufmann, Internistische Differentialdiagnostik, Verlag

Schattauer, 4.Aufl., S. 641 - Beitrag K.H. Vestweber)

. Bei kleine-

ren Kindern und älteren Menschen ist die Diagnose oft

schwieriger, da die klassischen Symptome nicht artikuliert

werden können oder häufiger nicht deutlich ausgeprägt

sind. Die Gutachterkommission hatte folgenden zum Tode

führenden Krankheitsverlauf zu beurteilen.

Der Sachverhalt

Der damals 66-jährige Patient war seit zwei Jahren wegen

einer neurogenen Blasenentleerungsstörung mit liegendem

Bauchdeckenkatheter (BDK) und chronischem Harnwegs-

infekt bei einemMorbus Parkinson sowie einer Insuffizienz

der Einzelniere rechts mehrfach in der Behandlung der bei-

den in einer Gemeinschaftspraxis tätigen beschuldigten

Urologen Dr. A. und Dr. B.. Der letzte BDK-Wechsel wurde

am 14. September durch Dr. B. vorgenommen.

Aus der Vorgeschichte war beiden Urologen bekannt: Eine

vor etwa 20 Jahren durchgeführte linksseitige Nephrekto-

mie und eine vor etwa zweieinhalb Jahren erfolgte transure-

thrale Elektroresektion eines benignen Prostataadenoms.

In den Nachmittagstunden des 22. September wurde der Pa-

tient von dem Urologen Dr. A. wegen starker Unterbauch-

schmerzen nach einer Ultraschalluntersuchung unter dem

Verdacht auf massive Blaseninfektion zur antibiotischen Be-

handlung stationär in die Belegabteilung der Urologen Dr. A.

und Dr. B. eingewiesen. Die von Dr. A. ambulant durchge-

führte Sonographie zeigte – laut Dokumentation – einen re-

gelrecht in der Blase liegenden BDK, sonst keine auffälligen

Befunde.

Behandlung in der urologischen Belegabteilung

Bei derAufnahme befand sich der Patient in einem reduzier-

ten Allgemeinzustand. Das Abdomen wird mit „keine pal-

pablen Resistenzen, Leber und Galle o. B.“ befundet. Die Be-

schaffenheit der Bauchdecken, ein Palpationsschmerz und

die Peristaltik sind im Aufnahmebefund nicht vermerkt.

Die Sonographiekontrolle ergab jetzt weiterhin: „Rechte

Niere o. B., Leber o. B., Gallenblase ohne Steine, Blase leer,

Z. b. liegendem BDK“. Pathologische Resistenzen, erweiter-

te Darmschlingen, freie Flüssigkeit sind nicht aufgezeich-

net.

Das Blutbild zeigte am Aufnahmetag eine Leukozytose von

17.100/nl; weitere Entzündungsparameter, wie BKS und der

CRP-Wert wurden nicht bestimmt; der Harnstoff war mit

62 mg/dl leicht erhöht, das Kreatinin mit 1,1 mg/dl normal;

im Urinsediment massenhaft Leukozyten und Bakterien.

Eine i. v. Antibiotikatherapie mit Cefuroxim– Cephalospori-

ne der 2. Generation – in einer Dosierung von 3 x 1,5 g pro

Tag wurde eingeleitet und fortgeführt. Der Patient bekam

außerdem parenterale Infusionen sowie Spasmolytika zur

Schmerzbekämpfung, ferner wegen einer Obstipation täg-

lich Abführmittel. Am späten Vormittag des 24. September

wurden zwei Darmklysmen über ein Darmrohr eingeführt,

ohne dass dadurch ein Stuhlgang erzielt wurde. Gleichzeitig

mit diesen Maßnahmen wurde die Morbus Parkinson-Be-

handlung mit Movergan 5 mg weitergeführt. Die Körper-

temperatur betrug nach der Fieberkurve am 23. September

38°C und am 24. September 38,5°C. Weitere diagnostische

Maßnahmen und klinische Untersuchungsbefunde sind

ärztlicherseits nicht dokumentiert.

In der Pflegedokumentation vom 24. September ist vom

Spätdienst vermerkt: „Patient hat einen Trommelbauch, hat

kaum abgeführt, ist schweißig, Tachyarrhythmie, Puls

schwach, Dr. A. informiert–Abdomen, Magensonde, Darm-

rohr;Magensonde spontan 1.500 ml dunkel-braun gefärbt.“

In der Fieberkurve ist am selben Tag eingetragen: „Magen-

sonde 16:00 Uhr, Darmrohr, Abdomen, Labor“. Im Blutbild

vom 24. September 20:24 Uhr: Leukozyten 10.900 /nl. Im

Serum: Kreatinin 2,4 mg/dl, Harnstoff 159 mg/dl, CRP-

Wert 657,0 mg/l.

DieAbdomensonographie vom24. September gegen 22:45Uhr

ergab laut Dokumentation: „Im gesamten Abdomen massiv

erweiterte Dünn- und Dickdarmanteile mit deutlicher Pen-

delperistaltik und Wandödem, interstitielle Flüssigkeit, Ver-

dacht auf freie intraabdominelle Luft; Leber deutlich ver-

größert, echoarm, deutlich tastbar“.

Chirurgisches Konsil

Der gegen 22:00 Uhr hinzugezogene Chirurg vermerkte in

der Pflegedokumentation:„Abdomen deutlich aufgetrieben,

massiver Druckschmerz im gesamten Abdomen mit Ab-

wehrspannung, Magensonde, Miserere 2.600 ml, Patient ist

nicht ansprechbar, zz. Kreislauf stabil. Eine OP-Aufklärung

ist nicht möglich, da der Patient nicht ansprechbar ist“.

Über die chirurgische Konsiliaruntersuchung enthält die

ärztliche Dokumentation gegen 22:45 Uhr folgenden Be-

fund: „Akutes Abdomen mit diffuser Abwehrspannung,

Ileus, Miserere, sonographisch freie Flüssigkeit und freie

Diagnostische Versäumnisse bei akuter Appendizitis

Verdachtsdiagnose rechtzeitig stellen

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Gutachtliche Entscheidungen