

Vermeidbare Fehler bei therapeutischen Infiltrationen
rechtlich unwirksam und das ärztliche Vorgehen rechtswid-
rig war.
Abgesehen von der ungeklärten Indikation war die gewähl-
te Behandlungsmethode nicht zu beanstanden. Bei der Infil-
tration mit einem Lokalanästhetikum werden in der Regel
nach Setzen einer Hautquaddel das Unterhautgewebe und
die paravertebralen muskulären Schmerzpunkte infiltriert.
Fehlerhaft war es jedoch, dass der Arzt abweichend vom
Standard eine Injektionsnadel der Größe I Sterican mit ei-
ner Länge von 40 mm Länge wählte. Kaliber und Länge sind
sowohl für eine Punktion des Epiduralraumes am Rücken-
mark in Höhe der Halswirbelsäule geeignet als auch für die
Punktion der Arteria vertebralis.
Die klinischen Erscheinungen im unmittelbaren Zusam-
menhang mit den drei Injektionen rechts und links paraver-
tebral in Höhe des 6./7. Halswirbelkörpers, insbesondere
die passagere Tetraparese mit Herz-Kreislaufstillstand und
flüchtiger Atemlähmung, lassen nach Auffassung der Gut-
achterkommission auf eine Infiltration des Anästhetikum in
den Epidural-, Spinal- bzw. Subarachnoidalraum schließen,
die bei fachgerechtem und sorgfältigem Vorgehen mit ent-
sprechender Injektionsnadel vermeidbar gewesen wäre. In-
soweit stellte die Kommission einen vorwerfbaren Behand-
lungsfehler fest.
Sachgerecht waren dagegen alle Maßnahmen des Arztes
nach Auftreten der Komplikation. Sie haben dazu beigetra-
gen, dass sich die Folgen der fehlerhaften Behandlung in
Grenzen hielten. Wesentliche bleibende Schäden konnten
vermieden werden.
Ergänzend zum Thema
Bei Infiltrationen im Bereich des Thorax wurde bislang von
der Gutachterkommission bei der Ärztekammer Nordrhein
34-mal ein Pneumothorax beobachtet und festgestellt, dass
er durch fehlerhaftes Vorgehen herbeigeführt oder/und die
Komplikation nicht oder verspätet erkannt wurde. Darunter
sind 8 Verfahren, in denen zudem die Risikoaufklärung un-
zureichend erfolgt ist. Diese Bewertung betraf überwiegend
Orthopäden und Allgemeinmediziner, aber auch Internis-
ten, Chirurgen, Anästhesisten und Gynäkologen.
Bei paravertebralen Infiltrationen von Lokalanästhetika ge-
langte die Nadel 17-mal in das Rückenmark, davon 9-mal
mit der Folge einer Querschnitts-Symptomatik. Ein post-
punktionelles Liquorverlustsyndrom wurde 8-mal ver-
kannt. Es wurde auch versäumt, darauf hinzuweisen, dass
bei Eintritt von Kopfschmerzen Bettruhe mit Kopftieflage-
rung einzuhalten ist. In 2 Verfahren unterblieb die Risiko-
aufklärung. Einmal wurde bei der Infiltration die Niere und
zweimal der Nervus ischiadicus verletzt.
Als vorwerfbar fehlerhaft wurde auch bewertet, dass Infil-
trationen nicht im Liegen, sondern im Sitzen ohne hinrei-
chende Sicherung der Patienten vorgenommen wurden.
Hierdurch kam es infolge eines Sturzes von der Liege ein-
mal zu einer Sprunggelenksfraktur und einmal zu einer
Schulterprellung. Eine unter Markumar kontraindizierte
paravertebrale Infiltration hatte eine retro- und intraperito-
neale Blutung zur Folge. 7-mal wurden paravertebrale Abs-
zesse verkannt, weshalb es unter anderem zu einer Menin-
gitis kam.
Herbert Weltrich und Herwarth Lent
Gutachtliche Entscheidungen
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