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Fehlerhafte Behandlung nach Kataraktoperation

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Gutachtliche Entscheidungen

dann eindeutig erhöht, wenn – wie bei der Patientin – Glas-

körperkomplikationen auftreten.

Aus den Krankenunterlagen ergeben sich keine Hinweise

auf Fehler bei der Asepsis vor und während der Operation.

Für die Entstehung der Komplikation ist daher der Arzt

nicht verantwortlich zu machen, wohl aber für die nachfol-

genden Versäumnisse. Der im Krankenblatt am ersten post-

operativen Tag aufgezeichnete Befund begründete bereits

den Verdacht auf eine beginnende Endophthalmitis. In ei-

nem solchen Fall sind sofort eine hochdosierte systemische

Behandlung mit Antibiotika und eine Vitrektomie indiziert.

Der Arzt hätte umgehend die dafür erforderlichen Maßnah-

men–hier stationäre Einweisung–veranlassen müssen.Dies

hat er fehlerhaft unterlassen. Die Verabreichung nur von

Augentropfen und -salbe sowie eine Kontrolle erst am nächs-

ten Nachmittag waren eindeutig unzureichend.

Zum Gesundheitsschaden

Die Endophthalmitis konnte in der Universitätsaugenklinik

beherrscht werden. Die Sehschärfe normalisierte sich je-

doch nicht; sie lag zuletzt bei 0,05. Als Ursache ist in erster

Linie ein toxischer Schaden infolge der Endophthalmitis an-

zunehmen. Die am 28. Oktober beschriebenen Infiltrate der

Netzhaut sprechen für eine solche toxische Schädigung. Die

trockene Makulopathie, die im Angiogramm zu sehen ist,

muss nicht unbedingt zu einer Herabsetzung der Sehschär-

fe führen. Es besteht nach allem eine hohe Wahrscheinlich-

keit für die Annahme, dass dies eine Folge der Endophthal-

mitis ist.

Ob bei einer etwa 24 Stunden früher eingeleiteten Behand-

lung dieser Komplikation ein besseres Ergebnis erzielt wor-

den wäre, ist zwar nicht mit absoluter Sicherheit zu beur-

teilen, aber auch hierfür besteht eine hohe Wahrscheinlich-

keit.

Der Netzhautriss beruht nicht auf einem ärztlichen Behand-

lungsfehler; er kann als typische Komplikation bei Glaskör-

perzug im Rahmen der vorderen Vitrektomie, d. h. Glaskör-

perausschneidung auftreten und ist nicht Ursache des

Sehschärfeverlustes.

Einwendungen des beschuldigten Arztes

Zu dem Behandlungsfehlervorwurf hat der Arzt imWesent-

lichen wie folgt Stellung genommen:

Die doppelseitige Kapselruptur zeige, dass

„... die Augen der Patientin für eine Kapselruptur

offensichtlich prädestiniert“ gewesen seien.

Postoperativ hätten sich keine alarmierenden

Anhaltspunkte für eine beginnende Endophthalmitis er-

geben. Es hätten lediglich Anzeichen einer leichten bis

mittleren Entzündung, nicht aber solche einer Infektion

bestanden. Es sei daher nicht notwendig gewesen, die

Patientin zur stationären Behandlung einzuweisen.

Eine 24 Stunden früher beginnende stationäre

Behandlung hätte „kein anderes Ergebnis erzielt“.

Die Makulaschädigung sei eher auf ein zystoides Makula-

ödem als auf die Endophthalmitis zurückzuführen.

Abschließende Beurteilung

Der Meinung des beschuldigten Arztes über die Ursache der

zweiten Kapselruptur hat die Gutachterkommission mit der

Auffassung widersprochen, dass eine solche Ruptur immer

die Folge einer mechanischen Verletzung der Kapsel und so-

mit vom Operateur verursacht sei, unabhängig davon, ob

die Ruptur vorwerfbar war oder nicht. Die Kommission hat

im Übrigen diese Ruptur nicht als vorwerfbar gewertet.

Die bereits am ersten postoperativen Tag festgestellten

leichten bis mittleren Entzündungszeichen, zumal sie das

einzige noch sehtüchtige Auge betrafen, erforderten höchste

Wachsamkeit. Dies umso mehr,weil durch die Kapselruptur

das Risiko einer Endophthalmitis zunimmt. Das gehört zum

Grundwissen eines augenärztlichen Operateurs. Daher war

hier bei der Interpretation der Entzündungszeichen so lan-

ge von einer infektiösen Endophthalmitis auszugehen, bis

das Gegenteil bewiesen war.

Die Auffassung,eine frühere stationäre Behandlung hätte zu

keinem besseren Ergebnis geführt, ist nicht begründet. Es

ging hier nicht allein um eine Operation, sondern ganz we-

sentlich auch um die Feststellung oder um den sicheren

Ausschluss einer infektiösen Endophthalmitis mit entspre-

chender gezielter antibiotischer Behandlung, die in der vom

beschuldigten Arzt durchgeführten Form absolut unzurei-

chend war. Die verordneten Augentropfen und Augensalbe

erreichen das Augeninnere nicht in der bei einer End-

ophthalmitis gebotenen Konzentration.Die Zeit bis zur Ent-

stehung irreparabler Schäden imAuge wird bei einer solchen

Erkrankung in Stunden gemessen.

Die Ausführungen des Arztes zur Ursache der Makulaschä-

digung treffen ebenfalls nicht zu. Die Gutachterkommission

betont, dass ein zystoides Makulaödem eine erste schwache

Reaktion auf eine Endophthalmitis darstelle und insofern

bereits als erstes Anzeichen eines toxischen Makulascha-

dens zu werten sei. Ein zystoides Makulaödem habe zwar

auch bestanden. Bei einer so schweren Endophthalmitis mit

der Notwendigkeit einer Vitrektomie und Ölfüllung des Au-

ges sei aber davon auszugehen, dass eine weitere toxische

Makulaschädigung erfolgt ist, die zudem durch die am

28. Oktober festgestellten Netzhautinfiltrate bestätigt wird.

Zusammenfassend kommt die Gutachterkommission zu

dem Ergebnis, dass die postoperative Behandlung durch den

beschuldigtenAugenarzt vorwerfbar fehlerhaft war.Die ver-

säumte frühere Behandlung hätte mit hoher Wahrschein-

lichkeit zu einem besseren Ergebnis geführt.

Herbert Weltrich und Wilfried Fitting