

Therapieversäumnisse bei einem Herzinfarkt
Zur Kausalität
Die Gutachterkommission hat auch zu der Frage Stellung
genommen, ob der Tod des Patienten hätte abgewendet wer-
den können, wenn eine rechtzeitige Verlegung zur gebote-
nen Diagnostik und Therapie erfolgt wäre. Sie hat diese Fra-
ge nicht eindeutig klären können, da die nachgewiesenen
hochgradigen Veränderungen im Koronargefäßsystem bei
bestehendem Diabetes mellitus ein erhöhtes Sterblichkeits-
risiko nach Eintritt eines akuten Herzinfarkts bedingen. Die
Kommission traf jedoch in Übereinstimmung mit dem ein-
geholten fachärztlichen Gutachten die Feststellung, dass das
pflichtwidrige Versäumnis der frühzeitigen Verlegung die
Überlebenschance des Patienten vorwerfbar vermindert habe.
Zusammenfassung
Zusammenfassend stellte die Gutachterkommission fest:
Der begründete Vorwurf fehlerhafter ärztlicher Behandlung
richtet sich in erster Linie gegen den Dienst tuenden Ober-
arzt, der seine Pflicht, den fachärztlichen Standard bei der
Behandlung des Infarktpatienten sicherzustellen, vorwerf-
bar verletzt habe.
Der Dienst tuenden Ärztin ist vorzuwerfen, dass sie nach
demWiederauftreten der Beschwerdesymptomatik und den
EKG-Veränderungen nicht sogleich den Dienst tuenden
Facharzt unterrichtet hat, um die nunmehr notwendige
standardgerechte Therapie sicherzustellen.
Den erst am Morgen des 19. Februar informierten Fachärz-
ten (Chefarzt, Intensivstation), die sogleich die notwendige
Verlegung sachgerecht veranlassten, ist kein Fehlverhalten
vorzuwerfen.
Herbert Weltrich und Wilfried Fitting
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Gutachtliche Entscheidungen