

86
Gutachtliche Entscheidungen
Bei einer regelgerecht durchgeführten laparoskopischen
Cholezystektomie ist eine Gallenwegsverletzung auch bei
aller Sorgfalt nicht in jedem Fall vermeidbar. Sie stellt eine
typische Komplikation dar, auf die in der präoperativen
Aufklärung des Patienten näher hinzuweisen ist.
Als Entstehungsursache kommen unter anderen präparato-
rische Verletzungen, Durchschneiden gesetzter Clips, Blut-
stillung oder Koagulationsverwendung in Betracht.Wird der
notwendige Hinweis versäumt, tritt eine Haftung des operie-
renden Arztes auch bei ordnungsgemäßem Vorgehen ein.
Unabhängig von dieser Aufklärung kann eine Haftung des
Arztes entstehen,wenn die postoperative Behandlung unzu-
reichend und ursächlich für einen Gesundheitsschaden ist.
Die Gutachterkommission hat solche Behandlungsfehler
wiederholt beanstanden müssen. Beispielhaft für postopera-
tive Mängel ist nachfolgend geschilderter Fall.
Der Sachverhalt
Wegen unklarer Oberbauchbeschwerden wurde die 22-jäh-
rige Patientin in der medizinischen Klinik des beschuldigten
Krankenhauses stationär vom 2. bis 5. Dezember behandelt.
Als Ursache der Beschwerden wurden Gallensteine in einer
nicht veränderten Gallenblase festgestellt. Die Spiegelung
des Magens zeigte lediglich eine leichte Entzündung. Nach
einem chirurgischen Konsil wurde der Patientin empfohlen,
die Gallenblase entfernen zu lassen.
Nach stationärer Aufnahme am 8. Dezember wurde die Ent-
fernung am 9.Dezember in der beschuldigten chirurgischen
Klinik des Krankenhauses laparoskopisch durchgeführt.
Nach dem Operationsbericht ließ sich die Gallenblase in ty-
pischer Weise problemlos entfernen. Die histologische Auf-
arbeitung der Gallenblase zeigte eine leicht entzündliche
Reaktion. Die Patientin wurde am 14. Dezember ohne Be-
sonderheiten entlassen.
Am 18. Dezember wurde die Patientin in der chirurgischen
Ambulanz des Krankenhauses wegen Schmerzen im Nabel-
bereich behandelt; es wurde ein Bauchdeckenabszess eröff-
net, aus dem sich eitriges Sekret entleerte.
Stationäre Behandlung
Am 20. Dezember klagte die Patientin über Bauchschmer-
zen. Sie wurde stationär in der beschuldigten chirurgischen
Klinik aufgenommen. Die Laboruntersuchung ergab eine
Leukozytose von 18.900 mm
3
und ein C-reaktives Protein
(CRP) von 4,29 mg/dl (am 23.Dezember 7,67 mg/dl). Bei ei-
ner Ultraschalluntersuchung wurden nach den Aufzeich-
nungen keine Auffälligkeiten festgestellt.
Bei anhaltenden Beschwerden wurde am 27. Dezember eine
erneute Ultraschalluntersuchung des Bauches durchge-
führt. Es zeigten sich nun im ehemaligen Gallenblasenbett
eine Raumforderung und erhebliche Mengen freier Flüssig-
keit im Bauchraum. Eine auswärts durchgeführte Compu-
tertomographie bestätigte dieses Untersuchungsergebnis.
Nach erneuter Sonographie wurde am 29. Dezember eine ul-
traschallgesteuerte Punktion des Bauchraumes vorgenom-
men. Es wurden 2,5 l einer galligen Flüssigkeit gewonnen.
Der Bilirubinwert dieser Flüssigkeit betrug 51,67 mg/dl. Es
entleerten sich in der Folgezeit täglich zwischen 450 und
1.000 ml gallige Flüssigkeit.
In den Pflegeberichten vom 20. bis 29. Dezember werden
fast durchweg heftige Bauchschmerzen und nach dem
27. Dezember eine Verschlechterung des Allgemeinzustan-
des angegeben. Die Patientin wurde laufend mit den ver-
schiedensten Schmerzmitteln behandelt.
Ab 1. Januar besserte sich der Zustand etwas; es wurde eine
ERCP (Endoskopische Retrograde Cholangiographie und
Pankreatographie) in Aussicht genommen, die am 7. Januar
durchgeführt wurde. Sie ergab ein Galleleck, möglicher-
weise im Bereich der Cysticus-Einmündung; denn es wurde
ein deutlicher Kontrastmittelaustritt aus dem Ductus chole-
dochus beschrieben. Auf eine Drainage bzw. eine Stent-
Einlage und eine Papillotomie wurde verzichtet.
Weiteres operatives Vorgehen
Am 9. Januar erfolgte eine erneute Laparoskopie, die eine
Galleleckage im Bereich des Rest-Ductus cysticus zeigte, der
durch einen Clip versorgt wurde. Ferner wurde eine Draina-
ge eingelegt.
Bei weiterhin galligem Sekret erfolgte am 13. Januar eine er-
neute operative Freilegung. Es wurde zunächst wiederum
laparoskopisch vorgegangen. Da die Leckage jedoch nicht
sicher erkannt werden konnte, wurde eine Laparotomie mit
offener Revision der Gallenwege und dem Versuch des Ver-
schlusses des Choledochusleckes durchgeführt, der aber kei-
nen Erfolg hatte. Es gelang auch nicht, durch Punktion mit
normalerKanüle imDuctus choledochus-BereichGalle zu aspi-
rieren, so dass das extrahepatische Gallengangssystem nicht
dargestellt werden konnte. Es wurde schließlich eine Duo-
denotomie durchgeführt, um die Gallengänge retrograd über
die Papilla vateri darzustellen, allerdings auch ohne Erfolg.
Wegen der Erfolglosigkeit des operativen Vorgehens wurde
nach Kontaktaufnahme die Patientin am 14. Januar in eine
chirurgische Universitätsklinik verlegt.
Stationäre Behandlung in der Universitätsklinik
Bei der Aufnahme entleerte sich aus der Drainage reichlich
galliges Sekret. Es wurden noch am 14. Januar eine CT-Un-
tersuchung und am 15. Januar eine Sonographie sowie eine
ERCP vorgenommen, die eine inkomplette Darstellung der
Gallenwege und des Pankreasganges sowie eine Leckage am
Gallengang zeigte.
Die Laparotomie erfolgte am 16. Januar mit Feststellung
einer diffusen biliären Peritonitis bei Leckage einer Duo-
Gallenwegsläsion
Fehlerhafte postoperative Behandlung