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Gutachtliche Entscheidungen

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Zwischen Diagnostik und Therapie steht die Indikation; sie

gehört vor jedem chirurgischen Eingriff zu den schwierigs-

ten und verantwortungsvollsten Aufgaben des behandeln-

den Arztes. Maßgebend sind neben der Situation des Kran-

ken die Anamnese, die zeitlichenVerhältnisse zwischen dem

Beginn der Symptomatik und der ärztlichen Untersuchung

sowie Umfang und Aussagekraft klinisch, labortechnisch

und apparativ gewonnener Befunde. Der Grundsatz sorgfäl-

tiger Indikationsstellung gilt in gleicherWeise für die offene

Operation wie für die inzwischen zum Standard gehörende

endoskopische Operationstechnik.

Bei nicht indizierten Eingriffen haftet der Arzt für alle ent-

standenen gesundheitlichen Schäden, auch wenn er bei der

Operation mit aller Sorgfalt und sachgerecht vorgegangen

ist.

Die Gutachterkommission hat in zahlreichen Haftungsfällen

die Indikationsstellung beanstanden müssen. Der nachfol-

gend geschilderte Sachverhalt gab allerdings Anlass, neben

der fehlenden Indikation auch das operationstechnische

Vorgehen und eine unterlassene postoperative Sicherungs-

aufklärung als vorwerfbaren Behandlungsfehler festzu-

stellen.

Der Sachverhalt

Die 29-jährige Patientin wurde am 2. April durch ihren be-

treuenden Frauenarzt in die beschuldigte Frauenklinik we-

gen „Ovarialzyste links“ eingewiesen.

Im Krankenblatt der Klinik ist zur Anamnese vermerkt, dass

keine Voroperationen oder relevanten Vorerkrankungen be-

standen hätten. Es sei eine Ovarialzyste links seit November

bekannt, die bei einer Kontrolle am 4. März größer gewor-

den sei. Es beständen keine Beschwerden. Als erster Tag

der letzten Periode ist der 21. März genannt.

Bei der gynäkologischen Aufnahmeuntersuchung durch ei-

ne Fachärztin der Klinik werden keine Besonderheiten be-

schrieben. Im Ultraschall zeigt sich ebenfalls kein patholo-

gischer Befund.Der Uterus ist unauffällig. Ebenso wird auch

das rechte Ovar beschrieben. Das linke Ovar trägt eine 2,1 x

2,5 cm große Zyste.Aus den beiliegenden Ultraschallbildern

guter Qualität folgt, dass die beschriebene kleine zystische

Struktur vorhanden ist, welche leicht entrundeten Charak-

ter, keine soliden Anteile und keine suspekten Binnenproli-

ferationen zeigt.

Nach umfassender Aufklärung über den Eingriff und dessen

Risiken wird die Indikation zur „diagnostischen Laparo-

skopie“ mit der Diagnose „Ovarialzyste links“ bejaht.

Die Bauchspiegelung

Die Operation wird am 3. April in der üblichen Weise be-

gonnen, indem im Bereich des Nabels nach Auffüllen der

Bauchhöhle mittels Kohlendioxyd der Optiktrokar einge-

führt wird. Es wird eine Winkeloptik eingesetzt, bei der

durch einen Seitenkanal des Hauptschaftes parallel zur op-

tischen Achse ein Arbeitsinstrument eingeführt werden

kann.Weitere Instrumente werden nicht eingebracht.

Das weitere Vorgehen wird im Operationsbericht wie folgt

beschrieben: „Linkes Ovar trotz vorsichtiger Elevationsver-

suche nicht einsehbar, da dieses nach dorsal leicht adhärent

ist. Vorsichtige Elektrokoagulation mit dem monopolaren

Strom im Bereich der Adhäsion zur linken Beckenwand mit

der elektrischen Schere. Hierbei kommt es zu einer kleinen

Blutung.“

Die Blutung wird zunächst durch Kompressionsdruck zum

Stillstand

gebracht.Es

wird dann im rechten Unterbauch ein

10 mm-Trokar eingebracht und die Blutung mittels eines

endoskopisch applizierten Clips gestillt. Im Operationsbe-

richt heißt es wörtlich weiter: „Beckengefäße und andere

leitende Strukturen sind unverletzt.“ Anschließend wird

beschrieben, dass jetzt die linke Adnexe angehoben wurde.

Das Ovar wird als insgesamt etwas vergrößert, aber nicht

wesentlich auffällig beschrieben, so dass eine operative

Maßnahme im Bereich des Ovars selber, wie zum Beispiel

die Beseitigung der Ovarialzyste nicht erfolgt.

Der postoperative Verlauf war unauffällig. Am ersten post-

operativen Tag lag der Hämoglobinwert bei 11,1 g%; der

Aufnahmewert betrug 13,7 g%. Am 6. April wurde die Pa-

tientin aus der stationären Behandlung entlassen. Ihr wurde

für den einweisenden Arzt ein von der Operateurin unter-

schriebener vorläufiger Arztbericht mitgegeben, in dem die

Gefäßverletzung nicht erwähnt wird. Es wird lediglich mit-

geteilt, dass eine diagnostische Laparoskopie stattgefunden

habe. Die durchgeführte Adhäsiolyse wird ebenfalls nicht

erwähnt. Auch die Patientin sowie das Arzt- und Pflege-

personal der Station wurden über die Gefäßverletzung nicht

unterrichtet.

Erneute Aufnahme in der Frauenklinik

Am Nachmittag des 7. April (Sonntag) traten starke Schmer-

zen im linken Unterleib auf, die am folgendenTag durch den

Frauenarzt zur Einweisung in die Frauenklinik führten. Die

Aufnahmeuntersuchung beschreibt ein „oberflächliches

Bauchdeckenhämatom, weich, Bauchdeckenschmerz linker

Unterleib außerhalb des Hämatoms.“ Eine Abdomenüber-

sichtsaufnahme zeigt eine ausgeprägte Irritation im Bereich

des Dünndarms und Coprostase. Blutuntersuchungen erge-

ben einen Hämoglobinwert von 11,5 g%.

Die behandelnden Ärzte, denen die Gefäßverletzung nicht

bekannt war, führten die Beschwerden der Patientin auf

Probleme beim Abführen zurück und verordneten laxieren-

de Maßnahmen. Bei gebessertem Allgemeinbefinden wurde

die Patientin am 12. April aus der stationären Behandlung

entlassen.

Minimal invasive Eingriffe

Nicht indizierte Bauchspiegelung mit fehlerhafter Technik nach fehlender Sicherungsaufklärung