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Verzögerte Diagnose des Prostatakarzinoms

von 52,9 ng/ml ermittelt.Der dem beschuldigten Internisten

als dem behandelnden Arzt zugesandte Befundbericht ent-

hielt den Hinweis, dass die deutlich erhöhte PSA-Konzen-

tration diagnoseweisend sei und bis zum Beweis des Gegen-

teils für das Vorliegen eines Prostatakarzinoms spreche.

Der Befund wurde, ohne dass Weiteres veranlasst wurde, zu

den Krankenunterlagen genommen.

Ende November stellte sich der Patient wegen einer Mik-

tionsstörung bei dem Internisten vor, der eine gutartige

Prostatahyperplasie diagnostizierte und ein pflanzliches

Arzneimittel (Talso uno) verordnete, zugleich aber eine PSA-

Bestimmung veranlasste. Diese ergab am 4. Dezember einen

PSA-Wert von 62,2 ng/ml. Es wurde ein Alpha-1-Rezeptor-

blocker verordnet. Auch nach einer Wiedervorstellung im

April des nächsten Jahres erfolgte keine diagnostische Maß-

nahme; der Arzt verordnete erneut Talso uno. Als der Pa-

tient im August wiederum u. a. über Miktionsbeschwerden

klagte, stellte der Arzt nach umfangreicher Untersuchung

außer einer nunmehr deutlich vergrößerten Prostata mit

zapfenförmiger Protrusion in die Harnblasenlichtung kei-

nen wesentlichen Krankheitsbefund fest. Er veranlasste je-

doch eine Kontrolle des PSA, die einen Wert von 104 ng/ml

ergab. Danach erfolgte die Einweisung in eine urologische

Klinik.

Die in der Klinik vorgenommene transrektale Ultraschall-

untersuchung ergab eine verdächtige Prostata mit inhomo-

genen Strukturen und dilatierten Samenblasen. Die

Prostatastanzbiopsie hatte das Ergebnis eines mittelgradig

differenzierten Adenokarzinoms der Prostata in beiden Sei-

tenlappen. Durch eine Ganzkörperknochenszintigraphie

wurden Mehranreicherungen im Bereich mehrerer Hals-

wirbelkörper, in einigen Rippen und besonders im 5. Brust-

wirbelkörper festgestellt. Es erfolgte eine komplette medika-

mentöse Androgenblockade. Bis Dezember fiel der PSA-

Wert bis auf 0,87 ng/ml. Eine Indikation zur transure-

thralen Prostataresektion ergab sich nicht.

Am 1. März des folgenden Jahres wurde die Ganzkörper-

skelettszintigraphie wiederholt, die eine erhebliche Befund-

besserung ergab.Über denweiterenKrankheitsverlauf wurden

keine Feststellungen getroffen.

Gutachtliche Beurteilung

Auch hier ist von einem eindeutigen Behandlungsfehler aus-

zugehen. Der Einwand des beschuldigten Arztes, ihm seien

aufgrund organisatorischer Mängel die PSA-Werte vom

7. April (52,9 ng/ml) und 4. Dezember (62,2 ng/ml) nicht

zur Kenntnis gebracht worden, kann ihn nach Auffassung

der Kommission nicht entlasten. Er ist für die Diagnose-

verzögerung von insgesamt 16 Monaten uneingeschränkt

verantwortlich. Bereits der PSA-Wert vom 7. April hätte zu

weiteren Diagnosemaßnahmen führen müssen, erst recht

der ansteigendeWert vom 4. Dezember, dessen Bestimmung

er selbst veranlasst hatte.

Der Gesundheitsschaden des Patienten liegt in der Ver-

schlechterung der Prognose. Nach Auffassung der Kommis-

sion wäre allerdings schon früher eine radikale Entfernung

des Karzinoms nicht mehr möglich gewesen, da ein PSA-

Wert von 52,9 ng/ml für ein bereits fortgeschrittenes Sta-

dium mit Metastasenbildung spricht. Die bei dem Patienten

bisher erfolgreiche Androgenblockade hätte jedoch weit frü-

her einsetzen können.

Herbert Weltrich und Volkmar Lent

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Gutachtliche Entscheidungen