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Es gibt eine alte Diskussion in den Printmedien, die im Web
nie oder wenn, dann nur extrem selten geführt wird. Es
gibt Leser, die für Printprodukte Geld bezahlen und sich um
dieses betrogen fühlen, wenn das Medium zu viel Weißraum
hat. Deren Argumentation ist es, nicht für Weißraum zahlen
zu wollen, sondern für Inhalte. Diese Leser wünschen sich
mehr Bilder und Texte, die eng gesetzt sind. Interessanter-
weise hört man dies nie bei Webseiten. Mag sein, dass dies
an der vermeintlichen Kostenloskultur liegt. Fakt ist aber,
weiße Webseiten brauchen auf manchen Bildschirmen mehr
Strom. Etwa auf den selten gewordenen Röhrenmonitoren,
aber auch auf weit verbreiteten AMOLED-Monitoren von
Smartphones. Bei LCD-Monitoren ist der Unterschied gerin-
ger. Wer erinnert sich noch an die ersten Rechner, bei denen
grüne Schrift auf schwarzem Grund über den Röhrenmonitor
flimmerte. Und es gab immer wieder Berechnungen, wie viel
Strom eine schwarze Google-Suchmaske sparen würde.
Da lohnt es sich, einmal einen Blick auf die einschlägigen
Webangebote zu werfen, die für Nachhaltigkeit plädieren,
oder durch den ein oder anderen CSR-Bericht zu blättern.
Es ist der Weißraum, der im Vordergrund steht. Aber warum
ist das so? Könnte der Weißraum farbig sein oder dunkel bis
Schwarz? Es gibt eine einfache Begründung: Negativ ge-
setzte Schriften sind schwerer lesbarer als positiv gesetzte
Schriften, also Schwarz auf Weiß, vor allem wenn es darum
geht, diese platzsparend zu setzen. Dies gilt insbesondere
für Print.
Der Weißraum hat in der Gestaltung einen so hohen Stellen-
wert bekommen, weil dies vor nicht allzu langer Zeit etwas
mit der Produktion von Medien zu tun hatte. Farbe war teuer
und vor allem durch die Filmbelichtung und Plattenherstel-
lung und Vierfarbmaschinen nicht am weitesten verbreitet.
Daher wurden im Buch- und Zeitschriftendruck nur die
besonderen Seiten vierfarbig gestaltet, die anderen in
schwarz-weiß. Es ist weniger als 30 Jahre her, als Studenten-
magazine ein farbiges Cover bekamen und der Innenteil in
schwarz-weiß gedruckt wurde. Dies galt vor allem auch für
die hochauflagigen Druckobjekte. Und wenn Gestalter nur
schwarz-weiß zur Verfügung haben, bleibt ihnen als Gestal-
tungsspielraum nur der Weißraum. Und so gewann dieser
elementar an Bedeutung.
Der zweite technische Grund war, für die, die schon Farbe
einsetzen konnten, dass die Registerhaltigkeit, also die
Passergenauigkeit der Druckmaschinen bei Weitem nicht
so exakt war wie heute. Wer also Farbfonds einsetzte, der
musste bestimmte Regeln einhalten. Punktgrößen durften
nicht unterschritten werden und nicht selten wirkten die
Schriften verschmiert. Heute ist dies alles kein Problem
mehr. Der Passer wird sekundengenau überwacht und
Druckereien verteilen keine Warnhinweise mehr. Auch unser
ästhetisches Empfinden wurde über die Jahre so geprägt.
Eine Schreibschrift auf edlem Bütten luftig gesetzt, steht in
unseren Augen für Premium. Denn hier haben wir im Hinter-
kopf: Papier ist teuer und eben nicht nur geduldig.
Um Geld zu sparen, wurden Schriften entwickelt, die einen
engen Satz zulassen. Auch hier spielt der Weißraum, also der
Binnenraum, eine große Rolle. Schriften mit einem großen
Weiß- und Binnenraum sind besser lesbar, wenn sie eng und
klein gesetzt werden. Das merkt der, der Buchstaben wie das
„e“ oder „a“ vergleicht. Neben der Lesbarkeit spielt die Navi-
gation eine große Rolle. Weißraum setzt Akzente und führt
so den Leser. Der freigestellte Rubrikenkopf wird als solcher
erkannt, die Headline als Überschrift, der Vorspann schwebt
in gebührendem Abstand zwischen Headline und Fließtext.
Dabei führt der Begriff Weißraum oft auch ein wenig in
die Irre. Eigentlich müsste dieser Gestaltungsraum heißen.
Denn all dies geht auch auf Farbflächen, auf nicht-weißem
Naturkarton oder im Web. Es ist der Raum, der zwischen
den Gestaltungselementen im Format besteht und geschickt
genutzt wird. Der Raum, um den zwischen Gestalter und Re-
dakteuren gerungen wird, auf dem eine Prägung hochwertig
wirkt und dies nicht nur im Magazin, sondern auch in Katalo-
gen, Visitenkarten oder Faltblättern. Auch bei Leitsystemen
spielt der Gestaltungsraum eine große Rolle und er prägt die
Corporate Identity mit.
Kommen wir zurück auf das Webdesign. Weiß braucht
manchmal mehr Strom und hier gelten nicht mehr die guten,
alten Druckregeln. Zudem können Rezipienten die Lesbar-
keit von Typografie selbstbestimmt skalieren. Es gibt also
weniger Gründe dafür, so viel Weiß zu verwenden. Gerade im
Bereich Corporate Identity kann durch eine für die Augen an-
genehmene Farbsetzung diese unterstützt und gestärkt und
gleichzeitig nachhaltiger gestaltet werden. Eine Überlegung,
die zumindest im Bereich von CSR-E-Paper-Ausgaben über-
dacht gehört. Ein auf Schwarz in hellem Grün gesetzter „Call
to action“-Button wirkt genauso gut wie nur Grün auf Weiß.
Wenn die Ergonomie für das Auge eingehalten wird und dies
benutzerfreundlich gestaltet ist. Wir reden viel zu schnell
und unbedacht vom Weiß- statt vom Gestaltungsraum und
nehmen uns damit Spielräume.
Warum nicht
Bunt- statt
Weißraum?
Ein Plädoyer
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