fordert, aber auch immer gerecht ist‘, dann
empfinde ich das als großes Kompliment.
Möchten Sie noch einmal 20 sein?
(überlegt)
Eher nicht. Allerdings habe ich
mich in meinem Leben nie mit meinem Al-
ter beschäftigt. Das Wichtigste ist, dass man
noch selbst bestimmen kann, wann es rich-
tig ist aufzuhören. Viele Träger öffentlicher
Ämter schaffen das nicht. Ich höre Ende
2014 nicht deshalb auf, weil ich nicht mehr
kann, keine Ideen mehr habe oder keine
neuen Entwicklungen mehr vorantreiben
kann. Sondern ich höre auf, weil ich glaube,
alles dies noch zu können. Es ist für mich
wichtig, aufrecht und in eigener Entschei-
dung aus einem Amt auszuscheiden.
Was ist der Gewinn des Alters?
Zum einen das Wissen, wie etwas richtig
oder falsch gemacht wurde – und die Be-
reitschaft, daraus die Konsequenzen zu
ziehen. Zum anderen Erfahrung, die man
nicht weitergeben oder übernehmen kann.
Man muss sie selbst sammeln. Wenn mir
als junger Mann jemand gesagt hat ‚früher
haben wir das so gemacht‘, dann habe ich
auch manchmal gedacht: Ich kann das doch
auf eine andere Weise viel besser machen. In
einer Position wie meiner trifft man nicht
täglich Entscheidungen, die die Welt verän-
dern. Aber ich muss jeden Tag 15 bis 20 klei-
ne Entscheidungen treffen. Mache ich das
nicht, sind es am nächsten Tag doppelt so
viele. Und irgendwann ‚säuft‘ man ab. Mein
Rat an meinen Nachfolger ist, den Mut für
solche Entscheidungen zu haben. Sonst wird
man irgendwann davon eingeholt.
...
Nähe und Distanz:
Welche Bedeutung hat für Ihre Arbeit die Nähe
zu den Menschen?
Sie ist wichtiger Bestandteil und drückt die
Stärke des SV Werder vielleicht noch besser
aus als der gerne gebrauchte Begriff ‚familiär‘.
Ich besuche regelmäßig Sportveranstaltungen
aller Abteilungen, höre mir die Anliegen und
Sorgen der Mitglieder an, versuche daran zu
arbeiten, was sie bewegt. Und bei den Fans ist
es genauso. Eines der schönsten Komplimente
der vergangenen Jahre habe ich von Mitglie-
dern einer Ultra-Bewegung bekommen, die
gesagt haben: ‚Wir hätten gar nicht gedacht,
dass man mit Ihnen so reden kann‘. Mir ist es
wichtig, auf die Fans zuzugehen, sie ernst zu
nehmen. Das muss sich Werder bewahren. Es
muss immer eine Brücke zwischen dem Ver-
ein und seinen Anhängern geben.
Wie viel Nähe der Fans zum Verein ist denn
angebracht?
Wichtig ist: Der Verein muss immer der Ent-
scheider bleiben und das Heft des Handelns
selbst in der Hand behalten. Das heißt nicht,
dass wir nicht auf die Fans hören. Nehmen
wir die Kritik an der Erhöhung der Dauer-
kartenpreise: Solche Erhöhungen sind etwas
ganz Normales – gerade wenn das Preisni-
veau insgesamt so niedrig ist wie bei Wer-
der. Unsere Aufgabe ist es, solide und ver-
antwortungsbewusst zu wirtschaften. Wir
können über solche Entscheidungen nicht
die Anhänger abstimmen lassen, dürfen uns
im geschäftlichen Bereich nicht von der Fan-
Meinung abhängig machen. Es gibt ja auch
gar nicht ‚die‘ eine Fan-Meinung. Das sieht
man zum Beispiel daran, dass im Weser-Sta-
dion zuletzt direkt neben dem Plakat ‚Schaaf,
Lemke, Fischer weg‘ ein Transparent hing mit
den Worten ‚100 % Prozent Thomas Schaaf‘.
Gibt es Momente, in denen Sie Werder einfach
mal hinter sich lassen?
Nein, das ist kaum möglich. Ich habe das
große Glück, dass mich meine Ehefrau stets
begleitet und dabei unterstützt. Aber ich
vermisse es manchmal, etwas mehr zu lesen,
etwas mehr im kulturellen Bereich zu unter-
nehmen. Deswegen genieße ich unsere kur-
zen Urlaube, in denen wir mal ganz aus Bre-
men weg sind. Da mache ich einmal täglich
am Abend das Mobiltelefon an, prüfe meine
E-Mails. In diesem Jahr habe ich im Urlaub
zum Beispiel nur eine einzige Mail beant-
wortet. Meine Frau hat mich gefragt, ob
mit mir irgendetwas nicht stimmt...
(lacht)
Insgesamt lässt mich Werder nie los. Ich be-
klage das nicht, weil das zu meinem Leben
gehört, denn Werder ist einfach in mir drin.
Was bedeutet es Ihnen, das Weser-Stadion im-
mer im Blick zu haben?
Meine Frau und ich haben nicht bewusst
eine Wohnung in Nähe des Stadions ge-
sucht – das muss ich an dieser Stelle klar-
stellen
(lacht)
. Wir haben eine Anzeige in
der Zeitung gesehen mit diesem Objekt und
haben gedacht: Das darf doch nicht wahr
sein, welch ein Zufall. Wenn diese Woh-
nung nicht gebaut worden wäre, würden wir
wohl immer noch in Riede wohnen. Aber
nun genießen wir die unmittelbare Nähe
zum Stadion, zum ‚Viertel‘, die Spieltage, an
denen ab dem Vormittag die Fanmassen vor-
beiziehen. Das ist eine Atmosphäre, bei der
ich immer wieder begeistert feststelle, wie
toll es ist, dass unser Weser-Stadion genau an
dieser Stelle steht.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie sich bewusst ma-
chen, dass Ihre letzte komplette Saison als
Geschäftsführer bevorsteht?
Mir war es wichtig, diese Entscheidung so
rechtzeitig zu fällen und auch öffentlich zu
machen, dass ich nicht irgendwann wieder
weich werde. Es wird mir sicher nicht leicht-
fallen. Aber da ich als Präsident noch ein Jahr
weitermache, wird der Abschied nicht ganz
so schwer. Und fest steht, dass ich Werder
immer verbunden bleibe. Meine persönliche
Bindung an diesen Verein ist so groß, selbst
wenn man mich irgendwann vom Hof jagen
würde...
(lacht)
, würde ich immer Werdera-
ner bleiben.
Interview: Martin Lange
Fotos: Martin Rospek
Werder stets im Blick
Klaus-Dieter Fischer
auf dem Balkon seiner Wohnung am Oster-
deich, in der er die unmittelbare Nähe zum
Weser-Stadion und zum ‚Viertel‘ genießt.
WERDER MAGAZIN SPEZIAL 307 23
INTERVIEW