WERDER MAGAZIN SPEZIAL Nr. 307 - page 5

„Das Spiel muss uns
gehören, nicht dem Gegner“
48 Jahre alt, erfolgshungrig, dynamisch, authentisch,
bescheiden und erfahren – Robin Dutt war der Wunsch-
kandidat des SV Werder für den Cheftrainer-Posten.
Er soll bei den Grün-Weißen eine neue Ära einleiten.
WERDER MAGAZIN:
Herr Dutt, die bisherige
Vorbereitung in drei Schlagworten…
ROBIN DUTT:
Intensiv, teamorientiert
(über-
legt)
– das sind die zwei wichtigsten, die mir
spontan einfallen…
Was hat Sie besonders überrascht?
Die Offenheit, mit der ich hier aufgenom-
men wurde – sowohl im Umfeld, als auch
von der Mannschaft. Wie wissbegierig die
Spieler sind, wie aufgeschlossen gegenüber
Neuem. Ich bin sehr beeindruckt von der
Leidenschaft und der Intensität, mit der sie
ihre Aufgaben angehen.
Die größte Herausforderung war…
… schnell alles kennenzulernen. Und trotz-
dem allem Zeit zu geben, Geduld zu haben.
Es ging für mich darum herauszufinden,
was gut war und so automatisiert ist, dass
man es beibehalten kann und nicht leicht-
sinnig über Bord werfen darf. Und wo wir
dagegen neue Wege gehen sollten.
Wie hätten Sie Werder vor einigen Wochen
charakterisiert, als Sie noch nicht Teil des
Clubs waren? Und wie ist es heute?
Meine damalige Einschätzung hat sich noch
verstärkt: Werder ist ein Verein, der Werte
über das Sportliche hinaus vertritt, der in
schweren Situationen zusammenrückt, statt
sich zu teilen. Das hat sich in den vergan-
genen Jahren gezeigt, und das war auch in
den letzten Spielen der abgelaufenen Saison
zu sehen, als die Werder-Fans ein deutliches
Signal dazu gegeben haben zusammenzu-
halten. Und es ist etwas passiert, was immer
seltener wird: Der Funke ist von der Tribüne
aufs Spielfeld übergesprungen. In der Regel
ist es eher umgekehrt. Werder stand schon
immer dafür, dass die handelnden Personen
ruhig und besonnen arbeiten, anstatt sich in
die Schlagzeilen zu drängen.
Die Süddeutsche Zeitung hat über Sie ge-
schrieben: ‚nach Pep Guardiola die spannends-
te Trainerpersonalie der Liga‘…
(lacht)
Glücklicherweise bin ich im Umgang
mit solchen Schlagzeilen gelassener gewor-
den. Sie gehören dazu. Und es gibt sicher
Schlimmeres, was man über sich lesen könn-
te. Aber ich wünsche mir, dass wir, wenn
wir den erhofften Erfolg haben, gemeinsam
als Werder Bremen wahrgenommen werden.
Und dass es nicht einen Hype um einzelne
Personen gibt, weder um einen einzelnen
Spieler noch um den Trainer.
Welches sind die wichtigsten Dinge, die Sie
der Mannschaft in den ersten Wochen vermit-
telt haben?
Leidenschaft und Emotionen auf dem Platz
zu zeigen, dazu eine gewisse Zurückhaltung,
zugleich aber auch Offenheit außerhalb des
Platzes – das sind wichtige Leitlinien. Außer-
dem: Dass wir unsere gesamten sportlichen
Aufgaben nur als Team bewältigen können.
Wie gut muss ein Trainer seine Spieler kennen,
auch über die sportlichen Fähigkeiten hinaus?
Ich bin davon überzeugt: Je besser ich ei-
nen Spieler kenne, desto besser kann ich
ihm auch die sportlichen Dinge vermit-
teln. Aber es dauert in der Regel zwei, drei
Jahre, bis man einen Spieler gut kennt. Und
um jemanden in dieser Zeitspanne sehr gut
kennenzulernen, müsste man wohl in einer
WG zusammen wohnen – naja, manchmal
ist das bei uns ja fast so, wenn wir gemein-
sam unterwegs sind
(lacht)
. Für mich war es
zunächst wichtig, zum Beispiel zu erfahren,
ob jemand verheiratet ist, Kinder hat und des-
halb unruhige Nächte oder ob jemand alleine
wohnt. Wer ist der wichtigste Ansprechpart-
ner im Team für den jeweiligen Spieler? Oder:
Wo kommt der Physiotherapeut ursprünglich
her? Aus vielen kleinen Informationen ergibt
sich irgendwann ein Gesamtbild.
Es herrscht ganz offensichtlich eine sehr po-
sitive Stimmung: Wie viel Harmonie darf es in
einer Mannschaft geben?
Harmonie ist schädlich, wenn man sich da-
durch etwas vormacht. Wenn man denkt,
dass man alleine durch gute Stimmung star-
ke Leistungen bringt und Erfolg hat. Gute
Stimmung ist förderlich für die Leistung,
aber nur wenn man zugleich hart arbeitet.
Und wenn man auch mit Kritik umgehen
kann. Denn interne Kritik darf die Harmonie
nicht beeinträchtigen. Sonst ist es noch kei-
ne authentische Harmonie.
Spüren Sie, dass bei Werder und im Umfeld,
zum Beispiel bei den Fans, die Sehnsucht be-
sonders groß ist, eine lange Zeit denselben
Trainer zu behalten?
Ich hoffe, dass sich die Menschen in Bremen
das wünschen – nicht nur jetzt, sondern
auch noch in drei Jahren
(lacht)
. Ich wur-
de hier mit offenen Armen empfangen. Mir
wird alles dafür bereitet, dass ich meine Leis-
tung bringen kann. Und nun liegt es an mir,
dieses Vertrauen mit guter Arbeit zurück-
zuzahlen. Ich bin meinen Vereinen bisher,
wenn ich durfte, immer längere Zeit treu
geblieben. Bisher nie so lange wie Thomas
Schaaf, aber seine Amtszeit war auch ein-
fach außergewöhnlich. Es wird in anderen
Situationen gerne über das verflixte siebte
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INTERVIEW
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