WERDER MAGAZIN Nr. 308 - page 27

Auch in Deutschland hat es etwas gedauert.
Ich habe zuerst Tennis gespielt, wollte mich
sogar im Verein anmelden. Aber viele mei-
ner Freunde gingen damals zum Fußball.
Also bin ich auch aufs Kicken umgestiegen,
als ich etwa zehn Jahre alt war.
Du bist mit dem deutschen Fußball groß ge-
worden, spielst aber für die Nationalmann-
schaft deines Geburtslandes. Wie ist diese
Entscheidung gefallen?
Während meiner Zeit beim VfL Wolfsburg
hätte ich für die deutsche U-20-National-
mannschaft spielen können. Aber der Kongo
hat sich sehr um mich bemüht. Dazu kommt,
dass mein Vater früher auch kongolesischer
Nationalspieler war. Also habe ich mich ent-
schieden, in seine Fußstapfen zu treten.
Wie erlebst du die Reisen nach Afrika?
Ich war als Kind nie wieder dort, erst später
als Nationalspieler. Und das erste Mal war
schon ein kleiner Schock. Denn es ist ein-
fach alles nicht so gut organisiert. Das hat-
te ich in Deutschland über viele Jahre ganz
anders erlebt. Aber ich habe schnell gelernt,
damit umzugehen. Schließlich kann man
Afrika nicht mit Deutschland vergleichen.
Die Menschen dort kommen mit den Gege-
benheiten gut zurecht, und mir gelingt das
mittlerweile auch.
Sind deine Heimatgefühle etwas zerrissen?
Überhaupt nicht. Ich bin im Kongo geboren,
es ist meine Heimat. Deutschland ist meine
zweite Heimat geworden. Und hier werde
ich auch nach meiner aktiven Fußball-Karri-
ere bleiben.
Stichwort ‚bleiben‘: Auf den ersten Blick gab
es keinen Grund für dich, in diesem Sommer
den SC Freiburg zu verlassen…
Wenn es nur um die Ergebnisse und das Ab-
schneiden mit dem SC Freiburg letzte Saison
gegangen wäre, hätte es eigentlich keinen
Grund gegeben. Aber in einem Fußballer-
leben hat man einfach mal das Gefühl, dass
man über ein gutes Angebot intensiv nach-
denken sollte. Und ich sehe bei Werder die
Chance für mich, noch mal eine neue Her-
ausforderung anzunehmen – nachdem ich
in Freiburg vier Jahre durchaus erfolgreich
gespielt habe. Das Angebot von Werder kam
zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe schnell
gewusst: Da möchte ich hin, dieser Mann-
schaft will ich helfen – einer Mannschaft,
die aus meiner Sicht durchaus stark ist. Au-
ßerdem hat der Verein eine große Tradition.
Es sprachen viele Faktoren für Werder.
Was kann Werder aus der erfolgreichen Sai-
son 2012/2013 des SC Freiburg lernen?
Mit Freiburg gehörten wir in der vergange-
nen Saison zu den defensivstärksten Teams
der Liga. Das war ein wichtiger Erfolgsfak-
tor, um am Ende Rang fünf zu erreichen. Im
Fußball entscheiden heute Nuancen. Da ist
es wichtig, dass man erst mal in der Defen-
sive nicht viel zulässt. Vorne gelingt immer
mal ein Tor. Da sind viele Mannschaften gut
aufgestellt. Auch wir beim SV Werder. Wenn
wir nicht mehr so viele Gegentore kassieren
wie vergangene Saison, dann bin ich mir si-
cher, dass wir eine bessere Spielzeit als zu-
letzt spielen können.
Du warst in Freiburg Kapitän des Teams. Wie
hast du dieses Amt interpretiert?
So wie ich mein Spiel auch ohne Kapitäns-
binde interpretiere. Ich will mit meiner Er-
fahrung dazu beitragen, das Team zu führen.
Das habe ich in Freiburg auch schon getan,
bevor ich Kapitän wurde. Ich spiele in einer
zentrale Rolle im defensiven Mittelfeld. Und
da gilt es, Verantwortung zu übernehmen
und sie nicht wegzuschieben.
Wie verlief dein Weg in den Profifußball?
Er war nicht immer leicht. Ich habe beim VfL
Wolfsburg schon früh als Jugendspieler bei
den Profis trainiert. Aber es war zunächst
ein Auf und Ab. Mal war ich im Trainings-
lager dabei, dann wieder nicht. Eric Gerets
hat mir dann das Vertrauen geschenkt, unter
ihm durfte ich zum ersten Mal in der Bun-
desliga spielen. Meine erste Begegnung von
Beginn an war gegen den SC Freiburg. Ich
bin dem Trainer noch immer dankbar, dass
er mir diese Chance gegeben hat. Danach
war ich fester Bestandteil des Wolfsburger
Profi-Teams, und es ging für mich weiter
bergauf.
Viele erinnern sich an deine überragende Leis-
tung für den VfL Wolfsburg am 34. Spieltag
der Saison 2005/2006, als du zur Pause ein-
gewechselt wurdest, wenig später erst ein Tor
selbst erzielt und dann ein weiteres vorberei-
tet hast – am Ende stand ein 2:2 gegen Kai-
serslautern. Welche Rolle spielte diese Partie
für deine Karriere?
Eine entscheidende Rolle. Ich war ein junger
Spieler, glücklich, dass ich in dieser Partie
dabei sein durfte. Und dann konnte ich dem
Team und dem gesamten Club mit zwei gu-
ten Aktionen noch helfen, in der Liga zu blei-
ben. Dieses Spiel war ein echter Krimi und
gehört zu den Highlights meiner Karriere.
Zunächst ging es hervorragend weiter, dann
musstest du später den Umweg über die zwei-
te Liga nehmen. Wie hast du diese Zeit erlebt?
Es war sehr hart. Ich war eine Saison lang
quasi Stammspieler, stand in 30 von 34 Par-
tien auf dem Platz. Dann wurde Klaus Au-
genthaler entlassen, Felix Magath kam als
neuer Trainer. Und bei ihm spielte ich keine
Rolle mehr. Es ist nicht einfach, wenn man
gerade noch viel für die Mannschaft getan
hatte und der neue Trainer einen dann nicht
mal eine Minute in der Bundesliga spielen
lässt. Dennoch war diese Zeit lehrreich, und
ich habe daraus viel mitgenommen. Auch
wenn es erst mal Enttäuschung pur war.
s
„Wir
müssen
uns für
jeden
Punkt
zerreißen“
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INTERVIEW
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