DER BETRIEB 25 - page 3

Meilenstein in der deutschen Abkommenspolitik –
BMF vero¨ffentlicht seine Verhandlungsgrundlage
G
etreu der Maxime „Was lange wa¨hrt,
wird endlich gut“ hat das BMF am
17. April seine „Verhandlungsgrundlage fu¨r
DBA“ vorgestellt (DB0589577). Sie wird
flankiert von umfangreichen Protokoll-
regelungen. Ob diese dem Qualita¨ts-
anspruch tatsa¨chlich gerecht werden konn-
te, wird die vom BMF ausdru¨cklich er-
wu¨nschte Diskussion in der Facho¨ffentlich-
keit in absehbarer Zeit zu beantworten ha-
ben. In seiner Gesamtheit ist die Publikati-
on der Verhandlungsgrundlage indes be-
reits heute u¨beraus zu begru¨ßen, werden
dem Rechtsanwender doch die abkom-
menspolitischen Positionen, derer sich die
deutsche Seite bei DBA-Verhandlungen be-
dient, deutlich illustriert.
V
erhinderung von
Steuerverku¨rzung
Die deutsche Verhandlungsgrundlage
folgt grds. dem Inhalt des OECD-MA. Inso-
weit ist kein prinzipieller Wandel in der
deutschen Abkommenspolitik erkennbar.
Vielmehr entha¨lt die Verhandlungsgrund-
lage des BMF zahlreiche Regelungen, wel-
che schon in den ju¨ngst abgeschlossenen
deutschen DBA (z. B. mit Luxemburg und
den Niederlanden) zu finden sind. Anders
als das OECD-MA verweist die Verhand-
lungsgrundlage des BMF allerdings schon
in der U¨ berschrift auf ihr Ziel, neben der
Doppelbesteuerung auch eine unerwu¨nsch-
te Steuerverku¨rzung zu vermeiden. Exem-
plarisch, gleichwohl aber ganz besonders
bringen dies die in Art. 22 verorteten
Methoden zur Vermeidung der Doppel-
besteuerung zum Ausdruck. So sollen die
grds. freizustellenden Gewinne einer im
Vertragsstaat belegenen Betriebssta¨tte nur
dann tatsa¨chlich von der Besteuerung in
Deutschland ausgenommen werden, wenn
die dort erzielten Einku¨nfte der Aktivita¨ts-
klausel in Art. 22 Abs. 1 genu¨gen. Oder an-
ders gewendet: Werden in einer ausla¨ndi-
schen Betriebssta¨tte Einku¨nfte erzielt,
deren Charakter nicht der Vorstellung
Deutschlands von aktiven Einku¨nften ge-
nu¨gt, soll u¨ber den Wechsel hin zur Anrech-
nungsmethode nicht das kapitalimportneu-
trale, sondern stattdessen das kapital-
exportneutrale Besteuerungskonzept zur
Anwendung gelangen.
In die gleiche Richtung sto¨ßt die Ver-
handlungsgrundlage mit der Normierung
einer sog. subject-to-tax-Klausel, wonach
die Doppelbesteuerung nicht durch Frei-
stellung, sondern durch Steueranrechnung
vermieden werden soll, wenn der andere
Vertragsstaat bestimmte Einku¨nfte besteu-
ern darf, dies – willentlich oder infolge von
Qualifikationskonflikten – tatsa¨chlich aber
nicht bzw. nicht ausreichend tut. Man mag
das kritisch sehen, fu¨hrt es doch faktisch
zu einer Aufhebung der – auch vom BFH
anerkannten – Vermeidung der virtuellen
internationalen Besteuerung. Andererseits
ist aber zu konstatieren, dass Deutschland
insoweit auf einer Linie mit der EU-Kom-
mission liegt, die in ihrer Empfehlung vom
6. 12. 2012 den Einsatz derartiger Klauseln
ausdru¨cklich gefordert hat.
I
nstrumentarien zur
Vermeidung der Doppel-
besteuerung
Zwar werden damit die Vorteile der Frei-
stellungsmethode erheblich eingeschra¨nkt,
jedoch gibt das BMF zugleich ein deutliches
Bemu¨hen zu erkennen, grenzu¨berschrei-
tend ta¨tigen Unternehmen Instrumentarien
zur Vermeidung der internationalen Dop-
pelbesteuerung an die Hand zu geben. In
diesem Zusammenhang ist einerseits auf
die – an bestimmte Voraussetzungen ge-
knu¨pfte – Pflicht zur Gegenberichtigung
bei Einku¨nfte- bzw. Verrechnungspreiskor-
rekturen gem. Art. 7 und Art. 9 der Ver-
handlungsgrundlage zu verweisen. Die
deutsche Finanzverwaltung hat damit ihren
Vorbehalt gegenu¨ber solchen Regelungen
aufgegeben, was ausdru¨cklich zu begru¨ßen
ist, wird dadurch doch die Gefahr einer in-
ternationalen Doppelbesteuerung redu-
ziert. Zudem wurde in die Verhandlungs-
grundlage im Zusammenhang mit den Vor-
schriften u¨ber Versta¨ndigungsverfahren ei-
ne Regelung zu einem obligatorischen
Schiedsverfahren aufgenommen, welche
fu¨r die Stpfl. ebenfalls mehr Sicherheit hin-
sichtlich der Vermeidung der Doppel-
besteuerung bedeutet. Damit diese – fu¨r
Unternehmen eminent wichtigen – Instru-
mentarien zur Vermeidung der Doppel-
besteuerung nicht nur (abkommensrecht-
liche) Theorie bleiben, wa¨re allerdings
wu¨nschenswert, wenn die Finanzverwal-
tung das fu¨r solche Verfahren zusta¨ndige
Bundeszentralamt fu¨r Steuern (BZSt) per-
sonell so ausstattet, dass entsprechende
Verfahren in einem u¨berschaubaren Zeit-
raum erfolgreich zu Ende gefu¨hrt werden
ko¨nnen. Insoweit ist die in der Verhand-
lungsgrundlage begru¨ßenswerte Abkom-
menspolitik die eine, ihre praktische Um-
setzung in der Finanzverwaltung – d. h.
konkret im BZSt – die andere Seite der Me-
daille.
F
azit
Zwar kann die Verhandlungsgrundlage
des BMF nicht in allen Punkten u¨berzeu-
gen, dies gilt insbesondere in Bezug auf
die zur Verhinderung der Steuerverku¨rzung
extensiv aufgenommenen „Sicherungsvor-
schriften“ wie den Aktivita¨tsvorbehalt so-
wie die switch-over- und subject-to-tax-Re-
gelungen. Gleichwohl muss die jetzt vor-
gelegte Verhandlungsgrundlage zu Recht
als „Meilenstein“ der deutschen Abkom-
menspolitik bezeichnet werden, da erst-
malig die deutschen abkommenspoliti-
schen Positionen offengelegt werden. Eine
solche Transparenz ist uneingeschra¨nkt zu
begru¨ßen und wa¨re auch fu¨r andere Berei-
che der Steuerpolitik wu¨nschenswert.
StB Dr. Xaver Ditz,
Flick Gocke Schaumburg, Bonn
u
DB0596066
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
Gastkommentar
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