

76 |
Jahresbericht 2015
Ärztekammer
Nordrhein
Medizinische Grundsatzfragen
Die Ethikkommission – einer
humanen Forschung verpflichtet
Eine humane medizinische Forschung ist demWohl des einzelnen Menschen verpflichtet.
Zum Schutze der Versuchsteilnehmer muss daher jede Studie vor ihrem Beginn einer Ethik-
kommission (EK) als einem unabhängigen, interdisziplinär besetzten Gremium vorgelegt werden,
um feststellen zu lassen, ob die Grundsätze ethisch zulässigen ärztlichen Handelns eingehalten
werden.
Die Ethikkommission (EK) der Ärztekammer
Nordrhein berät nach
§ 15 Berufsordnung (BO)
Ärz-
tinnen und Ärzte vor der Durchführung biome-
dizinischer Forschung am Menschen über die mit
ihrem Vorhaben verbundenen berufsethischen
und berufsrechtlichen Fragen. Grundlage für die
ethische Beratung sind insbesondere die ethischen
Grundsätze medizinischer Forschung nach der De-
klaration von Helsinki des Weltärztebundes. Nicht
beratungspflichtig sind ausschließlich retrospekti-
ve epidemiologische Forschungsvorhaben.
Im Vordergrund der Beratung stehen:
• die Freiwilligkeit der Entscheidung
zur Versuchsteilnahme nach Aufklärung
(informed consent),
• das Überwiegen des Nutzens gegenüber einem
potenziellen Schaden,
• die angemessene Auswahl der Studienteilnehmer
und
• der Schutz vulnerabler Gruppen.
Datenschutzrechtliche Belange der Teilnehmer
sind ebenso zu beachten wie Interessenlagen for-
schender Ärzte. Auf Basis wissenschaftlicher Leit-
linien prüft die EK, ob der Studienplan definierten
wissenschaftlichen Kriterien genügt.
Bei Beratungen der EK nach der Berufsordnung
können Ärztinnen und Ärzte auch – im Gegensatz
zu klinischen Prüfungen nach dem
Arzneimittel-
gesetz
sowie dem
Medizinproduktegesetz
– bei einer
ablehnenden Entscheidung der EK mit der Studie
beginnen.
Klinische Prüfungen gemäß Arzneimittelgesetz (AMG)
Der Sponsor darf mit einer klinischen Studie
nach dem
AMG
erst beginnen, wenn die zuständige
Ethikkommission (EK) diese zustimmend bewer-
tet und die zuständige Bundesoberbehörde diese
genehmigt hat. Bei multizentrischen klinischen
Prüfungen, die zugleich in mehreren Mitgliedstaa-
ten der Europäischen Union durchgeführt werden
(multinationale multizentrische klinische Prü-
fung), muss jeder betroffene Mitgliedstaat jeweils
eine Stellungnahme der EK abgeben. Diese Vorgabe
wird in Deutschland durch die Abgabe einer Stel-
lungnahme von der federführenden EK eingehal-
ten.
Die
EU-Verordnung über klinische Prüfungen mit
Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richt-
linie 2001/20/EG
ist am 27. Mai 2014 im
Amtsblatt
der Europäischen Union
veröffentlicht worden und
im Juni 2014 in Kraft getreten. Die Anwendung
der EU-Verordnung setzt allerdings das Funk-
tionieren des EU-Portals voraus, das durch ein ab-
schließendes Audit geprüft und bestätigt werden
muss. Dieses befindet sich derzeit im Aufbau. Die
Verordnung wird jedoch selbst bei einem funktions-
fähigen EU-Portal frühestens ab dem 28. Mai 2016
mit einer Übergangsregelung von zwei oder drei
Jahren angewendet werden.
Das Verfahren bei multinationalen multizentri-
schen klinischen Prüfungen wird grundlegend neu
gestaltet. Dies hat zur Konsequenz, dass die bisher
vom
AMG
vorgegebenen und bewährten Verfah-
rensweisen für die Bewertung klinischer Prüfun-
gen in Deutschland wesentlich verändert werden.
Die Ethik-Kommissionen werden aber weiterhin
eine eigenständige Bewertung an die Genehmi-
gungsbehörde abgeben, die den Verwaltungsakt für
den Mitgliedsstaat Deutschland abgibt. Dieser Ver-
waltungsakt beinhaltet die Entscheidung der Bun-
desoberbehörde (Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte oder Paul-Ehrlich-Institut)
und der sachlich zuständigen EK, ob die Durch-
führung der klinischen Prüfung in Deutschland
zugestimmt oder abgelehnt wird.
Das in der EU-Verordnung geregelte Verfahren
soll auch bei monozentrischen klinischen Prüfun-
gen, die ausschließlich inDeutschlanddurchgeführt