Mitglieder des Grauzementkartells durch
das OLG Du¨sseldorf besta¨tigt, die ver-
ha¨ngten Bußgelder jedoch wegen einer
rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzo¨ge-
rung um 5% reduziert.
Das Bundeskartellamt hatte 1987 ein vor
allem in Su¨ddeutschland ta¨tiges Grau-
zementkartell aufgedeckt und die beteilig-
ten Unternehmen mit erheblichen Geld-
bußen belegt. Zur Vermeidung des danach
befu¨rchteten Preisverfalls einigten sich am
13. 3. 1990 die Vertreter fu¨hrender Her-
steller von Grauzement in Deutschland,
darunter auch der an diesem Verfahren be-
teiligten Holcim Deutschland AG, der
HeidelbergCement AG, der Lafarge Ze-
ment GmbH und der Schwenk Zement
KG, darauf, dass die Unternehmen ihre
Marktanteile beibehalten und auf „vorsto-
ßenden“ Wettbewerb verzichten sollten.
Dies wurde in der Folgezeit auf den Ma¨rk-
ten in Nord-, Ost-, West- und Su¨d-
deutschland durch Absprachen bei jeweils
unterschiedlicher Beteiligung der Unter-
nehmen umgesetzt. Das Bundeskartellamt
stellte diese neuerlichen Kartellrechtsver-
sto¨ße im Jahr 2002 fest und erließ Buß-
geldbescheide gegen die Unternehmen
(Nebenbetroffene) sowie gegen die verant-
wortlichen Fu¨hrungskra¨fte (Betroffene).
Hiergegen legten ein Betroffener sowie
die Unternehmen, gegen die erhebliche
Bußgelder verha¨ngt worden waren, Ein-
spruch ein. Im gerichtlichen Verfahren
hat das OLG Du¨sseldorf wegen eines Ver-
stoßes gegen das Kartellverbot gegen den
Betroffenen eine Geldbuße von
200.000 € sowie gegen die Unternehmen
Geldbußen in Millionenho¨he verha¨ngt,
und zwar gegen Holcim i. H. von 14,6
Mio. €, gegen HeidelbergCement i. H.
von knapp 170 Mio. €, gegen Lafarge Ze-
ment i. H. von 24 Mio. € und gegen
Schwenk Zement i. H. von 70 Mio. €.
Der mit den Rechtsbeschwerden gegen
diese Verurteilungen befasste Kartellsenat
des BGH hat nunmehr die Festsetzung
der Geldbußen mit Beschluss vom 26. 2.
2013 weitgehend besta¨tigt und die vor-
gebrachten Beanstandungen fu¨r nicht
durchgreifend erachtet.
Das OLG hat zutreffend fu¨r jede Ord-
nungswidrigkeit zuna¨chst die absprache-
bedingt entstandenen – fu¨r den Bußgeld-
rahmen nach § 81 Abs. 2 GWB 1999
maßgeblichen – Mehrerlo¨se bestimmt. In
einem zweiten Schritt hat es – ebenfalls
ohne Rechtsverstoß – durch einen Ver-
gleich mit dem Bußgeldrahmen des § 81
Abs. 4 Satz 2 GWB 2005 nach § 4
Abs. 3 OWiG den fu¨r die Unternehmen
gu¨nstigeren Bußgeldrahmen ermittelt.
Die Vorschrift des § 81 Abs. 4 Satz 2
GWB 2005, die mit der 7. GWB-Novelle
eingefu¨hrt worden ist, ist nicht wegen
Verfassungswidrigkeit nichtig. Sie ver-
sto¨ßt weder wegen der nach ihrem Wort-
laut ru¨ckwirkenden Inkraftsetzung noch
wegen mangelnder Bestimmtheit gegen
das Grundgesetz. Diese Regelung, nach
der die Geldbuße 10% des Gesamtumsat-
zes eines Unternehmens nicht u¨bersteigen
darf, ist in verfassungskonformer Aus-
legung nicht als Kappungsgrenze (eines
nach oben offenen Bußgeldrahmens),
sondern als Obergrenze des Bußgeldrah-
mens zu verstehen, bei dessen Bestim-
mung der Umsatz nicht nur des jeweiligen
Unternehmens, sondern des Gesamtkon-
zerns zugrunde zu legen ist. Da die durch
die 7. GWB-Novelle geschaffene Vor-
schrift nicht verfassungswidrig ist, ist kein
sanktionsloser Zustand eingetreten. Die
vom OLG in den einzelnen Fa¨llen ver-
ha¨ngten Geldbußen halten rechtlicher
U¨ berpru¨fung stand; insbesondere die von
den Rechtsbeschwerdefu¨hrern angegriffe-
nen Mehrerlo¨sscha¨tzungen des OLG sind
rechtsfehlerfrei.
Der Kartellsenat hat allerdings die ver-
ha¨ngten Geldbußen i. H. von jeweils 5%
fu¨r vollstreckt erkla¨rt. Nachdem gegen das
Urteil des OLG vom 26. 6. 2009 Rechts-
beschwerden eingelegt und begru¨ndet
worden waren, vergingen etwa zwanzig
Monate, bis die Akten dem Generalbun-
desanwalt vorgelegt worden sind. Hierin
hat der Kartellsenat eine rechtsstaatswid-
rige Verfahrensverzo¨gerung gesehen. Da
fu¨r Unternehmen die Belastung durch
eine la¨ngere Verfahrensdauer in dem
Ru¨ckstellungsbedarf fu¨r die verha¨ngten
Geldbußen liegt und deren Ho¨he maß-
geblich von ihrer wirtschaftlichen Leis-
tungskraft beeinflusst ist, erschien hier als
Kompensation eine entsprechende pro-
zentuale Anrechnung sachgerecht. (PM
des BGH vom 10. 4. 2013)
u
DB0588298
Arbeitsrecht
EuGH: Sprachenzwang fu¨r Arbeitsver-
tra¨ge mit grenzu¨berschreitendem
Charakter nicht mit EU-Recht verein-
bar
Das Dekret der Fla¨mischen Gemein-
schaft, wonach alle Arbeitsvertra¨ge mit
grenzu¨berschreitendem Charakter auf
Niederla¨ndisch abzufassen sind, versto¨ßt
gegen die Freizu¨gigkeit der Arbeitneh-
mer. Dies hat der EuGH mit Urteil vom
16. 4. 2013 – Rs. C-202/11; Anton Las /
PSA Antwerp NV entschieden.
Im besonderen Kontext eines Vertrags
mit grenzu¨berschreitendem Charakter
steht eine solche sprachliche Verpflich-
tung in keinem angemessenen Verha¨ltnis
zu den von Belgien angefu¨hrten Zielen
(Schutz einer Landessprache, Schutz der
Arbeitnehmer und wirksame Kontrolle
durch die nationalen Beho¨rden).
In Belgien verpflichtet ein Dekret der
Fla¨mischen Gemeinschaft u. a. beim Ab-
fassen von Arbeitsvertra¨gen zwischen Ar-
beitnehmern und Arbeitgebern mit Be-
triebssitz im niederla¨ndischen Sprach-
gebiet zum Gebrauch des Niederla¨ndi-
schen. Die Nichtbeachtung dieser sprach-
lichen Verpflichtung fu¨hrt zur Nichtigkeit
des Arbeitsvertrags, ohne jedoch einen
Nachteil fu¨r den Arbeitnehmer oder fu¨r
Rechte Dritter herbeizufu¨hren.
Herr Anton Las, ein niederla¨ndischer
Staatsbu¨rger mit Wohnsitz in den Nie-
derlanden, wurde 2004 von der PSA Ant-
werp mit Sitz in Antwerpen (Belgien), die
zu einem multinationalen Konzern mit
Sitz in Singapur geho¨rt, als „Chief Finan-
cial Officer“ eingestellt. Der in englischer
Sprache abgefasste Arbeitsvertrag sah vor,
dass Herr Las seine Arbeitsleistung in
Belgien erbringt.
Mit Schreiben in englischer Sprache ku¨n-
digte PSA Antwerp Herrn Las im Jahr
2009 und zahlte ihm eine nach dem Ar-
beitsvertrag berechnete Ku¨ndigungsabfin-
dung. Herr Las erhob vor der Arbeids-
rechtbank (Arbeitsgericht, Belgien) Klage
und trug vor, dass der Arbeitsvertrag we-
gen Verletzung der Vorschriften des De-
krets der Fla¨mischen Gemeinschaft u¨ber
den Sprachgebrauch nichtig sei. Er for-
derte u. a. eine ho¨here Ku¨ndigungsabfin-
dung nach belgischem Arbeitsrecht.
Das belgische Gericht mo¨chte vom Ge-
richtshof wissen, ob das Dekret der Fla¨-
mischen Gemeinschaft u¨ber den Sprach-
gebrauch gegen die Freizu¨gigkeit der Ar-
beitnehmer in der Europa¨ischen Union
versto¨ßt, soweit es ein im niederla¨ndi-
schen Sprachgebiet ansa¨ssiges Unterneh-
men bei der Einstellung eines Arbeitneh-
mers in ein Arbeitsverha¨ltnis mit grenzu¨-
berschreitendem Charakter unter Andro-
hung der vom Gericht von Amts wegen
festzustellenden Nichtigkeit verpflichtet,
alle das Arbeitsverha¨ltnis betreffenden
Dokumente in niederla¨ndischer Sprache
abzufassen.
In seinem Urteil weist der Gerichtshof
zuna¨chst darauf hin, dass der betreffende
Vertrag unter die Freizu¨gigkeit der Ar-
beitnehmer fa¨llt, da er zwischen einem in
den Niederlanden wohnenden niederla¨n-
dischen Staatsangeho¨rigen und einer in
Belgien niedergelassenen Gesellschaft ge-
schlossen wurde. Außerdem kann sich
nicht nur ein Arbeitnehmer, sondern auch
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013
Nachrichten
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