Arbeitgeberzuschusses an sich selbst verlangen. Der Zuschuss ist
als Bruttobetrag geschuldet.
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG-Urteil vom 19. 9. 2012 – 5 AZR 628/11
u
DB0578537
Hinweise des Senats:
Vgl. BFH vom 22. 9. 2011 – III R 57/09,
Rdn. 10, BFH/NV 2012 S. 562; vgl. auch BAG vom 15. 8. 1984 – 5
AZR 47/83, zu II. 2. b), BAGE 46 S. 174 = DB 1984 S. 2714.
Redaktionelle Hinweise:
Nachdem der Kla¨ger in 1. Instanz seine Ku¨n-
digungsschutzklage gegen die Beklagte gewonnen hatte, bescha¨ftigte
die Beklagte den Kla¨ger wa¨hrend des laufenden Ku¨ndigungsschutzpro-
zesses weiter, sie vergu¨tete jedoch lediglich die geleisteten Arbeitsstun-
den des Kla¨gers ohne Zuschla¨ge und Sonderzahlungen. Entgeltfortzah-
lung an Feiertagen und Urlaubsentgelt zahlte sie nicht. Nach der rechts-
kra¨ftigen Zuru¨ckweisung der Berufung im Ku¨ndigungsschutzprozess
wickelten die Parteien das Arbeitsverha¨ltnis ab 1. 8. 2009 wieder ver-
tragsgema¨ß ab. Mit der vorliegenden Klage hat der Kla¨ger fu¨r die Zeit
vom 1. 10. 2008 bis 31. 7. 2009 Differenzvergu¨tung beansprucht. Die
Vorinstanzen (zuletzt LAG Hamm – 18 Sa 1794/10) haben die Klage
abgewiesen. Das BAG hat die Sache zuru¨ckverwiesen. Die tarifliche
Ausschlussfrist ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass
mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Ku¨ndigungsschutz- oder Be-
fristungskontrollklage) die davon abha¨ngigen Anspru¨che wegen Annah-
meverzugs i. S. der tariflichen Ausschlussfrist gerichtlich geltend ge-
macht sind.
Volltext unter DB0577190.
Ku¨ndigungsrecht
Betriebsa¨nderung: Vermutung der Betriebs-
bedingtheit einer Ku¨ndigung nach § 1 Abs. 5
Satz 1 KSchG – Darlegungs- und Beweislast des
Arbeitgebers hinsichtlich der Vermutungsbasis
Erforderlichkeit des Beweises des Gegenteils nach § 292 ZPO
durch den Arbeitnehmer – Gesetzliche Vermutung ist aus-
zuschließen, nicht nur zu erschu¨ttern – Tatsa¨chliches Ausscho¨p-
fen aller verfu¨gbaren Informationsmo¨glichkeiten – Sekunda¨re
Behauptungslast des Arbeitgebers
KSchG § 1 Abs. 2, Abs. 5; ZPO § 138 Abs. 1, Abs. 2
Gegen die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ist nur der
Beweis des Gegenteils zula¨ssig (§ 292 ZPO). Der Arbeitneh-
mer muss deshalb darlegen und im Bestreitensfall beweisen,
weshalb sein Arbeitsplatz trotz der Betriebsa¨nderung noch
vorhanden ist oder wo sonst im Betrieb oder Unternehmen
er weiterbescha¨ftigt werden kann. Dabei muss er seine
Kenntnismo¨glichkeiten ausscho¨pfen.
BAG-Urteil vom 27. 9. 2012 – 2 AZR 516/11
u
DB0588161
Die Parteien streiten u¨ber die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebs-
bedingten Ku¨ndigung.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie. Der im Mai
1964 geborene Kla¨ger, der u¨ber keine abgeschlossene Berufungsausbil-
dung verfu¨gt, ist bei ihr seit dem 15. 10. 1990 als gewerblicher Arbeit-
nehmer ta¨tig. Er ist verheiratet sowie drei Kindern gegenu¨ber zum Un-
terhalt verpflichtet. Seine Einstellung erfolgte „fu¨r die Ta¨tigkeit Richt-
presse, Rollenrichtmaschine“. Im Arbeitsvertrag behielt sich die Beklag-
te das Recht vor, ihm eine andere zumutbare Arbeit zuzuweisen.
Im April 2010 bescha¨ftigte die Beklagte rund 700 Arbeitnehmer. Be-
reits im Jahr 2009 war sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, in
deren Folge Kurzarbeit eingefu¨hrt wurde. Im Juni 2009 vereinbarten die
Parteien fu¨r die Zeit vom 3. 8. 2009 bis zum 22. 7. 2011 die Teilnahme
des Kla¨gers an einer außerbetrieblichen Qualifizierungsmaßnahme im
Rahmen des von der Bundesagentur fu¨r Arbeit gefo¨rderten Programms
„WeGebAU“ (
Weiterbildung Geringqualifizierter und bescha¨ftigter a¨lterer
Arbeitnehmer in Unternehmen
). Gegenstand der Maßnahme war die
Umschulung des Kla¨gers zum Verfahrensmechaniker. Anschließend
sollte er im Betrieb der Beklagten weiterbescha¨ftigt werden.
Insgesamt nahmen 39 Arbeitnehmer der Beklagten an einer solchen
Qualifizierungsmaßnahme teil.
Wegen ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten beschloss die Beklagte,
Personal abzubauen. Am 1. 4. 2010 vereinbarte sie mit dem Betriebsrat
einen Interessenausgleich mit Namensliste. Auf der Liste stehen in al-
phabetischer Reihenfolge die Namen von 196 Arbeitnehmern, darunter
der des Kla¨gers. In der Pra¨ambel des Interessenausgleichs wird auf das
(
negative
) operative Ergebnis in 2009 mit einem Minus von 21,6
Mio. € infolge erheblicher Auftragsru¨ckga¨nge verwiesen. In Abstim-
mung mit einer Unternehmensberatung sei ein Strukturkonzept ent-
wickelt worden, u¨ber das die Mitarbeiter anla¨sslich einer Belegschafts-
versammlung vom 30. 1. 2010 unterrichtet worden seien.
Hinsichtlich der Sozialauswahl versta¨ndigten sich die Betriebsparteien
unter Nr. 3.2 des Interessenausgleichs darauf, eine Vergleichbarkeit von
Arbeitnehmern nur bei einer Anlernzeit von bis zu zwo¨lf Wochen anzu-
nehmen. Innerhalb der zu bildenden Vergleichsgruppen sollte die So-
zialauswahl nach einem Punkteschema erfolgen. Dabei sollte das Le-
bensalter mit einer Punktzahl von 0,5 „pro angefangenem Jahr“, die Be-
triebszugeho¨rigkeit mit 2 Punkten „pro beendetem Jahr“, die Unter-
haltspflichten mit 5 Punkten „pro Ehegatten/eingetragene Lebenspart-
nerschaft“ sowie 5 Punkten „pro Kind gem. Steuerklassenmerkmal“ und
die Schwerbehinderung mit 10 Punkten „bei Schwerbehinderung bei
einem Grad der Behinderung von 50 oder mehr oder bei erfolgter
Gleichstellung“ Beru¨cksichtigung finden. Danach wurde der Kla¨ger mit
76 Punkten der „Vergleichsgruppe 84“ zugeordnet. In dieser Gruppe
wurden ausschließlich Mitarbeiter zusammengefasst, die sich in einer
„WeGebAU“-Maßnahme befanden. Sofern bis 31. 12. 2013 Neuein-
stellungen bei der Beklagten erfolgten, sollten gem. Nr. 4 des Interes-
senausgleichs von diesem „betroffene“ Mitarbeiter bei entsprechender
Bewerbung „bevorzugt beru¨cksichtigt werden“.
Daneben vereinbarten die Betriebsparteien einen Sozialplan. Dieser ent-
ha¨lt Abfindungsregelungen und – insoweit unter Ausschluss der Mit-
arbeiter im „WeGebAU“-Programm – Regelungen zu einem Wechsel
in eine Transfer- oder Qualifizierungsgesellschaft (
TQG
).
Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG (Hamm – 4 Sa
11783/10) hat ihr stattgegeben und die Revision der Beklagten zugelas-
sen. Diese fu¨hrte zur Zuru¨ckverweisung an das LAG.
AUS DEN GRU¨ NDEN
Der Arbeitgeber tra¨gt die Darlegungs- und Beweislast fu¨r die
Vermutungsbasis des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG . . .
1 . . . 16
I
I.
. . .
II. 2.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des
§ 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, fu¨r die der Arbeitgeber die Darle-
gungs- und Beweislast tra¨gt
1
, sind im Streitfall erfu¨llt. Davon
geht das LAG zutreffend aus.
17
I
a)
Die Ku¨ndigung vom 26. 4. 2010 wurde aufgrund einer Betrieb-
sa¨nderung i. S. des § 111 BetrVG ausgesprochen . . . (wird ausgefu¨hrt).
. . . dann wird die Betriebsbedingtheit ohne weiteren Vortrag
des Arbeitgebers vermutet . . .
18 . . . 22
I
aa)
. . .
3.
Die sich daraus ergebende Vermutung, die
Ku¨ndigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse be-
dingt, hat der Kla¨ger – ausgehend von den Feststellungen im
Berufungsurteil – nicht widerlegt.
1 BAG vom 26. 3. 2009 – 2 AZR 296/07, Rdn. 17, m. w. N., BAGE 130 S. 182 =
DB 2009 S. 1882; vom 22. 1. 2004 – 2 AZR 111/02, m. w. N., DB0050279 =
AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenaus-
gleich Nr. 11.
880
Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013
1...,62,63,64,65,66,67,68,69,70,71 73,74,75,76,77,78,79,80,81,82,...104