oder Befristungskontrollklage
) die davon abha¨ngigen Anspru¨che
wegen Annahmeverzugs i. S. der tariflichen Ausschlussfrist ge-
richtlich geltend gemacht sind.
18
I
1.
Mit einer Bestandsschutzklage wahrt der Arbeitnehmer,
ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, die erste
Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist fu¨r alle vom Ausgang die-
ses Rechtsstreits abha¨ngigen Anspru¨che. Mit einer solchen Kla-
ge erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Ar-
beitsplatzes, sondern bezweckt daru¨ber hinaus, sich die Ver-
gu¨tungsanspru¨che wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die An-
spru¨che mu¨ssen weder ausdru¨cklich bezeichnet noch beziffert
werden
5
.
. . . als auch – ohne ausdru¨ckliche Ablehnungserkla¨rung des Ar-
beitgebers – der zweiten Stufe – Das BAG a¨ndert im Anschluss
an das BVerfG seine Rechtsprechung
19
I
2.
Zugleich macht der Arbeitnehmer mit einer Bestands-
schutzklage die vom Ausgang dieses Rechtsstreits abha¨ngigen
Anspru¨che i. S. der zweiten Stufe einer tarifvertraglich geregel-
ten Ausschlussfrist „gerichtlich geltend“.
20
I
a)
Nach bisheriger Rspr. des BAG war fu¨r die Wahrung der zwei-
ten Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist regelma¨ßig die Erhebung
einer bezifferten Zahlungs- oder Feststellungsklage erforderlich
6
. Die
Frist fu¨r diese Klage wurde mit Zugang des Klageabweisungsantrags
beim Arbeitnehmer in Gang gesetzt, ohne dass es einer ausdru¨cklichen
Ablehnungserkla¨rung bedurfte
7
.
21
I
b)
An dieser Rechtsprechung kann nach dem Beschluss des
BVerfG vom 1. 12. 2010
8
nicht festgehalten werden. Das
BVerfG hat entschieden, dass der Arbeitnehmer in seinem
Grundrecht auf Gewa¨hrung effektiven Rechtsschutzes verletzt
werde, wenn das tarifliche Erfordernis einer gerichtlichen Gel-
tendmachung von Anspru¨chen, die vom Ausgang einer Be-
standsstreitigkeit abha¨ngen, nach den bisherigen Grundsa¨tzen
des BAG ausgelegt und angewandt werde. Dem Arbeitnehmer
werde insoweit eine u¨bersteigerte Obliegenheit zur gerichtlichen
Geltendmachung seiner Anspru¨che wegen Annahmeverzugs
auferlegt. Die Art der Geltendmachung der Anspru¨che auf Ver-
gu¨tung wegen Annahmeverzugs mu¨sse dem Arbeitnehmer mo¨g-
lich und zumutbar sein. Das sei nicht der Fall, wenn er gezwun-
gen werde, Anspru¨che wegen Annahmeverzugs einzuklagen, be-
vor die Bestandsschutzstreitigkeit rechtskra¨ftig abgeschlossen sei.
Damit erho¨he sich sein Kostenrisiko im Rechtsstreit u¨ber den
Bestand des Arbeitsverha¨ltnisses.
In diesem Sinn sind tarifliche Ausschlussfristen verfassungs-
konform auszulegen . . .
22
I
c)
Tarifvertragliche Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige ge-
richtliche Geltendmachung vorsehen, sind verfassungskonform
dahingehend auszulegen, dass die vom Erfolg einer Bestands-
schutzstreitigkeit abha¨ngigen Anspru¨che bereits mit der Klage in
der Bestandsstreitigkeit gerichtlich geltend gemacht sind.
23
I
aa)
Die verfassungskonforme Auslegung von Rechtsnormen
gebietet, die Wertentscheidungen der Verfassung zu beachten
und die Grundrechte der Beteiligten mo¨glichst weitgehend in
praktischer Konkordanz zur Geltung zu bringen
9
. Ist eine Norm
verfassungskonform auslegbar, ist fu¨r die Annahme ihrer Un-
wirksamkeit mit ggf. nachfolgender erga¨nzender Tarifauslegung
kein Raum mehr.
24
I
bb)
Die durch eine undifferenzierte tarifliche Regelung ver-
anlasste verfassungswidrige Obliegenheit zur gerichtlichen Gel-
tendmachung der Anspru¨che wegen Annahmeverzugs wird ver-
mieden, wenn in der Erhebung der Ku¨ndigungsschutz- oder Be-
fristungskontrollklage die gerichtliche Geltendmachung der vom
Ausgang dieser Bestandsschutzstreitigkeit abha¨ngigen Anspru¨-
che liegt . . . (wird ausgefu¨hrt).
. . . es ist nicht auf die Kostenbelastung des Arbeitnehmers im
Einzelfall abzustellen
25 . . . 27
I
ee)
Um den Vorgaben des BVerfG zu entsprechen, ist
nicht auf eine Kostenbelastung des Arbeitnehmers im Einzelfall
abzustellen. Maßgeblich ist nicht der Umfang der wirtschaftli-
chen Belastung, die den Arbeitnehmer durch den Rechtsstreit
trifft, sondern der Gesichtspunkt der Risikoerweiterung. Kann
der Arbeitnehmer nicht das Obsiegen in der Bestandsschutz-
streitigkeit abwarten, wird ihm ein prozessuales Risiko aufgebu¨r-
det, das die Durchsetzung des gesetzlichen Bestandschutzes be-
eintra¨chtigen kann. Die Frage der Wirksamkeit und der Einhal-
tung der tariflichen Ausschlussfrist von einer einzelfallbezogenen
Pru¨fung der Kostenbelastung abha¨ngig zu machen, fu¨hrte zu-
dem zu gro¨ßter Rechtsunsicherheit. Es kann deshalb nicht da-
rauf ankommen, ob der Arbeitnehmer rechtsschutzversichert ist,
Prozesskostenhilfe beanspruchen kann, ob er die – im Miss-
erfolgsfall – unno¨tigen Kosten der Zahlungsklage aus eigenen
Mitteln unproblematisch aufbringen oder sie durch eine strate-
gisch gu¨nstige Antragstellung vermeiden ko¨nnte. Das Kosten-
recht gilt fu¨r alle Parteien gleichermaßen, seine gesetzlichen
Wertungen sind zwingend. Das erfordert zugunsten des durch-
schnittlich kundigen Arbeitnehmers als Tarifnormunterworfe-
nen, der mit den Mo¨glichkeiten einer kostengu¨nstigen Prozess-
fu¨hrung nicht vertraut ist, eine einheitliche Auslegung des Tarif-
vertrags . . . (wird ausgefu¨hrt).
5 Fu¨r die Ku¨ndigungsschutzklage st. Rspr. seit BAG vom 10. 4. 1963 – 4 AZR
95/62, BAGE 14 S. 156 = DB 1963 S. 803.
6 BAG vom 3. 11. 1961 – 1 AZR 302/60, DB 1962 S. 876 = SAE 1962 S. 155;
vom 26. 4. 2006 – 5 AZR 403/05, Rdn. 20, BAGE 118 S. 60 = DB 2006
S. 1565; vom 17. 11. 2009 – 9 AZR 745/08.
7 BAG vom 17. 11. 2009 – 9 AZR 745/08, Rdn. 36; vom 26. 4. 2006, a.a.O.
(Fn. 6), Rdn. 18.
8 BVerfG vom 1. 12. 2010 – 1 BvR 1682/07, DB 2011 S. 1526.
9 BVerfG vom 21. 12. 2010 – 1 BvR 2760/08, Rdn. 16, GRUR 2011 S. 223; vom
15. 10. 1996 – 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92, BVerfGE 95 S. 64; vom 30. 3. 1993
– 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, BVerfGE 88 S. 145 = DB 1993
S. 1137; BAG vom 6. 4. 2011 – 7 AZR 716/09, Rdn. 27 f., DB 2011 S. 1811 =
AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77;
Voßkuhle
, Ao¨R 125 S. 177.
II. Vergu¨tung wegen Annahmeverzugs – Vermo¨-
genswirksame Leistungen im Annahmeverzug
BGB §§ 295, 615; ArbGG § 45; RTV fu¨r die AN der Industrie der
Steine und Erden im Land Hessen vom 27. 4. 2005 § 8
1.
Vermo¨genswirksame Leistungen sind Geldleistungen, die der
Arbeitgeber fu¨r den Arbeitnehmer anlegt. Sie sind insgesamt,
d. h. auch soweit sie auf einem vom Arbeitgeber zusa¨tzlich zum
Lohn gezahlten Zuschuss beruhen, arbeitsrechtlich Bestandteil
der Vergu¨tung, sie geho¨ren i. S. der Sozialversicherung zum Ar-
beitsentgelt und steuerrechtlich zu den Einku¨nften aus nicht-
selbststa¨ndiger Arbeit.
2.
Hat ein Arbeitgeber ohne Zuzahlung des von ihm geschulde-
ten Zuschusses zu den vermo¨genswirksamen Leistungen aus der
abgerechneten Nettovergu¨tung des Arbeitnehmers den vertrags-
gema¨ßen Beitrag auf das vermo¨genswirksame Konto des Arbeit-
nehmers abgefu¨hrt, kann der Arbeitnehmer noch Zahlung des
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013
Arbeitsrecht
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