gehenden Belastungen muss der Beklagte auf Dauer nicht hin-
nehmen.
33
I
aa)
Einer weiteren Bescha¨ftigung des Kla¨gers als Therapeut
suchtkranker Patienten steht die von ihm nicht beherrschte Ge-
fahr neuerlicher Alkoholauffa¨lligkeiten wa¨hrend der Arbeitszeit
entgegen.
34
I
bb)
Das betriebliche Interesse des Beklagten, die ihm anvertrauten
Suchtkranken nicht in die Behandlung eines Therapeuten zu geben, bei
dem die Gefahr besteht, dass er wa¨hrend seiner Arbeit unter Alkohol-
einfluss steht, wiegt schwer. Die Bescha¨ftigung perso¨nlich geeigneter
Therapeuten liegt nicht nur im unmittelbaren unternehmerischen Inte-
resse des Beklagten. Vielmehr verlangt auch die Verantwortung fu¨r die
sachgerechte Behandlung der Patienten danach, mit dieser keine per-
so¨nlich ungeeigneten Therapeuten zu betrauen.
35
I
cc)
Es war dem Beklagten nicht zumutbar, der Gefahr einer Alko-
holisierung des Kla¨gers dauerhaft durch versta¨rkte Kontrollen zu begeg-
nen. Sie vorzunehmen ist auf Dauer kaum mo¨glich, dem Beklagten je-
denfalls nicht zumutbar. Der Kla¨ger war ru¨ckfa¨lliger Alkoholiker. Es
war davon auszugehen, dass er es darauf anlegen wu¨rde, Mittel und We-
ge zu finden, etwaige Kontrollen zu umgehen.
36
I
dd)
Die Belange der Beklagten werden durch die Dauer der Be-
triebszugeho¨rigkeit von zwo¨lf Jahren und das Alter des Kla¨gers von u¨ber
60 Jahren nicht aufgewogen. Nach dem erneuten Vorfall im Mai 2009
u¨berwogen die Interessen des Beklagten an einer Beendigung des Ar-
beitsverha¨ltnisses.
Hinweise des Senats:
Zu OS 1: Im Anschl. an BAG vom 9. 4. 1987 –
2 AZR 210/86, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 18 = EzA KSchG
§ 1 Krankheit Nr. 18; vom 9. 7. 1998 – 2 AZR 201/98, EzA BGB
§ 626 Krankheit Nr. 1; 16. 9. 1999 – 2 AZR 123/99, DB 2000 S. 93.
Redaktioneller Hinweis:
Volltext unter DB0583721.
Elternzeit
Zeit einer bezahlten Freistellung durch den Ar-
beitgeber ist keine den Elterngeldanspruch aus-
schließende Erwerbsta¨tigkeit
Anspruchsvoraussetzung fu¨r Elterngeld – Ausu¨bung keiner oder
keiner vollen Erwerbsta¨tigkeit – Freistellung durch den Arbeit-
geber – Fehlen tatsa¨chlicher Arbeitsleistung
BEEG § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 6
Wer aufgrund einer Freistellung von der Arbeitsleistung durch
seinen Arbeitgeber seiner Arbeit tatsa¨chlich nicht nachgeht, u¨bt
i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG keine Erwerbsta¨tigkeit aus.
BSG-Urteil vom 29. 8. 2012 – B 10 EG 7/11 R
u
DB0561637
Redaktionelle Hinweise:
Streitig ist der Anspruch der Kla¨gerin auf Elterngeld fu¨r den 2. bis 4.
sowie den 6. und 7. Lebensmonat ihres am 4. 6. 2010 geborenen Soh-
nes. Am 22. 11. 2009 schloss die Kla¨gerin mit ihrem Arbeitgeber einen
Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverha¨ltnis am 31. 12. 2010 en-
dete. Fu¨r die Zeit vom 4. bis 15. 1. 2010 wurde Urlaub vereinbart. Vom
18. 1. bis 31. 3. 2010 wurde die Kla¨gerin widerruflich, vom 1. 4. bis
31. 12. 2010 unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt. Ferner
wurde die Zahlung des vollen Gehalts an die Kla¨gerin bis zu ihrem Aus-
scheiden (31. 12. 2010) vereinbart. Die Kla¨gerin beanspruchte Eltern-
geld fu¨r den 2. bis 4. sowie den 6. bis 14. Lebensmonat des Kindes; die
beklagte Sta¨dteregion bewilligte Elterngeld fu¨r den 8. bis 14. Lebens-
monat. Fu¨r den 2. bis 4. sowie den 6. und 7. Lebensmonat – also fu¨r die
Zeitra¨ume vom 4. 7. bis 3. 10. 2010 und vom 4. 11. 2010 bis 3. 1. 2011
– lehnte die Beklagte die Gewa¨hrung von Elterngeld ab, weil die Kla¨ge-
rin insoweit ohne Arbeitsleistung u¨ber ihr volles Arbeitseinkommen
verfu¨gt habe.
Das SG hat die Klage (mit Zulassung der Sprungrevision) abgewiesen.
Die Kla¨gerin habe in einem Arbeitsverha¨ltnis gestanden und sei voll er-
werbsta¨tig gewesen, sodass die Voraussetzungen fu¨r den Anspruch auf
Elterngeld nicht vorgelegen ha¨tten. Das BSG hat das Urteil aufgehoben
und zuru¨ckverwiesen. Die Zeit der bezahlten Freistellung der Kla¨gerin
von der Arbeit durch ihren Arbeitgeber ist nicht als Ausu¨bung einer Er-
werbsta¨tigkeit i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG anzusehen. Ob die Kla¨-
gerin im streitigen Zeitraum anderweitig einer Erwerbsta¨tigkeit in
einem zeitlich scha¨dlichen Umfang nachgegangen ist und damit eine
solche „ausgeu¨bt“ hat, ist vom SG nicht festgestellt worden. Entspre-
chende Ermittlungen sind nunmehr nachzuholen.
Volltext unter DB0558107.
Betriebliche Altersversorgung
Dynamische Verweisung auf geltende Versor-
gungsbestimmungen – Im Regelfall Erstreckung
auf die Ruhestandsphase
Voraussetzungen fu¨r die Ablo¨sung durch Betriebsvereinbarung
– Umfang der Regelungskompetenz der Betriebspartner fu¨r Be-
triebsrentner – Bindung der Betriebspartner an die Grundsa¨tze
der Verha¨ltnisma¨ßigkeit und des Vertrauensschutzes – Keine
Anwendung des fu¨r Versorgungsanwartschaften maßgeblichen
Pru¨fungschemas – Erfordernis einer Interssenabwa¨gung
BetrAVG §§ 1, 16 Abs. 1, 2, § 30c Abs. 1
1.
Die arbeitsvertragliche Verweisung auf die fu¨r die betriebliche
Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen ist
im Regelfall dynamisch und erstreckt sich auch auf die Renten-
bezugsphase. Soll die Versorgung unabha¨ngig von der jeweils
geltenden allgemeinen Versorgungsordnung zugesagt oder die
Dynamik nicht auf die Rentenbezugsphase erstreckt werden, so
muss dies in der Versorgungszusage deutlich zum Ausdruck ge-
bracht werden.
2.
Mit einer dynamischen Bezugnahme, die sich auch auf die
Rentenbezugsphase erstreckt, ero¨ffnen die Parteien auch die
Mo¨glichkeit fu¨r eine Ablo¨sung der Versorgungsbedingungen auf
kollektivrechtlicher Grundlage und damit auch im Weg einer
Betriebsvereinbarung.
3.
Bei Vera¨nderungen von Anpassungsregelungen sind die
Grundsa¨tze der Verha¨ltnisma¨ßigkeit und des Vertrauensschutzes
zu beachten. Das fu¨r Eingriffe in Versorgungsanwartschaften
entwickelte dreistufige Pru¨fungsschema gilt in diesem Fall nicht.
Vielmehr ist eine Abwa¨gung der wechselseitigen Interessen er-
forderlich. Dabei mu¨ssen die zur Rechtfertigung der A¨ nderung
vom Arbeitgeber angefu¨hrten Gru¨nde um so gewichtiger sein je
schwerwiegender fu¨r den Arbeitnehmer die Nachteile der A¨ nde-
rung sind.
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG-Urteil vom 18. 9. 2012 – 3 AZR 431/10
u
DB0577704
Redaktionelle Hinweise:
Die Parteien streiten daru¨ber, ob und in wel-
chem Umfang die Betriebsrente des Kla¨gers, die er seit seinem Aus-
scheiden bei der Beklagten erha¨lt, anzupassen ist. Das Gericht hatte in-
soweit u¨ber die in den vorstehenden Deskriptoren aufgefu¨hrten Ge-
sichtspunkte zu entscheiden. Die tragenden Gru¨nde fu¨r seine Entschei-
dung hat der Senat zusammenfassend in den Orientierungssa¨tzen he-
rausgestellt.
Volltext unter DB0573751.
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Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013
1...,66,67,68,69,70,71,72,73,74,75 77,78,79,80,81,82,83,84,85,86,...104