Nachruf Dr. Dr. Ursula Niemann
F
rau
Dr. Dr. Niemann
, langja¨hrige wis-
senschaftliche Mitarbeiterin des Insti-
tuts Finanzen und Steuern, ist am 13. 4.
2013 nach einem kurzen Krankenhausauf-
enthalt im hohen Alter von 91 Jahren ver-
storben. Mit ihr ist eine liebenswu¨rdige,
u¨beraus integre und fachlich hoch ge-
scha¨tzte Steuerwissenschaftlerin von uns
gegangen, die u¨ber vierzig Jahre lang fu¨r
das Institut Finanzen und Steuern gearbei-
tet hat. In ihrer Institutszeit hat sich
Ursula
Niemann
mit vielen grundlegenden IFSt-
Schriften einen Namen gemacht, die auch
in der Fachwelt große Beachtung fanden.
Ursula Niemann
wurde am 5. 2. 1922 in
Hannover geboren, zog aber schon bald
mit ihrer Familie nach Ko¨ln. Hier ging sie
zur Schule. Schon als Achtzehnja¨hrige
nahm sie mitten im Krieg an der Ko¨lner
Universita¨t das Studium der Betriebswirt-
schaftslehre auf. Obwohl das Studieren
durch ha¨ufigen Fliegeralarm und zuneh-
mende Bombenscha¨den an den Univer-
sita¨tsgeba¨uden immer mehr behindert wur-
de, schaffte sie es, Ende 1943 ihr Diplom-
examen abzulegen. Als im darauffolgenden
Jahr die Stadt weitgehend evakuiert wurde,
musste dann aber auch sie Ko¨ln verlassen.
Sie gelangte erst nach Mitteldeutschland,
spa¨ter (nach Kriegsende) nach Berlin. Erst
1949 kehrte sie nach Ko¨ln zuru¨ck, wo sie
bis an ihr Lebensende lebte.
Hier fu¨hlte sie sich erneut zur Wissen-
schaft hingezogen. Sie promovierte in Ko¨ln
nicht nur zum Dr. rer. pol., sondern auch
zum Dr. jur., besuchte mit Begeisterung die
Vorlesungen und Seminare von
Prof. Dr.
Armin Spitaler
, der damals den in Deutsch-
land einzigen ausschließlich auf das Steu-
errecht ausgerichteten Lehrstuhl innehatte,
und wurde schließlich – bis zu seinem Tode –
seine wissenschaftliche Assistentin am Insti-
tut fu¨r Steuerrecht der Universita¨t zu Ko¨ln.
Aber auch an der Umsetzung des Steuer-
rechts in die Praxis fand
Ursula Niemann
Gefallen. Sie wurde selbststa¨ndige Steuer-
beraterin mit eigener Kanzlei und behielt
diesen Beruf neben ihren anderen Ta¨tigkei-
ten bis zu ihrem Tode bei. Ihr Wirkungskreis
ging dabei bald u¨ber die bloße Bearbeitung
einzelner Mandate hinaus. Sie war viele
Jahre lang sta¨ndiges Mitglied der beim Fi-
nanzministerium in Du¨sseldorf angesiedel-
ten Pru¨fungskommission fu¨r Steuerberater.
Daneben war sie wa¨hrend ihres gesamten
Berufslebens intensiv im Fachinstitut der
Steuerberater engagiert und war dort lange
Vorstandsmitglied. Arbeitsschwerpunkt war
dabei die Mitwirkung an der Vorbereitung,
Durchfu¨hrung und Auswertung der instituts-
internen Sitzungen und der Fachkongresse.
U. a. war
Ursula Niemann
Mitherausgeberin
der ja¨hrlich erscheinenden Steuerberater-
Jahrbu¨cher des Fachinstituts.
1968 fand
Ursula Niemann
ihren Weg
zum Institut „Finanzen und Steuern“. Ihre
Hauptaufgabe, die sie mit Leidenschaft be-
trieb, war hier die Ausarbeitung von IFSt-
Schriften. Insgesamt 36 hat sie davon er-
stellt, die letzte im Alter von 85 (!) Jahren.
Die Themen kamen aus nahezu allen Berei-
chen des Steuerrechts, schwerpunktma¨ßig
aber aus dem Unternehmensteuerrecht,
wie z. B.
– IFSt-Schrift Nr. 447: Zu den Abschrei-
bungsverschlechterungen durch das Un-
ternehmensteuerreformgesetz 2008 –
Abschaffung der degressiven AfA und
Einschra¨nkung der Sofortabschreibbar-
keit geringwertiger Wirtschaftsgu¨ter
(2007)
– IFSt-Schrift Nr. 442: Zur steuerrecht-
lichen Anerkennung von Ru¨ckstellungen
fu¨r Dienstjubila¨en (2007)
– IFSt-Schrift Nr. 424: Bilanzierung nach
IAS/IFRS und Besteuerung (2005)
– IFSt-Schrift Nr. 414: Verdeckte Gewinn-
ausschu¨ttung und Halbeinku¨nfteverfah-
ren – Verfahrensrechtliche Fallstricke fu¨r
die Ausschu¨ttungsempfa¨nger (2004)
– IFSt-Schrift Nr. 411: Versorgungszusa-
gen fu¨r Gesellschafter von Personen-
gesellschaften – Sofortige oder auf-
geschobene Versteuerung durch die Ge-
sellschafter? (2003)
– IFSt-Schrift Nr. 387: Grundsa¨tze ord-
nungsma¨ßiger Bilanzierung – interna-
tional betrachtet (2000)
Insbesondere interessierte sie sich hier fu¨r
die Interaktion von Bilanzrecht und Steuer-
recht. Sehr kritisch sah sie Aufweichungs-
tendenzen bei der deutschen Gewinnermitt-
lung infolge des Vordringens angelsa¨ch-
sischer Bilanzierungsvorstellungen, wie sie
in den Internationalen Rechnungslegungs-
grundsa¨tzen (IFRS) ihren Niederschlag ge-
funden haben. 2006 erschien daru¨ber
hinaus in 2. Auflage ihr Buch „Immaterielle
Wirtschaftsgu¨ter im Handels- und Steuer-
recht: Bilanzierung, Bewertung, Sonder-
fa¨lle“. Resu¨mierend la¨sst sich sagen, dass
Ursula Niemann
ein beachtliches wissen-
schaftliches Werk hinterlassen hat, das sich
durch klare, einfache Sprache, solide Argu-
mentation, Konzentration auf das Wesent-
liche und starke Praxisorientiertheit aus-
zeichnet.
Das Institut wird
Ursula Niemann
ein
ehrendes Gedenken bewahren.
Prof. Dr. Johanna Hey,
Dr. Horst-Dieter Ho¨ppner,
Dr. Adalbert Uelner,
Dr. Ludolf v. Wartenberg,
Berthold Welling,
Arnold Willemsen
und das gesamte heutige Team
des Instituts Finanzen und Steuern, Berlin
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DB0594278
StB Dr. Dr. Ursula Niemann
DER BETRIEB | Nr. 23 | 7. 6. 2013
Gastkommentar
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