DER BETRIEB | Nr. 23 | 07. 06. 2013
M 10
. Consulting
Nachhaltigkeit und Innovation in der
Beratung: Pflichtprogramm, Chance oder
Weg von morgen?
Als der Club of Rome 1974 erstmals öffent-
lich über die Grenzen des Wachstums und
den damit verbundenen Zwang zum nach-
haltigen Wirtschaften mit den Ressour-
cen unseres Planeten von sich reden mach-
te, warenNachhaltigkeit undUmweltschutz
noch keine Themen mit breiter Akzeptanz
in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Seit
rund 10 Jahren ist aber eine komplett an-
dere Entwicklung zu beobachten – diese
Thematik ist der Nische längst entwachsen
und gewinnt rund umden Globus an Bedeu-
tung. Dies belegen ganz aktuell die vor we-
nigen Tagen vorgelegten neuen Guidelines
der Global Reporting Initiative (GRI G4).
Nachhaltigkeit ist in der Wirtschaft an-
gekommen: Es gibt kaum ein Unternehmen,
welches sich nicht mehr oder weniger zu
ausgewogener Nachhaltigkeit in ökonomi-
scher, ökologischer und sozialer Hinsicht
bekennt. Oft aber bleibt die Herausforde-
rung, den schönen Worten Taten folgen zu
lassen.
Fortschritt durch Nachhaltigkeit und
Innovation
Dies fällt vor allem in einem Bereich auf, der
gerne mit Grenzenlosigkeit und unlimitier-
ter Kreativität, jedoch weniger häufig mit
gerichteten Vorgaben in Verbindung ge-
bracht wird: Innovation. Doch gerade in der
Verbindung von Nachhaltigkeit und Innova-
tion liegt das Lösungspotenzial für die He-
rausforderungen von morgen – ein Schatz,
den es zu heben gilt, um die exponentiell
steigenden Wohlstandserwartungen einer
weiter wachsenden und wohlhabenderen
Bevölkerung bei zunehmender Ressourcen-
verknappung angemessen zu adressieren.
Die Erkenntnis, dass die Antworten auf die
Probleme von morgen in der Technik und
nicht im Rückschritt zu suchen sind, verbrei-
tet sich zusehends. Das Bevölkerungs- und
Wohlstandswachstum in den Schwellenlän-
dern zwingt uns alle zu einem Umdenken –
die Aufgabe lautet: Fortschritt durch Nach-
haltigkeit und Innovation statt Rückschritt
durch Beschneidung.
Auch in der Welt der Beratungsfirmen
steht dieses Thema schon seit längerem auf
der Agenda. Denn sie erleben bei ihren Kun-
den tagtäglich, dass zwar nach wie vor Kos-
tensenkungsprogramme und die Entwick-
lung von Zukunftsstrategien nachgefragt
werden, dass aber viele Kunden zumindest
auch auf der Suche nach technischen Lösun-
gen für konkrete Probleme sind.
Praxisbeispiele: Herausforderungen
für die Automobilbranche …
Dies lässt sich an demBeispiel „Flottenemis-
sionen im Automobilbau“ gut veranschauli-
chen: Dieses Thema ist von politischer Seite
gesetzt, bis 2020 sollen die Flotten der Her-
steller bestimmte Emissionsgrenzen ein-
halten. Die politische Vorgabe ist an dieser
Stelle zugleich die technische Vision und
Herausforderung. Wie können die Herstel-
ler es bei einem parallel scheinbar unauf-
haltsam steigenden Absatz von sog. SUVs
dennoch schaffen, die Flottenverbräuche
zu senken? Der Kern der Aufgabe beinhaltet
sowohl eine technische wie eine innovative
Fragestellung:
• technisch, weil es sich darum handelt,
akut die Verbräuche zu senken,
• innovativ, weil es darauf ankommt, neue
Ansätze zu finden, die sich rund um das
Thema Mobilität drehen und weniger um
das konkrete Fahrzeug.
… und im Flugzeugbau
Ein ähnliches Beispiel lässt sich auch im
Flugzeugbau finden. Was passiert eigent-
lich, wenn sich bis 2050 die Zahl der Passa-
giere pro Tag rund um den Globus verdop-
pelt haben wird? Wie werden die Flughäfen
der Zukunft aussehen, wie die Flugzeuge
und welche Alternativen können wir entwi-
ckeln? Beratung muss an dieser Stelle visio-
när und konkret zugleich sein. Wer hier Kon-
zepte und Strategien anbietet, muss auch in
der Lage sein, sie technisch zu entwickeln,
um Glaubwürdigkeit bei Auftraggebern zu
erzielen.
Ganzheitliche Lösungen …
Die Ausführungen zeigen aber auch, dass man
sich auf der Suche nach Lösungen nicht nur
von der rein produktbezogenen Seite her nä-
hern darf. Vielmehr zeigt erst der Blick „hin-
„Die Aufgabe lautet: Fortschritt durch Nachhaltigkeit und
Innovation statt Rückschritt durch Beschneidung.“