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Jahresbericht 2014

Ärztekammer

Nordrhein

Kammerversammlung

Gute Qualität nachhaltig fördern

ohne Bürokratieexzesse

Die Kammerversammlung begrüßt die Absicht der neuen

Bundesregierung, Qualität ins Zentrum ihrer Gesund-

heitspolitik zu stellen. Ärztinnen und Ärzte leiden seit

Langem darunter, dass im Gesundheitswesen zu oft

Markt und Ökonomie die Frage nach der bestmöglichen

Patientenversorgung überlagern.

Das Bemühen um Qualität darf jedoch nicht zu einer

Bürokratie führen, die der eigentlichen Patientenver-

sorgung noch mehr Zeit und Ressourcen entzieht. Neue

Institutionen und der Aufbau weiterer Dokumenta-

tions- und Nachweispflichten müssen deswegen vorab

sehr kritisch auf ihren tatsächlichen Nutzen für eine

Verbesserung der Versorgung geprüft werden.

Denn Qualität lebt nicht zuerst von Bürokratie und Kon-

trollen, sondern vielmehr von guten Voraussetzungen

für ärztliches und pflegerisches Handeln. Aus diesem

Grund kommt es besonders auf eine ausreichende per-

sonelle Ausstattung mit gut qualifizierten Ärztinnen und

Ärzten sowie Pflegekräften an. Die Ankündigung des

Koalitionsvertrages auf Bundesebene, Personalkosten

künftig in ausreichender Höhe und Gewichtung in der

DRG-Kalkulation zu berücksichtigen, muss deswegen

zügig Realität werden.

Schon heute müssen Krankenhäuser und Arztpraxen

in vielen Bereichen aufwändige Qualitätsnachweise

erbringen, um bestimmte Vergütungen im DRG- oder

EBM-System zu erhalten. Dort, wo es die bestehenden

Rahmenbedingungen für versorgungsnotwendige

Krankenhäusern oder Arztpraxen schwer machen, Qua-

litätsanforderungen zu erfüllen, darf es nicht zu einer

weiteren Verschärfung, z.B. über Pay-for-Performance-

Ansätze, kommen.

Stattdessen sind Krankenhäuser und Arztpraxen

finanziell so auszustatten, dass sie ihrem Versorgungs-

auftrag mit guter Qualität nachkommen können. Die im

Koalitionsvertrag auf Bundesebene formulierten Absich-

ten zu Sicherstellungszuschlägen und zur Finanzierung

von Vorhaltekosten sind deswegen zu begrüßen und

zügig umzusetzen.

Motivieren statt frustrieren – gute Rahmen-

bedingungen für den ärztlichen Nachwuchs

Die Kammerversammlung tritt entschieden allen

Versuchen von Seiten der gesetzlichen Krankenkassen

entgegen, die engagierte Arbeit der Beschäftigten im

Gesundheitswesen öffentlich schlechtzureden.

Wer mit veralteten Hochrechnungen über Behandlungs-

fehler Ängste schürt oder versucht, die Nachwuchspro-

bleme in der ärztlichen Versorgung schlicht zu leugnen,

schadet dem solidarischen Gesundheitswesen in

Deutschland und konterkariert die Bemühungen vieler

Beteiligter, junge Ärztinnen und Ärzte für eine langfris-

tige Tätigkeit in der Patientenversorgung zu gewinnen.

Der ärztliche Nachwuchs darf jedoch nicht frustriert,

sondern soll im Gegenteil motiviert werden. Dies wird

nur über eine nachhaltige Verbesserung der Rahmen-

bedingungen für die ärztliche Tätigkeit in Klinik und

Praxis gelingen.

Dabei muss den veränderten Erwartungen junger

Ärztinnen und Ärzte an die berufliche Tätigkeit und an

die Vereinbarkeit mit dem Privatleben und der Familie

Rechnung getragen werden. Neue Kinderbetreuungs-

und flexible Arbeitszeitmodelle, die zum Teil bereits

erprobt sind, müssen flächendeckend durchgesetzt

werden. Außerdem muss das Thema „Bürokratieabbau“

im Gesundheitswesen endlich ernsthaft angegangen

werden. Die Kammerversammlung begrüßt dazu das

„Arztpraxenprojekt“ des Nationalen Normenkontroll-

rates.

Die Kammerversammlung fordert Politik und Selbst-

verwaltung auf, Rahmenbedingungen für die ärztliche

Tätigkeit herzustellen, die es jungen Ärztinnen und

Ärzten leicht machen, sich auch mit Familie in der

Patientenversorgung zu engagieren.

Hilfe zum Leben – Sterben in Würde

1. Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein

bittet die Abgeordneten des Deutschen Bundestages,

jede Form der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung

unter Strafe zu stellen.

2. Die Kammerversammlung bekräftigt angesichts

der seit Jahresbeginn intensiv geführten öffentlichen

Debatte über Sterbehilfe, dass Ärztinnen und Ärzte aus

berufsethischen Gründen nicht an Selbsttötungen mit-

wirken und schon gar nicht dazu gesetzlich verpflichtet

werden dürfen.

Arzneimitteltherapiesicherheit

Die Kammerversammlung betont die Bedeutung der

Arzneimitteltherapiesicherheit für eine gute und

sichere gesundheitliche Versorgung von Patientinnen

und Patienten, wie dies in der Entschließung der 21.

Landesgesundheitskonferenz von Nordrhein-Westfalen

zum Ausdruck kommt. Ärztinnen und Ärzte nehmen ihre

Verantwortung hinsichtlich Indikationsstellung, Verord-

nung und Überprüfung der Medikation im informierten

Einverständnis mit dem Patienten wahr. Mit dem Ziel ei-

ner umfassenden Arzneimitteltherapiesicherheit suchen

Ärztinnen und Ärzte die Kooperation mit Apothekern,

Pflegekräften, Angehörigen und engagieren sich für

eine „Sicherheitskultur“, wie sie beispielhaft im Projekt

„CIRS NRW“ verwirklicht wird. Im Mittelpunkt aller

Bemühungen müssen die Patientinnen und Patienten

selbst stehen. Sie sind in die Lage zu versetzen, ihre

Medikation zu kennen und Änderungen nachvollziehen

zu können. Dazu trägt der „Medikationsplan NRW“ bei,

den die Ärztekammern in Nordrhein-Westfalen in Ab-

sprache mit der Arzneimittelkommission der Deutschen

Ärzteschaft erproben werden. Als Hindernis für die

Bemühungen vieler Beteiligter, eine sichere und für den

Patienten transparente Arzneimitteltherapie zu realisie-

ren, sieht die Kammerversammlung die Rabattvertrags-

regelungen der Gesetzlichen Krankenkassen. Den von

den Kassen angegebenen unmittelbaren Einsparungen

durch Rabattverträge steht die tagtägliche und auch

durch Studien untermauerte Erfahrung von Ärztinnen

und Ärzten gegenüber, dass Rabattverträge zur Verun-

sicherung von Patientinnen und Patienten, zu Einnah-

meproblemen, Therapieabbrüchen und Lieferengpässen

führen können. Daraus resultieren nicht nur Kosten im

Gesundheitswesen, die den angegebenen Einsparungen

durch die Rabatte gegenüberzustellen sind, sondern vor

allem auch Risiken für die Arzneimitteltherapiesicher-

heit, gerade bei älteren Patientinnen und Patienten. Die

Kammerversammlung begrüßt vor diesem Hintergrund

die im Koalitionsvertrag auf Bundesebene formulierte

Absicht, die Rabattvertragsregelungen zur Vermeidung

von Lieferengpässen und mit Blick auf medizinisch ge-

botene Austauschverbote (Substitutionsliste) zu ändern.

Die Kammerversammlung fordert die Bundesregierung

auf, darüber hinaus auch die Rabattvertragsregelun-

gen insgesamt kritisch zu überprüfen und dabei den

Gesichtspunkten der Patientenautonomie und der

Arzneimitteltherapiesicherheit besondere Aufmerk-

samkeit zu widmen.

Forderung nach gleichen Wettbewerbs-

bedingungen zwischen niedergelassenen

Ärzten und Medizinischen Versorgungszent-

ren unter der Leitung von Krankenhäusern

Der Gesetzgeber wird aufgefordert, für gleiche und faire

Wettbewerbsbedingungen zwischen selbstständigen

Vertragsärzten und von Kliniken geführten Medizini-

schen Versorgungszentren (MVZ) Sorge zu tragen. Es

muss sichergestellt sein, dass von Kliniken betriebene

MVZ sich allein auf Grundlage dort durchgeführter

ambulanter Behandlungen wirtschaftlich tragen.

Eine Subventionierung von MVZs durch Gewinne aus

stationärer Behandlung ist abzulehnen.

Die Notwendigkeit dieser Forderung ergibt sich

⋅ aus Gründen fairer Chancengleichheit verschiedener

Versorgungsstrukturen und -anbieter untereinander

⋅ aufgrund eines ordnungspolitischen allgemeinen

Interesses an einer wirtschaftlich sinnvollen und

effizienten Versorgung

⋅ daraus, dass MVZ nicht primär als Ein- oder Zuweiser-

portale für Kliniken besonders von Gesundheits-

konzernen fungieren, sondern tatsächlich einer

Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung dienen

sollen.  

Gute Rahmenbedingungen für die Ärzte

in Klinik und Praxis

Ärztliche Autonomie und die Einhaltung ethischer

Standards sind Grundvoraussetzung der ärztlichen

Tätigkeit in Klinik und Praxis. Eine humane Patienten-

versorgung setzt eine freie und unabhängige Arzt-

Patientenbeziehung voraus. Die ärztliche Autonomie

wird in Klinik und Praxis zunehmend beschnitten.

Damit wird die Rolle des Arztes als unabhängiger

Anwalt seiner Patienten in Frage gestellt. Entfrem-

dung vom ärztlichen Selbstverständnis und berufliche

Unzufriedenheit sind die Folgen. Zum Erhalt der

Autonomie gehört wesentlich, dass die Voraussetzung

für eine ausreichende Wirtschaftlichkeit ärztlicher

Arbeit in Klinik und Praxis gesichert sein muss. Zu den

notwendigen Rahmenbedingungen gehört ebenso eine

bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und eigener

Gesundheit der Ärztin/des Arztes. Die Kammerversamm-

lung fordert Politik und Selbstverwaltung auf, diese

Rahmenbedingungen zu garantieren. Sie fordert, sich

aktiv gegen Fremdbestimmung der ärztlichen Arbeit in

Klinik und Praxis einzusetzen und die finanzielle Basis

für freiberuflich tätige Ärzte zu erhalten bzw. wieder-

herzustellen. Sie fordert die Vereinbarkeit von Beruf

und Familie und sie fordert, die Arbeitsbedingungen in

der Klinik und die Voraussetzungen für die Arbeit in der

freien Praxis so zu gestalten, dass die körperliche und

seelische Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten selbst

nicht gefährdet wird.

Entschließungen der Kammerversammlung