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Gutachtliche Entscheidungen

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Jahr für Jahr werden in Praxen und Krankenhäusern Millio-

nen von Gewebeproben entnommen und zur Diagnostik in

Instituten für Pathologie histologisch untersucht. Der Ver-

dacht einer Probenverwechselung entsteht häufig erst dann,

wenn der histologische Befund in einem unerklärlichenWi-

derspruch zu anderen bereits vorliegenden Befunden steht.

Auch wenn feststeht, dass Proben vertauscht worden sind,

ist häufig schwierig zu klären, wem der Fehler anzulasten

ist: den Ärzten, die die Probe entnommen oder denen, die sie

histologisch untersucht haben? Dies kann für die Patienten,

die durch die Verwechselung einen Gesundheitsschaden er-

litten haben, nicht einerlei sein, denn sie tragen grundsätz-

lich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines

Behandlungsfehlers eines bestimmten Arztes.

Die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler

hatte sich vor Kurzem mit einem Fall zu befassen, der Pro-

bleme aufzeigt, die bei der Verwechselung einer Gewebe-

probe entstehen können.

Der Sachverhalt

Bei der 35-jährigen Antragstellerin, bei der eine familiäre

Karzinombelastung durch Erkrankung mehrerer näherer

Verwandten vorlag, fiel bei ausgeprägter dichter Mastopathie

beider Brüste bei einer Kontrolluntersuchung mammasono-

graphisch rechtsseitig eine unscharf begrenzte Raumforde-

rung unklarer Dignität auf. Der Leiter der Abteilung für Se-

nologie des Brustzentrums an der belasteten Klinik führte

zur weiteren Abklärung des Befundes eine Jet-Biopsie

durch. Das erste Befundergebnis der von der Klinik beauf-

tragten niedergelassenen Pathologen sprach in der Zusam-

menfassung von zweifelhaften Veränderungen des Drüsen-

körpers, die eine immunhistochemische Zusatzuntersu-

chung erforderlich machten. Im Zusatzbefund nach dieser

Untersuchung wurde festgestellt, dass es sich um ein duk-

tales Carcinoma in situ vom Intermediärtyp (G 2) handele;

ein invasives Karzinom wurde nicht nachgewiesen.

Bei verschiedenen Staging-Untersuchungen konnten Meta-

stasen ausgeschlossen werden. Die Magnetresonanztomo-

graphie ergab keinen Hinweis für einen bösartigen Befund,

wobei der sonographisch gestanzte Befund eines duktalen

Carcinoma in situ kernspintomographisch nur unbefriedi-

gend beurteilbar war. Es zeigte sich lediglich in der rechten

Axilla ein etwa 1 cm im Durchmesser großer, nicht unbe-

dingt verdächtiger Lymphknoten. Die weiteren Staging-Un-

tersuchungen ergaben keinen auffälligen Befund.

Nach stereotaktischer Sonolokalisation und Drahtmarkie-

rung des Befundes folgte die Segmentresektion und Tumor-

exstirpation rechts oben und außen einschließlich der Sen-

tinel-Lymphknotenentfernung. Der Schnellschnitt des

Lymphknotens ergab keine Auffälligkeiten.Nach dem histo-

pathologischen Befundbericht fanden sich in dem Material

gutartige Veränderungen von Fibrose und Adenose;Hinwei-

se für das Vorliegen eines invasiven oder nicht invasiven

Karzinoms ergaben sich nicht. Nach erneuter Durchsicht

rieten die Pathologen zu einer Nachresektion, da davon aus-

gegangen werden müsse, dass die Gewebeentnahme den

verdächtigen Bezirk nicht erfasst habe.

Ehe es zu der Nachresektion kam, bemerkten die Patholo-

gen, dass das bei einer anderen Patientin entnommene Ma-

terial ein mit dem Präparat aus der Jet-Biopsie der Antrag-

stellerin weitgehend identisches duktales Carcinoma in situ

zeigte.Auch das Gewebe in der Stanzbiopsie der anderen Pa-

tienten, das die Folgenummer des Präparates der Antragstel-

lerin trug, passte zu dem histologischen Bild des Gewebes,

das der Antragstellerin bei dem operativen Eingriff entnom-

men worden war.Damit stand fest, dass es zu einerVerwech-

selung der Präparate gekommen war.

Sowohl der Klinikarzt als auch die von der Antragstellerin

ebenfalls belasteten Pathologen räumten die Verwechselung

ein, jedoch erklärten beide Seiten, keine Anhaltspunkte für

ein konkretes Fehlverhalten in ihrem Zuständigkeitsbereich

erkennen zu können. Der Klinikarzt schilderte detailliert

den Arbeitsablauf bei der Jet-Biopsie und erklärte nach Be-

fragen der beteiligten Mitarbeiter, dass eine korrekte Zuord-

nung von Befund und Patientin erfolgt sei. Die Pathologen

versicherten, dass das Material regulär beschriftet und num-

meriert worden

sei.Da

die Probengefäße bereits vor der Ent-

deckung der Verwechselung entsorgt worden seien, könne

nicht mehr nachvollzogen werden, wo der Fehler begangen

worden sei. Es könne jedenfalls nicht ausgeschlossen wer-

den, dass die Präparate bereits vor dem Eintreffen in der Pa-

thologie verwechselt worden seien.

Gutachtlicher Bescheid

Das für die Bearbeitung der ärztlich-medizinischen Fragen

zuständige Stellvertretende Geschäftsführende Kommis-

sionsmitglied kam in seinem gutachtlichen Bescheid, der

unter Beteiligung des mit der Überprüfung in rechtlicher

Hinsicht befassten Stellvertretenden Vorsitzenden der Gut-

achterkommission erstellt worden ist, zu der folgenden Be-

urteilung des Sachverhalts:

Bei der Risikokonstellation der Patientin und der wegen des

mastopathisch veränderten dichten Drüsenkörpers einge-

schränkten Aussagekraft von Tastbefund und Mammogra-

phie sei die regelmäßige sonographische Kontrolle der Brust

notwendig gewesen.Wegen der hierbei bemerkten Verände-

rungen sei zur weiteren Abklärung die mikroinvasive Dia-

gnostik durch eine Jet-Biopsie indiziert gewesen. Der Ein-

griff sei qualitätsgesichert unter sonographischer Kontrolle

in nicht zu beanstandenderWeise durchgeführt worden.Als

die feingewebliche Untersuchung zunächst eine atypische

Epithelproliferation und nach immunhistochemischer Un-

tersuchung die Diagnose eines Carcinoma in situ ductale er-

geben habe, habe eine Gewebeveränderung vorgelegen, aus

der sich ein Karzinom entwickele. Eine weiterführende Dia-

gnostik und Behandlung sei unumgänglich gewesen. Ent-

sprechend den derzeitigen Richtlinien der operativen Be-

handlung prämaligner bzw. maligner Veränderungen der

Die vertauschte Gewebeprobe

Mammatumorexstirpation und Lymphknotenentfernung ohne medizinischen Grund