

sätzlich nur wirksam, wenn der Patient in einem Gespräch
mit demArzt rechtzeitig, umfassend und verständlich aufge-
klärt wird. Da der Arzt hierfür die Beweislast trägt, ist er gut
beraten, wenn er die wesentlichen Inhalte des Aufklärungs-
gesprächs dokumentiert.
Eine Aufklärungsrüge wurde gegen 13,7 Prozent der insge-
samt 8.194 in allen Verfahren in Anspruch genommenen
Ärzte erhoben. Aufklärungsversäumnisse – vielfach auf-
grund fehlender oder unzureichender Dokumentation – fan-
den sich bei 2,9 Prozent der Ärzte, darunter in 1,4 Prozent
bei ansonsten sachgerechter Behandlung.
Sicherungsaufklärung
Die Pflicht zur Sicherungsaufklärung, das heißt die thera-
peutisch gebotene Pflicht zur Gefahrenabwehr, erstreckt
sich auch auf die Mitteilung der erhobenen Befunde und die
nunmehr gebotene Therapie an den Patienten und den wei-
terbehandelnden Arzt, die resultierenden Folgen für die
weitere Lebensführung des Patienten und auf die Sicher-
stellung der Verhaltensmaßregeln und möglichen Folgen
der Untersuchung für die Zeit nach der Entlassung des Pa-
tienten [2].
Lehnt ein Patient eine dringend gebotene Therapie ab, muss
der Arzt gegebenenfalls auch drastisch „bis zum Eklat“
intervenieren und ihm einen drohenden Gesundheitsscha-
den deutlich vor Augen führen [3].
Von einem Organisationsmangel ist beispielweise auszuge-
hen, wenn pathologische Blutzuckerwerte bei Erstmanifes-
tation eines Diabetes mellitus unbeachtet „zu den Akten“ ge-
legt werden.
Dokumentationspflichten
Der Arzt ist vertraglich zu Aufzeichnungen über den Be-
handlungsablauf – zur Therapiesicherung und Erfüllung
der Rechenschaftspflicht gegenüber dem Patienten – ver-
pflichtet. Verletzungen dieser Pflicht sind – von Ausnahmen
abgesehen – zwar keine Behandlungsfehler, können aber
dafür sprechen, dass ärztliche Maßnahmen unterblieben
oder nicht fachgerecht ausgeführt worden sind. Eine sorg-
fältige, im Begutachtungsfall auch für andere Ärzte nach-
vollziehbare Dokumentation schützt denArzt vor unberech-
tigt gestellten Ansprüchen. In der Rechtsprechung gilt der
Grundsatz, dass der ordnungsgemäßen zeitnahen Doku-
mentation so lange Glauben zu schenken ist, bis das Gegen-
teil bewiesen wurde [2,7].
Beweiserleichterungen wurden beispielsweise bei einer in
4-5 Sitzungen erfolgten Laserung einer Laientätowierung
zugestanden, für die weder die Anzahl, Art und Weise noch
die jeweilige Impulsstärke dokumentiert waren.
Organisationsfehler und Behandlungsfehler
Inaugenscheinnahme
Der Patient, insbesondere in einer von ihm geschilderten
„Notsituation“, hat ein Anrecht darauf, in angemessener
Zeit ärztlich untersucht zu werden. Kann dies nicht oder
nicht ausreichend gewährleistet werden, so ist – entspre-
chend dem klinischen Befund – eine Verlegung oder Über-
weisung zu veranlassen.
Delegierbare Behandlungen bedürfen der Untersuchung
und Indikationsstellung durch den Arzt und dürfen nicht –
insbesondere nicht „auf Verlangen“ der Patienten – eigen-
mächtig durch das Hilfspersonal erbracht werden, beispiels-
weise Schmerzmittelinjektionen [5].
Eine zeitgerechte ärztliche Untersuchung versäumt zu ha-
ben wurde gegenüber 38 Ärzten festgestellt: Trotz Indikati-
on wurden Hausbesuche oder Einbestellungen nach telefo-
nischer Besprechung unterlassen. Telefonische Erstver-
schreibungen erfolgten an unbekannte Patienten und Folge-
rezepte wurden ohne erneute Prüfung der Indikation aus-
gehändigt, so beispielsweise über 17 Monate bei einer über
der Cushingschwelle liegenden Steroidtherapie.
Auf einer Intensivstation erfolgte die erste ärztliche Unter-
suchung erst nach 2 Stunden wegen „Schichtwechsels“. Ein
Notfallpatient wurde wegen „Bettenmangels“ verlegt, ohne
dass er von einem Arzt gesehen worden war.
Missachten von Befunden
Wegweisende (Vor)-Befunde unberücksichtigt gelassen zu
haben, wurde in 32 Verfahren als Behandlungsfehler bewer-
tet, weil zum Beispiel
Medikamente trotz bekannter Unverträglichkeit verab-
reicht wurden,
technisch unzureichende Röntgenaufnahmen mit
fehlender Beurteilbarkeit zur Grundlage von Therapie-
entscheidungen gemacht wurden,
eine Notfallappendektomie ohne Abwarten des Notfall-
labors erfolgte, das eine akute Pankreatitis aufdeckte
oder
Gutachtliche Entscheidungen
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Anhang – Organisationsfehler in Klinik und Praxis
Tabelle 2: Hinweise auf Organisationsfehler
Zeitraum 1.1.2003–31.12.2007
n
Anteil in
% v. n
Verfahren mit vorwerfbaren
Behandlungsfehlern
2.234 100,00
mit Hinweis auf Organisationsfehler
239 10,70
davon*
Unzulässige Delegation ärztlicher Leistungen 1
0,04
Keine Inaugenscheinnahme des Patienten 38
1,70
Missachten maßgeblicher Befunde
32
1,43
Unterlassung indizierter Maßnahmen
15
0,67
Arbeitsteilung und Kommunikation
35
1,57
Übernahmeverschulden
6
0,27
Überwachungsmangel
24
1,07
Voll beherrschbares Risiko
88
3,94
Fehlende Sicherungsaufklärung
103 4,61
Dokumentationsversäumnisse
145 6,49
* Benennung eines Fehlers pro Verfahren