

Fehlerbedingte Ureterläsionen bei Operationen im kleinen Becken
Gutachtliche Entscheidungen
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im Operationsbericht zu erwähnen. Hierzu finden sich im
Operationsbericht keinerlei Angaben. Zwarwäre es nicht er-
forderlich gewesen, eine „völlige routinemäßige“ Freilegung
der Ureteren in der kritischen Kreuzungszone mit den ute-
rinen Blutgefäßen vorzunehmen und zu beschreiben, aber
zumindest anhand der meist besser einsehbaren iliakalen
Ureterabschnitte den weiteren Ureterverlauf nach distal
darzustellen. Dies wurde nicht beschrieben. Vielmehr wur-
de im Bericht eine „bipolare Koagulation über eine lange
Strecke für beide Seiten“ erwähnt, wobei gerade eine lang-
streckige Koagulation ein erhöhtes Schädigungsrisiko für
den Ureter darstellt. Damit wurde die in der
AWMF-DGGG-
Leitlinie
vorgesehene erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich
des Verlaufs der Ureteren bei komplizierten anatomischen
Bedingungen im weiblichen kleinen Becken nicht berück-
sichtigt [1].
Bei der Koagulation muss es angesichts der geförderten Flüs-
sigkeitsmengen aus der Robinson-Drainage zu einer thermi-
schen Lumeneröffnung gekommen sein. Bei einer zunächst
thermischen Ischämie mit einer späteren Nekrose wäre die
über die Drainage abgeleitete Harnfistel mit zeitlicher Ver-
zögerung aufgetreten. Tatsächlich wurde bei der operativen
Revision eine komplette Durchtrennung des rechten Harn-
leiters angetroffen. Angesichts der erheblichen Menge der
durch die Robinson-Drainage geförderten Flüssigkeit hätte
frühzeitiger an eine Ureterleckage gedacht werden müssen.
Größere postoperative Flüssigkeitsabgänge über eine intra-
abdominal eingelegte Drainage sind nach einer unkompli-
zierten Adhäsiolyse und Hysterektomie unwahrscheinlich.
Sie können allenfalls nach einer Lymphonodektomie bei
maligner Erkrankung auftreten und die Differenzialdiagno-
se von einem Urinabgang aus einem lumeneröffneten Ure-
ter erschweren.
Gutachterliche Beurteilung
Unter den erheblich erschwerten topographischen Bedin-
gungen war die Durchführung der Hysterektomie ohne ein-
gehende Rücksichtnahme auf eine soweit wie mögliche
Schonung beider Ureter fehlerhaft [1]. Darüber hinaus hätte
die ungewöhnlich große Flüssigkeitsmenge, die postopera-
tiv über die intraabdominal eingelegte Robinson-Drainage
gefördert wurde, frühzeitig den Verdacht auf das Vorliegen
einer Ureterverletzung lenken müssen. Der Patientin sind
somit vermeidbare Schäden durch postoperative Beschwer-
den, die erforderliche Revisionsoperation und eine in den
Unterlagen nicht abschließend beurteilbare verbliebene
„Ausscheidungsstörung der rechten Niere“ entstanden.
Die von dem zugezogenen Urologen bei dem Revisions-
eingriff am siebten postoperativen Tag vorgenommene so-
fortige Rekonstruktion des rechten Harnleiters durch eine
rückflussverhindernde Einpflanzung in die zum Psoasmus-
kel gezipfelte und dort fixierte Harnblase war das geeignete
Verfahren. Es wurde fachgerecht und erfolgreich durchge-
führt.
Hans Georg Bender, Volkmar Lent und Beate Weber
Literatur
[
1
]
Leitlinie der AWMF-DGGG 015/061:
Operationsbedingte Verletzungen des Ureters in Gynäkologie
und Geburtshilfe.
[
2
]
Lent V, Baumbusch F, Weber B, Laaser M: Konstanz und Wandel
von Behandlungsfehlern in der Urologie.
Urologe 2007 (47): 195–199
[
3
]
Lent V, Beck L, Baumbusch F, Weber B, Laaser M.:
Behandlungsfehler an den Harnorganen bei Eingriffen in der
Gynäkologie. Gynäkologe 2009 (42): 223–228
[
4
]
Methfessel HD, Petri E, Neu J: Ureterläsionen bei
gynäkologischen Eingriffen. Unverschuldete Komplikation
oder haftungsbegründender Fehler?
Gynäkologe 2014 (47): 44–58
[
4
]
Smentkowski U.: Ein aktueller Fall aus der Gutachter-
kommission macht die Haftung der Ärzte bei einer inter-
disziplinären Behandlung deutlich.
Chefarzt aktuell 2015 (4): 75–76