

Wenn auch im Begutachtungsverfahren die Hintergründe,
die zum Behandlungsfehler geführt haben, meist ungeklärt
bleiben, ergeben sich in etwa 11 Prozent der zu Ungunsten
der Ärzte entschiedenen Verfahren für den Gutachter doch
Hinweise darauf, dass Organisationsfehler zumindest eine
Teilursache darstellten.
Solche Abläufe, die eine mangelhafte Organisation vermuten
lassen, können zum Beispiel darin gesehen werden,
dass der Patient ärztlich nicht gesehen wird,
dass für die weitere Behandlung maßgebliche Befunde
nicht zur Kenntnis genommen werden, oder
dass indizierte Maßnahmen versäumt wurden.
Auch Kommunikationsstörungen bei der Arbeitsteilung
können als unzureichende Ablauforganisation bewertet
werden, wenn zum Beispiel eine ambulant nach einem
Sturz durch ein anderes Krankenhaus zur Weiterbehand-
lung überwiesene ältere Patientin einen Nachmittag lang
zwischen drei Abteilungen hin- und hergeschickt wird, oh-
ne dass die Zuständigkeit geklärt ist.
Ebenso können Versäumnisse bei voll beherrschbaren Risi-
ken, wie beispielsweise belassene Fremdkörper infolge
mangelhafter Kontrolle oder Seitenverwechslungen auf Or-
ganisationsmängel zurückzuführen sein. Solche Fehler, die
durch einfache Methoden verhindert werden könnten, kom-
men auch heute noch vor, immerhin in 4 Prozent der Ver-
fahren mit bejahtem Fehler.
Der klinische Alltag mit den immer komplexer werdenden
apparativen Möglichkeiten in der Diagnostik und Therapie
erfordert
eine optimale Organisation der beteiligten Ärzte und
medizinischen Hilfspersonen sowie
eine gute Koordination und Kontrolle der Abläufe [1].
Ein Organisationsfehler besteht beispielsweise in derVerlet-
zung der Pflicht, zur rechten Zeit erforderliches Personal
oder sachliche Mittel verfügbar zu halten. Nach der Recht-
sprechung hat die Behandlungsseite die Diagnostik und
Therapie so zu gestalten, dass jede vermeidbare Gefährdung
des Patienten ausgeschlossen ist.
Sicherstellungspflichten betreffen auch
den hygienischen Standard,
die Vorhaltung der notwendigen Arzneimittel und
die ausreichende Risikoaufklärung des Patienten.
Auch Dokumentationsverstöße können als Organisations-
fehler bewertet werden [2, 4, 6].
Wie oft Fehler in der Organisation für die festgestellten Be-
handlungsfehler tatsächlich ursächlich waren, kann natur-
gemäß im schriftlich geführten Begutachtungsverfahren an-
hand der Krankenunterlagen des Patienten nicht immer fest-
gestellt werden. In den meisten Fällen bleiben die Struktu-
ren, die zu Behandlungsfehler geführt haben, dem Gutach-
ter verborgen, da er beispielsweise weder Zeugen befragen
kann noch Dienstpläne einsieht [2]. Auch sind erkennbare
Organisationsmängel nicht in jedem Fall vorwerfbare Fehler
und führen nicht immer zu einem Schaden des Patienten.
Statistische Grundlagen
Hinweise auf eine fehlerhafte Organisation als eine (Teil)-
Ursache eines vorwerfbaren Behandlungsfehlers wurden
bei der systematischen Suche in 239 von 2.234 in Nordrhein
mit der Feststellung von Behandlungsfehlern abgeschlosse-
nen Begutachtungsverfahren der Jahre 2003 bis 2007 er-
kennbar. Bezogen auf die Anzahl der jeweils festgestellten
Behandlungsfehler wurden bei Krankenhausärzten fast
doppelt so häufig, nämlich mit 13,4 gegenüber 7,4 Prozent,
organisatorische Fehler gefunden
(siehe
T
abelle 1 unten)
.
Weiterhin fehlte es in 103 Verfahren an einer Sicherungsauf-
klärung, darunter 23 Verfahren, in denen die Patienten vor
der Behandlung nicht ausreichend über Behandlungsalter-
nativen informiert worden waren. Die von der Behandlungs-
seite vorgelegte Dokumentation wurde in 145 Verfahren von
der Gutachterkommission gerügt
(siehe
T
abelle 2, Seite 239)
.
Aufklärung und Dokumentation
Risikoaufklärung
Von der Gutachterkommission wird auf Antrag des Patien-
ten geprüft, ob der Patient vollständig und richtig aufgeklärt
wurde [2]. Die Einwilligung in die Behandlung ist grund-
Tabelle 1: Abgeschlossene Begutachtungen der Gutachterkommission Nordrhein
Zeitraum 1.1.2003–31.12.2007
Gesamt
Fehler bejaht (BF)
n
Anteil in
n-bejaht
BF-Quote in
Hinweise auf
Anteil in
% v. n
% v. Sp. 2
Organisations- % v. n-bejaht
mängel
Gutachtliche Verfahren*
6.961
100,0
2.234
32,1
239
10,7
Anzahl der Ärzte
2
:
8.194
100,0
2.362
28,8
265
11,2
Krankenhausärzte
5.478
66,9
1.498
27,3
201
13,4
Niedergelassene Ärzte
2.716
33,1
864
31,8
64
7,4
* Gutachtliche Verfahren = Gutachtliche Bescheide (96 Prozent) oder Einstellungen nach Einholung eines einen Behandlungsfehler verneinenden Gutachtens
2
Ein Arzt pro Abteilung oder Gemeinschaftspraxis; Belegärzte werden den niedergelassenen Ärzten zugerechnet
238
Gutachtliche Entscheidungen
Organisationsfehler in Klinik und Praxis
Ordnungsgemäße und standardgerechte Organisation aller Untersuchungs- und
Behandlungsschritte sicherstellen