

können sich auch iatrogene Risikofaktoren infolge Auswahl
eines ungünstigen Punktionsortes durch mangelnde Erfah-
rung oder Sorgfalt, fehlende Fixierung auf Armschienen und
mangelnde Überwachungsmöglichkeit, zum Beispiel durch
zirkuläre Verbandanlage, ergeben.
Als fehlerhaft zu bewerten wäre es, wenn eine Infusion bei
nicht gesicherter intraluminärer Lage (Blutaspiration)
durchgeführt wird [4]. Auch Port-Nadeln können dislozie-
ren [3]. Die versäumte Kontrolle vor Infusionsbeginn ist ein
Behandlungsfehler. Um die Gefahr einer Paravasation ge-
ring zu halten, sollten Mehrfachpunktionen vermieden und
die Venen im Ablauf von distal nach proximal punktiert
werden [1].
Portanlage
Gerade wenn mehrere Zyklen geplant sind, sollte mit dem
Patienten über ein Portsystem nachgedacht werden. Die
Unterlassung wurde in einem Verfahren bei schlechtem
Venenstatus als fehlerhaft bewertet.
Paravasate können im Ellenbogenbereich eine erhebliche
Schädigung der armversorgenden Gefäße und Nerven und
des Ellenbogengelenks – unter Umständen mit der Folge
der Amputation der Extremität [2] – zur Folge haben, daher
sollten vorab andere Optionen geprüft werden (Dokumen-
tation).
Organisation
In Einzelfällen war festzustellen, dass Schwierigkeiten wie
die Verzögerung des Therapiebeginns nach Setzen des intra-
venösen Zugangs, die unüberwachte Langzeitgabe der In-
fusion (besonders nachts), Zeitdruck bei der Verabreichung,
übermüdetes Personal und Bolusinjektionen beziehungs-
weise die Anwendung von Infusionspumpen an Handrücken-
venen das Risiko einer Paravasation erhöht haben.
Die unzulässige Delegation der Infusion an Hilfspersonal,
die fehlerhafte Zytostatikareihenfolge, die fehlende Begleit-
infusion und die zu lange Infusionsdauer wurden von der
Gutachterkommission als Einzelfehler (Mehrfachnennung)
in den 11 Verfahren mit Behandlungsfehlern festgestellt.
Es wurde auch beanstandet, wenn die Beschwerden der Pa-
tienten nicht sofort ernst genommen (5-mal), die Infusion
trotz Beschwerden fortgeführt (3-mal) und eine Inaugen-
scheinnahme mit Befundniederlegung eines Arztes ver-
säumt wurde (3-mal).
Da die Prognose der Gewebeschädigung entscheidend von
der richtigen Akutbehandlung abhängt, ist im Zweifel eine
Paravasation anzunehmen und durch rasche und richtige
Sofortmaßnahmen entgegenzuwirken [3]. Dies unterlassen
zu haben, wurde 5-mal als Behandlungsfehler festgestellt.
Zeitgerecht muss ein chirurgisches Konsil veranlasst wer-
den.
Fehler bei anderen Substanzen
In zwei Fällen blieb nach intravenöser Verabreichung von
Kontrastmittel über eine Handrückenvene mittels Druck-
spritze die Zerreißung derVenenwand mit Paravasation und
nachfolgendem Kompartmentsyndrom unbemerkt. Trotz
Schwellung und Beschwerden wurde der Patient in einem
der beiden Fälle aus der Praxis entlassen.
Einmal war die unterlassene Röntgenkontrolle nach Anlage
eines Zentralvenenkatheters nach Paravasation für eine
Schädigung des Armplexus verantwortlich. Trotz für mög-
lich gehaltener Dislokation durch Manipulation des unruhi-
gen Patienten am Kathetersystem wurde die Kaliumchlorid-
infusion erst 4 Stunden später gestoppt. Nach nunmehr er-
folgter Röntgenkontrolle und mündlicher – im schriftlichen
Befund unerwähnter–Mitteilung der Dislokation wurde der
Zentralvenenkatheter erst am Folgetag aufgrund einer „Rö-
tung“ entfernt (Organisationsverschulden).
Unzulässig war 2-mal die Verabreichung von hochkonzen-
trierten Lösungen über periphere Handrückenvenen – ein-
mal trotz liegendem zentralen Venenkatheter. Bei Unruhe
und fortwährendem Schreien eines Neugeborenen über die
„halbe Nacht“ war die fehlende Inspektion der Infusions-
stelle – bei zirkulärer Verbandfixierung – über die Zeit der
5 Stunden währenden Infusion bei Gabe einer isotonen
5- prozentigen Glukoselösung als Behandlungsfehler zu
werten.
Dokumentation
Der zeitliche Ablauf sollte, wie auch die möglicherweise
paravenös in das Gewebe eingetretene Substanz sowie deren
Menge, nachvollziehbar dokumentiert werden. Hilfreich
sind Dokumentationsbögen [1].Verletzungen der Pflicht zur
Dokumentation des Behandlungsablaufs sind zwar in der
Regel keine Behandlungsfehler, können aber dafür spre-
chen, dass ärztliche Maßnahmen unterblieben oder nicht
fachgerecht ausgeführt wurden [5].
Beate Weber und Julius Schoenemann
Literatur
[
1
]
Mader R. et al., Paravasation von Zytostatika, 2. Auflage,
Springer-Verlag/ Wien 2006
[
2
]
Stoll, Schweiz Med Forum, Nr. 18, 30.April 2003, Seite 421–425
[
3
]
Hübner, Leitlinie Habichtswald-Klinik, 1/2005
[
4
]
Barth J, Kloke M, Paravasation bei Zytostatika,
Empfehlungen zur Behandlung, Uni-Essen, 2000
[
5
]
Laum HD, Smentkowski U, Ärztliche Behandlungsfehler –
Statut der Gutachterkommission, Kurzkommentar, 2. Auflage,
Seite 109–112, Deutscher Ärzte-Verlag 2006
Gutachtliche Entscheidungen
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Anhang – Paravasate sind immer Notfälle