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Die Gutachterkommission hatte wiederholt Sachverhalte zu

beurteilen, bei denen der embolische Verschluss eines Lun-

genarterienastes durch Thromben – zumeist aus Schenkel-

und Beckenvenen – nicht frühzeitig genug erkannt wurde.

Dabei wurden oft Symptome nicht ausreichend gewürdigt

und differenzialdiagnostische Überlegungen unterlassen.

Die Lungenembolie ist vor allem postoperativ und nach Ent-

bindungen eine der gefährlichsten Komplikationen.

Der Verschluss eines großen Gefäßastes kann rasch unter

Zyanose, Dyspnoe, Brustschmerzen, Kreislaufversagen zum

Tode führen. Kleinere Embolien rufen umschriebene Lun-

geninfarkte hervor mit den Symptomen unter anderem atem-

abhängiger Schmerzen, Tachykardien und blutigen Aus-

wurfs. Bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung können

in vielen Fällen gesundheitliche Schäden vermieden werden.

Die Gutachterkommission hatte vor kurzem den nachfolgend

geschilderten Fall zu beurteilen. Aus den Krankenunterla-

gen der beiden beschuldigten Ärzte, eines Internisten mit

der Teilgebietsbezeichnung Angiologie/Kardiologie sowie

einer Ärztin für Allgemeinmedizin, und der nachbehandeln-

den Kliniken ergab sich Folgendes:

Der Sachverhalt

Wegen seit zwei Tagen bestehender,vorwiegend bei tiefer Ein-

atmung und beim Husten auftretender Schmerzen zwischen

den Schulterblättern begab sich die Patientin am 10. Sep-

tember in die Praxis des Internisten.DerArzt berichtete über

seine Untersuchung: Der klinische Befund sei unauffällig ge-

wesen. Hinweise auf eine Lungenembolie oder eine Throm-

bose (Schmerzen oder Schwellung eines Beines) hätten sich

nicht ergeben.Allerdings habe die Patientin schmerzgequält

und beunruhigt gewirkt. Auf früher abgelaufene Thrombo-

sen habe sie nicht hingewiesen. Das EKG habe eine Sinusta-

chykardie (114/min) gezeigt.Die ergänzende echokardiogra-

phische Untersuchung habe keine Anhaltspunkte für einen

Herzklappenfehler oder eine pulmonale Hypertonie ergeben;

es hätten auch Zeichen eines Perikard- oder Pleuraergusses

gefehlt.

Nach seinen Befunden hielt der Internist, wie er weiter be-

richtet, eine orthopädische Erkrankung für möglich und ver-

anlasste die Überweisung an einen orthopädischen Facharzt,

der die Patientin in den nächsten Tagen unter orthopädi-

schen Gesichtspunkten behandelte.

Am Morgen des 14. September klagte die Patientin gegen-

über demOrthopäden über starken Husten und blutigen Aus-

wurf; sie wurde sofort zur näheren Untersuchung der Allge-

meinärztin überwiesen. Diese Ärztin, die noch am Morgen

dieses Tages untersuchte und bei ihrer Anamnese von vor

längerer Zeit abgelaufenen Beinvenenthrombosen erfuhr,

stellte bei der Untersuchung ein „postthrombotisches Syn-

drom, multiple Lungenembolien“ fest. Sie veranlasste zur

weiteren Klärung noch am selben Tage eine Untersuchung

durch ein Institut für Radiologie. Einen Liegendtransport

hielt sie nicht für notwendig; die Benutzung eines öffentli-

chen Verkehrsmittels sei ausreichend.

Der Befund des Institutes über die Lungenperfusionsszinti-

graphie am 14. September ergab „multiple pathologische Ak-

tivitätsminderanreicherungen in beiden Lungenflügeln mit

charakteristischer segmentaler Anordnung“. Die Durchblu-

tungsausfälle der Lungen betrafen etwa 20 Prozent des Lun-

genparenchyms. In Verbindung mit der Anamnese (Zustand

nach rezidivierenden Beinvenenthrombosen) sprach der Be-

fund für frische ausgedehnte Lungenarterienembolien beid-

seits.

Nach telefonischer Übermittlung des Befundes veranlasste

die Ärztin eine sofortige stationäre Behandlung.Vom Radio-

logischen Institut zur Klinik wurde die Patientin liegend

transportiert. Die dort durchgeführte Bein-/Beckenphlebo-

graphie ergab links ein postthrombotisches Syndrom mit

durchgängigem rekanalisierten Venensystem. Rechts fand

sich eine frische ausgedehnte tiefe Oberschenkelvenenthrom-

bose. Der Thrombus begann kurz unterhalb des Knies und

reichte bis etwa zur Mitte des Oberschenkels. Die Gesamt-

länge betrug rund 25 Zentimeter; das proximale Ende des

Thrombus flottierte.

Nach Heparinisierung und Immobilisierung wurde die Pa-

tientin am nächsten Tag (15. September) zur gefäßchirurgi-

schen Versorgung in eine andere Klinik verlegt. Dort wurden

eine venöse Thrombektomie mit Ligatur der V. femoralis su-

perficialis rechts vorgenommen und eine arterio-venöse Fistel

angelegt. Gleichzeitig konnte mit dem Fogarty-Katheter teils

älteres, teils frisches und nach zentral hin reichlich frisches

thrombotisches Material aus der V. iliaca externa entfernt

werden. Der postoperative Verlauf war ohne nennenswerte

Komplikationen.

Gutachtliche Beurteilung

Dieser Sachverhalt wurde von der Gutachterkommission in

Verbindung mit dem Gutachten eines radiologischen Fach-

sachverständigen imWesentlichen wie folgt beurteilt:

Die diagnostischen Maßnahmen des Internisten wurden als

nicht ausreichend bewertet. Die von ihm vorgenommene

Untersuchung ergab zwar keine solchen charakteristischen

Symptome, die unmittelbar auf eine Lungenembolie hin-

deuteten.Von einem Facharzt für Innere Medizin, zumal mit

den Schwerpunkten Angiologie und Kardiologie, wäre jedoch

zu erwarten gewesen, in seine differenzialdiagnostischen

Überlegungen die Möglichkeit einer die Thoraxbeschwer-

den verursachenden Lungenembolie einzubeziehen.

Anlass dazu gaben seine eigenen Feststellungen: Die Patien-

tin wirkte schmerzgequält und zeigte eine deutliche innere

Unruhe. Die Thoraxschmerzen zwischen den Schulterblät-

tern waren ziemlich plötzlich aufgetreten und verstärkten

sich vorwiegend durch tiefes Einatmen und beimHusten als

Ausdruck einer pleuralen Reaktion; ferner bestand eine Ta-

Zur Diagnostik von Lungenembolien

Unklare Thoraxbeschwerden können auf Lungenembolien hindeuten

Gutachtliche Entscheidungen

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