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Kommissionsbescheid aus dem Jahre 2002 vertretene Auf-

fassung nach wie vor für richtig, dass die ärztliche Behand-

lung während des ersten stationären Aufenthalts in der be-

schuldigten Klinik sorgfältig, zielgerichtet und effektiv war.

Dies gilt aber nicht für das zwei Jahre spätere ärztliche Vor-

gehen in dieser Klinik.

Allerdings trifft die frühere Feststellung im Bescheid von

2002 nicht zu, dass der entscheidende vorwerfbare Behand-

lungsfehler in der Unterlassung der Bestimmung des Faktors

IX liege und die zum Tode führenden Blutungen maßgeb-

lich auf einem Faktor IX-Mangel beruhten.Wie im Gutach-

ten von Prof. Dr. Scharf überzeugend dargelegt ist, hatte der

Patient zu diesem Zeitpunkt keinen solchen Mangel. Die bei

dem Patienten festgestellte genetische Variante des Faktor

IX-Moleküls ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass keine

relevante Herabsetzung der Faktorenaktivität besteht, so-

lange nicht eine Behandlung mit Vitamin K-Antagonisten

erfolgt. Erst bei gleichzeitiger Gabe zum Beispiel von Mar-

cumar wirkt sich die Variante aus, da dann die Faktor IX-

Aktivität ungewöhnlich stark abfällt mit der Folge erhebli-

cher Blutungsgefährdung. Diese besondere Eigenschaft der

genetischen Variante ist in dem Bescheid der Gutachter-

kommission nicht beachtet worden. Die letztmalige Marcu-

mar-Einnahme lag nämlich zwei Jahre zurück. Die aktuelle

Blutungssymptomatik kann daher nicht durch einen Faktor

IX-Mangel begründet werden. Auch die einschlägigen La-

borwerte lagen im Normbereich und schließen nach Auffas-

sung von Prof. Dr. Scharf einen Faktor IX-Mangel aus.

Diese Bewertung stimmt mit dem Inhalt der nach der Veröf-

fentlichung bei der Gutachterkommission eingegangenen

Zuschriften der oben genannten Institute überein. Es bleibt

jedoch die Frage nach den Ursachen der Blutung.

Ursachen der Blutung

Dieser Frage ist auch Prof. Dr. Scharf nachgegangen, insbe-

sondere der Frage, ob ein Hämostasedefekt vorgelegen hat.

Er hat in den Krankenblattaufzeichnungen keine klini-

schen Hinweise und sonstigen Anhaltspunkte ermitteln

können, die die Annahme einer thrombozytären oder plas-

matischen Störung hätte rechtfertigen können.

Zu erörtern ist deshalb nach Auffassung von

Prof.Dr

. Scharf

die kritische Frage nach der Indikation und technischen

Durchführung der letztlich die Blutung auslösenden invasi-

ven Eingriffe. Der federführende Fachmediziner der Kom-

mission ist hier zu einem differenzierten Ergebnis seiner

Nachprüfung gekommen:

Die Indikation zu der am 24. Juli durchgeführten Leber-

punktion beruhte auf vorhergehenden Untersuchungen, bei

denen kleinfleckige Leberveränderungen wahrgenommen

wurden und damit den Verdacht auf diffuse Lebermetasta-

sierungen ergeben hatten. Die zur Klärung der Diagnose

vorgenommene Punktion wird deshalb als gerechtfertigt ge-

wertet. Bei der Durchführung wurde zwar der Dickdarm

verletzt. Solche Verletzungen sind jedoch trotz sorgfältiger

technischer Vornahme nicht immer vermeidbar. Schon im

Bescheid aus dem Jahr 2002 ist insoweit kein Behandlungs-

fehler festgestellt worden.

Anders dürfte die Indikation zu der am 31. Juli erfolgten

ERCP und Papillotomie zu beurteilen sein. Die vorher-

gehende sonographische Untersuchung, bei der der Leberbe-

fund unverändert war und das Konglomerat in der Gallen-

blase zu einem Einblutungsverdacht führte, gab keinen An-

lass für einen so risikoreichen Eingriff und erst recht nicht

für eine „relativ großzügige“ Papillotomie. Die Verneinung

der Indikation begründet die Feststellung, dass diese Maß-

nahme nicht gerechtfertigt war, was die Blutungskomplika-

tion auslöste.

Die weitere Frage, ob Blutungsquelle, Ausmaß der Blutung

in den Darm und die daraus folgende vitale Gefährdung des

Patienten hätten zeitgerechter erkannt werden können,

wird nach der Einschätzung von Prof. Dr. Scharf bejaht.

Spätestens am 3. August boten die klinischen Feststellungen

(Oberbauchkoliken, Erbrechen, blutige Stühle, Hämo-

globinwert bei 6,7 g/dl) Anlass, intensiv nach der Blutungs-

quelle zu fahnden. Dass dabei die in erster Linie in Betracht

kommende Papillenregion nicht untersucht wurde, ist un-

verständlich. Die erst am 6. August in die Wege geleiteten

operativen Maßnahmen hätten daher wesentlich früher

veranlasst werden können. Darin dürfte ein schwerwiegen-

der Behandlungsfehler liegen.

Zusammenfassung

Der Bescheid aus dem Jahre 2002 ist in einem wesentlichen

Punkt unzutreffend. Eine durch Marcumar induzierte Ge-

rinnungsstörung durch Faktor IX-Mangel lag nicht vor. Da

bereits seit zwei Jahren kein Marcumar mehr gegeben wur-

de, war der Vorwurf, die Untersuchung des Faktors IX un-

terlassen zu haben, nicht begründet. Nicht zutreffend war

deshalb auch, die Blutungskomplikation im Wesentlichen

auf einen Faktor IX-Mangel zurückzuführen.

Der einen (schwerwiegenden) Behandlungsfehler feststel-

lende Bescheid war gleichwohl im Ergebnis begründet, weil

schon die Indikation zu dem eine Blutung auslösenden in-

vasiven Eingriff durch die ERCP und Papillotomie zu ver-

neinen war und die Blutungsquelle nicht rechtzeitig erkannt

wurde.

Herbert Weltrich und Wilfried Fitting

Anmerkung

Im Anschluss an den Kommissionsbescheid ist die Streitsache

durch einen von beiden Seiten als akzeptabel empfundenen Ver-

gleich erledigt worden. Somit ist der in einem entscheidenden

Punkt zwar fehlerhaft begründete, im Ergebnis aber zutreffende Be-

scheid jedenfalls seiner Aufgabe, eine außergerichtliche Einigung

zu erreichen, gerecht geworden.

Gutachtliche Entscheidungen

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Blutgerinnungsstörung – Faktor IX-Mangel