

Ambulante Kniegelenkoperation
Postoperativer Verlauf
Wegen der Sepsis mit konsekutiver respiratorischer Insuffi-
zienz, Kreislaufinstabilität und Vigilanzstörung war eine
längere intensiv-medizinische Behandlung erforderlich, so
dass die Patientin erst am 28. Juni auf die Normalstation ver-
legt werden konnte. Am 30. Juni erfolgten wegen einer fort-
schreitenden Wunddehiszenz bei Wundrandnekrose und
erneut ansteigendem CRP-Wert eine Rearthrotomie mit
Débridement und Synovektomie, Resektion des Hoffa-
Körpers, ausgiebiger Lavage und erneuter Einlage einer
Spül-Saug-Drainage. Nach zufrieden stellendem weiterem
Krankheitsverlauf konnte die Patientin am 15. August zur
weiteren Therapie und Mobilisation auf die Geriatrische
Abteilung des Krankenhauses verlegt werden. Die Entlas-
sung erfolgte am 31. August.
Danach war die Patientin bei starker Gehbehinderung teil-
mobilisiert. Die verbliebenen chronischen Kniegelenk-
schmerzen wurden von den nachbehandelnden Ärzten im
Wesentlichen durch die schwere beidseitige Gonarthrose
und die linksseitige laterale Kniegelenkinstabilität durch die
schwere Schädigung des Kapselbandapparates erklärt.
Gutachtliche Beurteilung
Die Indikation zur Operation des Außenmeniskusganglion
war gegeben, da konservative Behandlungsmaßnahmen, wie
die mehrfachen Ganglionpunktionen zeigten, keine dauer-
hafte Heilung erreichten.
Fehlerhaft war jedoch, dass die ASS-Medikation nicht recht-
zeitig (möglichst sieben Tage vor dem Eingriff ) abgesetzt
worden ist. Da die Indikation relativ, also nicht zur Abwen-
dung einer akuten Gefahr erforderlich war, konnte die Ope-
ration ohne Weiteres später ausgeführt werden. Der Arzt
hätte die Absetzung spätestens am Tage der Aufklärung
(6. Juni) anordnen müssen. Die postoperative Nachblutung
mit Hämatombildung und die vermehrte Gelenkflüssig-
keitsabsonderung über den Redondrainagekanal stehen im
kausalen Zusammenhang mit der nicht abgesetzten ASS-
Medikation bei gleichzeitiger Thromboembolieprophylaxe
mit einem niedermolekularen Heparinpräparat (Fragmin-P).
Die Nachblutung ist somit Folge eines Behandlungsfehlers.
Nicht zu beanstanden war die Entscheidung des Arztes, den
Eingriff ambulant durchzuführen, da die Operation zur
Gruppe der Eingriffe gehört, die auch ambulant möglich
sind. Sicher wäre die stationäre Behandlung im Hinblick auf
das Alter und die Begleiterkrankungen sinnvoll gewesen.
Der Verlauf, belastet durch den schweren Kniegelenkinfekt,
eine auch bei fehlerfreiem Vorgehen nicht immer vermeid-
bare Komplikation, kann dem Umstand der ambulanten
Operation nicht zugerechnet werden.
Fehlende ärztliche Assistenz
Zu beanstanden war jedoch die Entscheidung, die Operati-
on, die in Allgemeinnarkose und Oberschenkelblutsperre
durchgeführt wurde, ohne ärztliche Assistenz vorzunehmen.
Das entspricht nicht dem geltenden Standard. Fachkundige
Mitwirkung bei einer solchen Operation ist eine Vorausset-
zung, um eine ausreichende Übersicht sowie Darstellung zu
gewährleisten und einen sicheren Gelenkkapselverschluss
zu erzielen. Die fehlende Assistenz hat dazu beigetragen,
dass die Gelenkkapselnaht unterblieb. Der vom Arzt ange-
führte Grund – unerwartet schwierige intraoperative Ver-
hältnisse – entlastet ihn auch deshalb nicht, weil es sich hier
um präoperativ vorhersehbare anatomische Zusammen-
hänge handelt.
Versäumte Infektbehandlung
Zu beanstanden war weiter, dass der Kniegelenkinfekt nicht
frühzeitig erkannt und damit die unverzügliche Infektsanie-
rung verhindert wurde.Während der postoperativen ambu-
lanten Behandlung wurden die notwendigen diagnostischen
Maßnahmen wie die laborchemische Untersuchung der
Entzündungsparameter (BSG, Leukozyten- und CRP-Wert-
Bestimmung, Abstrichuntersuchung) fehlerhaft unterlassen.
Hinzu kommt die mangelnde Sorgfalt des Arztes bei der In-
spektion des Wundbereichs. Es ist davon auszugehen, dass
sich der massive Befund nicht erst am 17. Juni unmittelbar
vor der stationären Aufnahme, sondern schon vorher ent-
wickelt hat. Die operative Revision hätte schon ein bis zwei
Tage früher erfolgen können und müssen. Diese Verzöge-
rung, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu der bleibenden
Kniegelenkschädigung und den Nachfolgeschäden im lin-
ken Kniegelenk beigetragen hat, ist dem Chirurgen als Be-
handlungsfehler vorzuwerfen.
Als weitere Gesundheitsschäden waren die ausgedehnte
Schmerzsymptomatik, die Verlängerung der Beschwerde-
phase und eine bleibende Behinderung der linksseitigen
Kniegelenkfunktion festzustellen.
Herbert Weltrich und Wilfried Fitting
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Gutachtliche Entscheidungen