

Ärztekammer
Nordrhein
Jahresbericht 2015
| 17
Kammerversammlung
Mit Blick auf das im Frühjahr 2015 im parlamen-
tarischen Verfahren befindliche
GKV-Versorgungs-
stärkungsgesetz
erneuerte der Präsident der Ärzte-
kammer Nordrhein, Rudolf Henke, seine Kritik
an den Regelungen zum Aufkauf von Vertragsarzt-
sitzen bei gleichzeitiger Einrichtung von Service-
stellen zur Vermittlung von Facharzt-Terminen.
Wenn ein echtes Wartezeitenproblem existiere, sei
dies wohl kaum mit weniger Kapazitäten zu be-
wältigen, sagte der Präsident. Beides miteinander
in Einklang zu bringen ist nach Henkes Worten
eine „intellektuelle Herausforderung“. Auch bleibe
im Gesetzentwurf unberücksichtigt, dass Ärzte in
städtischen Zentren häufig Patienten aus den um-
liegenden Landkreisen mitversorgen. Umgekehrt
sei in strukturschwachen Gebieten noch nichts ge-
gen den Ärztemangel bewirkt, wenn in den Zentren
Vertragsarztsitze nicht nachbesetzt werden.
Der Präsident bekräftigte auch die Forderung
nach einer vollständigen Abschaffung der Regres-
se, die nach seiner Erfahrung eine „mentale Hür-
de vor der Niederlassung“ darstellen: „Die jungen
Kollegen haben vor fast nichts so viel Angst wie vor
Regressen.“ Zu weniger Niederlassungen und damit
einem erheblichen Standortnachteil für Nordrhein-
Westfalen könne sich auch die unbegründete Be-
nachteiligung von NRW bei der Finanzierung der
ambulanten Versorgung auswachsen. Daher solle
der Gesetzgeber dem Vorschlag des Bundesrates
folgen und zum 1. Januar 2016 für die überfällige
Angleichung der Honorare sorgen.
Krankenhausinvestitionen: Problem ungelöst
Als „enttäuschend“ bezeichnete Henke die Eck-
punkte zur Krankenhausreform, die eine Bund-
Länder-Arbeitsgruppe vorgelegt hatte: „In dem Pa-
pier fehlt die Antwort auf das eigentliche Dilemma
der Krankenhausversorgung in Deutschland: die
gravierende Unterdeckung im Bereich der Investi-
tionsfinanzierung durch die Bundesländer. Bun-
desweit besteht hier eine Finanzierungslücke von
3,3 Milliarden Euro jährlich. Allein in Nordrhein-
Westfalen fehlen Jahr für Jahr 700 Millionen Euro.“
Dabei müsse die Planungshoheit in diesem wichti-
gen Bereich der Daseinsvorsorge Hand in Hand
gehen mit der Finanzierungsveranwortung. Doch
diese übernähmen die Länder seit vielen Jahren
nur völlig unzureichend, sodass die Häuser auf Be-
triebsmittel zur Finanzierung dringend notwendi-
ger Investitionen zurückgreifen, zu Lasten von Be-
schäftigten und Patienten. „Hier müsste mehr ge-
schehen, als es die bisherigen Eckpunkte vorsehen“,
sagte Henke.
Der Entwurf eines sogenannten
T
arifeinheits-
gesetzes
, den die Bundesarbeitsministerin in den
Deutschen Bundestag eingebracht hatte, bedeutet
nach Henkes Worten „eine massive materielle Be-
drohung der Krankenhausärzte“. Die Wirkung der
Streiks des Jahres 2006, mit denen sich die Klinik-
ärztegewerkschaft Marburger Bund als eigenstän-
diger Tarifpartner etabliert hatte, würde damit
aufgehoben. Das Gesetz käme nach Einschätzung
des Kammerpräsidenten einem Verfassungsbruch
gleich, weil es die Klinikärzte von der Überein-
stimmung mit der betrieblichen Mehrheit abhängig
machen würde: „Damit wäre der tatsächliche Spiel-
raum zur Ausübung des Grundrechts der Koali-
tionsfreiheit auf null reduziert.“
E-Health: Korrekturen erforderlich
Mit dem sogenannten
E-Health-Gesetz
will der Ge-
setzgeber eine sichere elektronische Vernetzung im
Gesundheitswesen beschleunigen und die Einfüh-
rung medizinischer Anwendungen fördern. „Dazu
braucht es die Akzeptanz aller Beteiligten“, sagte
Henke, „deshalb fordern wir Korrekturen am Ge-
setzentwurf.“ So sollen nach Auffassung der rhei-
nischen Kammer medizinische Anwendungen bei
der Telematik-Entwicklung im Vordergrund ste-
hen und nicht Verwaltungsvorgänge wie der Ver-
sichertenstammdatendienst. „Warum muss in der
Arztpraxis online abgeglichen werden, ob die auf
der elektronischen Gesundheitskarte gespeicherten
Daten aktuell sind und der Versicherte noch versi-
„Bitte lassen Sie Ihre Kinder impfen!"
Mit den gesundheitspolitischen Plänen der Regierungskoalition, der medizinischen Versorgung
von Flüchtlingen und in internationalen Krisen sowie der Notfalldienstreform in Nordrhein befasste
sich die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein am 21. März 2015.
Angesichts einer aktuellen Masern-Epidemie rief Kammerpräsident Rudolf Henke die Bevölkerung
dazu auf, den Impfempfehlungen des Robert-Koch-Instituts zu folgen.