Rechtssicherheit durch Sanierungskonzepte –
Neufassung des IDW S 6
D
ie Erstellung bzw. Beurteilung von Sa-
nierungskonzepten gewinnt bei Unter-
nehmen, die sich in einer Krise befinden,
zunehmend an Bedeutung. Wa¨hrend fru¨her
vielfach auf der Basis von einzelnen isoliert
betrachteten Restrukturierungsmaßnah-
men Entscheidungen zur U¨ berwindung der
Krise getroffen wurden, haben sich nun-
mehr u¨berwiegend umfassende und voll-
sta¨ndig integrierte Sanierungskonzepte als
Beurteilungsgrundlage mo¨glicher Optionen
der Krisenbewa¨ltigung durchgesetzt.
Grundsa¨tzlich gilt das unabha¨ngig von den
nachstehend genannten Hauptadressaten
des Konzepts. Die jeweilig verfolgten Ziele
der Adressaten betreffen regelma¨ßig das
Bedu¨rfnis nach Rechtssicherheit.
Die Forderung der finanzierenden Kre-
ditinstitute nach Erstellung von integrier-
ten Sanierungskonzepten bei Problemkre-
diten resultiert aus den regulatorischen
Vorgaben der Bundesanstalt fu¨r Finanz-
dienstleistungsaufsicht (BaFin), den Min-
destanforderungen an das Risikomanage-
ment (MaRisk) und der Vermeidung von An-
fechtungsrisiken im Rahmen einer Insol-
venz.
Fu¨r Unternehmen bzw. Gesellschafter
gewinnen Sanierungskonzepte zunehmend
an Bedeutung, da diese u. a. Vorausset-
zung fu¨r die Nutzung von steuerlichen Sa-
nierungsprivilegien sowie fu¨r Sanierungs-
beihilfen der o¨ffentlichen Hand sind.
Bei den origina¨r fu¨r die Gescha¨ftsfu¨h-
rung erstellten Sanierungskonzepten liegt
das Interesse in der Vermeidung von zivil-
rechtlichen Haftungsrisiken, so z. B. aus
der Verletzung der Sorgfaltspflichten eines
ordentlichen Kaufmanns (§§ 43 und
64 GmbHG).
E
rho¨hte Anforderungen
bei Sanierungen
Die Anforderungen an das Verhalten al-
ler Beteiligten im Rahmen von Sanierungen
haben sich deutlich erho¨ht. Zwar gibt es
keine gesetzlichen Normen hinsichtlich des
Inhalts von Sanierungskonzepten, jedoch
hat die Rechtsprechung in den vergange-
nen Jahren in zahlreichen Urteilen Min-
destanforderungen an ein Sanierungskon-
zept herausgearbeitet, die in der am
30. 11. 2012 verabschiedeten Neufassung
des IDW S 6 beru¨cksichtigt wurden. Somit
stellt der IDW S 6 eine komprimierte Zu-
sammenstellung der unter Beru¨cksichti-
gung der aktuellen Rechtsprechung ent-
wickelten Anforderungen fu¨r die Erstellung
von Sanierungskonzepten dar.
Die Anforderungen an ein Sanierungs-
konzept betreffen danach folgende Kom-
ponenten:
– Beschreibung des Auftragsgegenstands
sowie des Auftragsumfangs;
– Basisinformationen zu organisatori-
schen, finanz-, leistungs-, personalwirt-
schaftlichen und (neuerdings) zu recht-
lichen Grundlagen sowie zum Unterneh-
mensumfeld;
– Festlegung des Krisenstadiums auf Basis
der Ergebnis-, Finanz- und Vermo¨gens-
analyse sowie Analyse der Krisenursa-
chen. Die verschiedenen Krisenstadien
lassen sich dabei in Stakeholder-, Stra-
tegie-, Produkt- und Absatzkrise sowie
Erfolgs- und Liquidita¨tskrise unterschei-
den. Daru¨ber hinaus ist in diesem Zu-
sammenhang auch eine Analyse, ob eine
Insolvenzgefa¨hrdung des Unternehmens
vorliegt, vorzunehmen;
– Darstellung des Leitbilds mit dem Ge-
scha¨ftsmodell des sanierten Unterneh-
mens;
– Ableitung der Sanierungsmaßnahmen
zur Bewa¨ltigung der Unternehmenskrise
sowie Maßnahmen zur Abwendung einer
Insolvenz;
– Erstellung eines integrierten Sanie-
rungsplans, welcher durch eine inte-
grierte Erfolgs-, Finanz- und Bilanzpla-
nung alle funktionalen Unternehmens-
bereiche unter Beru¨cksichtigung der Sa-
nierungsmaßnahmen und -effekte ab-
bildet;
– Zusammenfassende Einscha¨tzung der
Sanierungsfa¨higkeit auf Basis der zuvor
dargestellten Kernbestandteile des Sa-
nierungskonzepts.
Nach unseren Erfahrungen werden in Sa-
nierungskonzepten ha¨ufig die nachstehen-
den Komponenten nicht ausreichend bear-
beitet:
– die genaue Analyse und Dokumentation
der Krisenursachen;
– die Darstellung des Leitbilds des sanier-
ten Unternehmens unter Beru¨cksichti-
gung der Ziele einer angemessenen
Eigenkapitalrendite und damit eines
nachhaltig stabilisierten Unternehmens;
– die Erstellung eines integrierten Sanie-
rungsplans mit der Abbildung aller er-
warteten Maßnahmeneffekte und damit
zugleich die Schaffung eines Maßstabs
fu¨r die Kontrolle des Sanierungserfolgs.
In der Folge besteht die Gefahr, dass bei
den eingeleiteten Maßnahmen „zu kurz ge-
griffen“ wird und der angestrebte Sanie-
rungserfolg nicht erreicht wird.
Somit sind grundsa¨tzlich in einem Sa-
nierungskonzept alle o. g. Komponenten
aufzunehmen, wodurch im Ergebnis fu¨r alle
Stakeholder des Krisenunternehmens eine
hohe Transparenz hinsichtlich der Krisen-
ursachen, Sanierungsmaßnahmen und -ef-
fekte geschaffen wird. Bei kleineren Unter-
nehmen kann es aufgrund der geringeren
Komplexita¨t jedoch sachgerecht sein, weni-
ger umfangreiche Untersuchungen und Be-
richterstattungen bzgl. der einzelnen Kom-
ponenten vorzunehmen.
Die Neufassung des IDW S 6 beru¨cksich-
tigt die aus der aktuellen BGH-Rechtspre-
chung abgeleiteten Anforderungen an Sa-
nierungskonzepte. Somit kann die Anwen-
dung des vom IDW herausgegebenen Stan-
dards eine valide Grundlage fu¨r Entschei-
dungen zur U¨ berwindung der Krise schaf-
fen. Zugleich bietet er den Stakeholdern
des Krisenunternehmens eine hohe Rechts-
sicherheit bzgl. der Vermeidung von Haf-
tungs- bzw. Anfechtungsrisiken bei einer
gescheiterten Sanierung.
StB Dipl.-Kfm. Thomas Leschke und
Dipl.-Kfm. Joseph Rost,
beide TRINAVIS WPG StBG Berlin
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DB0588264
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013
Gastkommentar
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