Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG
– Keine Beru¨cksichtigung von Unterentnahmen aus Jahren vor 1999 –
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DB0585730
Fu¨r den Vz. 2001 sind Unterentnahmen
aus Jahren vor 1999 im Rahmen des
Schuldzinsen-Abzugsverbots bei U¨ berent-
nahmen gem. § 4 Abs. 4a EStG nicht zu
beru¨cksichtigen. Die Anwendungsrege-
lung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i. d. F.
des StA¨ ndG 2001 gebietet, in dem ersten
nach dem 31. 12. 1998 endenden Wirt-
schaftsjahr von einem Kapitalkonto mit
dem Anfangsbestand „0 DM“ auszugehen
(vgl. FG Ko¨ln, Urteil vom 13. 11. 2012 –
13 K 539/04, DB0585489).
Sachverhalt
Streitig war die Beru¨cksichtigung von
Unterentnahmen fu¨r die Zeitra¨ume vor
dem 1. 1. 1999 im Rahmen der Ermitt-
lung nicht abzugsfa¨higer Schuldzinsen
nach § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des
StA¨ ndG 2001. Die Berechnung des Be-
klagten hatte fu¨r den Gewerbebetrieb des
Kla¨gers in den Jahren 1999 und 2001 je-
weils Unterentnahmen und fu¨r das Jahr
2000 U¨ berentnahmen (insgesamt saldiert:
U¨ berentnahmen i.
H.
von rd.
25.000 DM) ergeben. Die Zinsaufwen-
dungen des Streitjahres 2001 beliefen sich
auf rd. 5.400 DM, von denen nach Abzug
des damals gu¨ltigen Freibetrags von
4.000 DM und der auf das Anlagever-
mo¨gen entfallenden Zinsen rd. 800 DM
an Schuldzinsen verblieben, die der Be-
klagte gem. § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des
StA¨ ndG 2001 als nicht abziehbar wertete.
Die Kla¨ger wandten sich gegen die
Nichtberu¨cksichtigung der positiven
Kapitalkonten zum 31. 12. 1998. Die An-
wendungsregelung des § 52 Abs. 11
Satz 2 EStG i. d. F. des StA¨ ndG 2001,
die anordne, dass U¨ ber- und Unterent-
nahmen aus bis zum 31. 12. 1998 enden-
den Wirtschaftsjahren unberu¨cksichtigt
blieben, fu¨hre zu einer Benachteiligung
von Stpfl., die bis zum Jahr 1999 Gewin-
ne thesauriert ha¨tten. Denn diese Gewin-
ne ko¨nnten wegen der Anwendungsrege-
lung nicht ohne die Gefahr von U¨ berent-
nahmen entnommen werden. Im Ergeb-
nis habe der Gesetzgeber daher die ru¨ck-
wirkende Nichtberu¨cksichtigung von Tat-
sachen angeordnet, obwohl die Stpfl. sei-
nerzeit darauf ha¨tten vertrauen ko¨nnen,
dass ein positives Kapitalkonto auch zu-
ku¨nftig zeitlich unbefristet bei der Be-
rechnung von U¨ berentnahmen beru¨ck-
sichtigt werde. Die Anwendungsregelung
des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG erstrecke
sich damit auf bereits abgeschlossene Tat-
besta¨nde und fu¨hre zu einer unzula¨ssigen,
ru¨ckwirkenden Verscha¨rfung der Besteue-
rung.
Entscheidung
Das Gericht hielt § 52 Abs. 11 Satz 2
EStG i. d. F. des StA¨ ndG 2001 nicht fu¨r
verfassungswidrig und lehnte die begehrte
Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100
Abs. 1 GG ab. Den Kla¨gern sei zuzuge-
ben, dass der klare Schnitt des Gesetz-
gebers zum 31. 12. 1998 / 1. 1. 1999 ins-
besondere fu¨r diejenigen Stpfl. nachteilig
sei, die sich in der Vergangenheit entspre-
chend den Intentionen des Gesetzes ver-
halten und damit – wie die Kla¨ger –
Unterentnahmen vorzuweisen ha¨tten.
Damit stelle sich die vera¨nderte Regelung
zur Nichtabziehbarkeit von letztlich privat
veranlassten Schuldzinsen durch §§ 4
Abs. 4a und 52 Abs. 11 Satz 2 EStG zwar
als belastende Regelung mit einer tat-
bestandlichen Ru¨ckanknu¨pfung dar (Fall
der sog. „unechten“ Ru¨ckwirkung), die al-
lerdings verfassungsrechtlich zula¨ssig sei.
Praxishinweis
Die Entscheidung des FG Ko¨ln ent-
spricht der aktuellen Rspr. des BFH im
Urteil vom 9. 5. 2012 – X R 30/06
(BStBl. II 2012 S. 667 = DB 2012
S. 1601), in welchem sich der BFH aus-
fu¨hrlich mit der Frage eines Verstoßes ge-
gen das Ru¨ckwirkungsverbot durch die
Regelung in § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG
i. d. F. des StA¨ ndG 2001 befasst hat. Da-
bei hat der BFH auf der Basis der Grund-
satzentscheidungen des BVerfG (Be-
schlu¨sse vom 7. 7. 2010 – 2 BvL 14/02,
2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127
S. 1 = DB0363404; 2 BvR 748/05, 2 BvR
753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127
S. 61 = DB0363406; 2 BvL 1/03, 2 BvL
57/06, 2 BvL 58/06, BVerfGE 127 S. 31
= DB0363405) festgestellt, dass die Rege-
lung in § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG keine
sog. „echte“ Ru¨ckwirkung entfalte, da das
StA¨ ndG 2001 am 22. 12. 2001 verku¨ndet
worden, die ESt 2001 aber erst spa¨ter,
mit Ablauf des 31. 12. 2001, entstanden
sei. Er hat dabei insbesondere darauf ab-
gestellt, dass die Rechtslage von Anbe-
ginn an streitig gewesen sei und sich da-
her ein schutzwu¨rdiges Vertrauen nicht
habe bilden ko¨nnen (BFH vom 9. 5.
2012, a.a.O., Rdn. 49), dass die Neurege-
lung geeignet und erforderlich gewesen
sei, um den Gesetzeszweck zu fo¨rdern
(Rdn. 50) und dass sog. U¨ berschussrech-
ner (Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3
EStG) in vielen Fa¨llen benachteiligt wu¨r-
den, weil sie in der Vergangenheit nicht
zu entsprechenden Aufzeichnungen ver-
pflichtet gewesen seien und dementspre-
chend auch keine Aufzeichnungen ge-
fu¨hrt ha¨tten (Rdn. 51). Daru¨ber hinaus
sei die Neuregelung fu¨r die Stpfl. nicht
zwingend nachteilig. Das Gesetz ko¨nne
sich vielmehr je nach Ausgangssituation
fu¨r den einzelnen Stpfl. oder den Fiskus
gu¨nstig bzw. ungu¨nstig auswirken, da alte
U¨ ber- und Unterentnahmen gleicher-
maßen nicht zu beru¨cksichtigen seien.
Im Ergebnis ist der BFH zu der
Schlussfolgerung gelangt, dass unter Be-
ru¨cksichtigung des beabsichtigten Neu-
anfangs und der damit verbundenen vo¨l-
ligen Systemumstellung Gru¨nde der Prak-
tikabilita¨t und der Gleichbehandlung die
scharfe Za¨sur zum Jahreswechsel
1998/1999 rechtfertigen wu¨rden. Der Ge-
setzgeber habe den Zweck verfolgt, mit der
Einfu¨hrung der Neuregelung die Berech-
nung der ab diesem Zeitpunkt relevanten
U¨ ber- und Unterentnahmen neu zu begin-
nen (Rdn. 68). Deshalb seien U¨ ber- und
Unterentnahmen als integrierter Bestand-
teil der Neuregelung erst ab 1999 zu ermit-
teln. Legitimes Ziel des Gesetzgebers sei
die Beseitigung grober Ungerechtigkeiten
gewesen, die sich daraus ergaben, dass ins-
besondere Stpfl. mit Gewinneinku¨nften im
Rahmen von Mehrkontenmodellen tat-
sa¨chlich privat veranlasste und damit grds.
nicht abziehbare Zinsen in den betriebli-
chen Bereich verlagern konnten, wa¨hrend
die Mehrzahl aller Stpfl. die Zinsen zur Fi-
nanzierung ihrer privaten Investitionen
steuerlich nicht geltend machen konnte
(vgl. BFH-Urteil vom 21. 9. 2005 – X R
47/03, BStBl. II 2006 S. 504 = DB 2005
S. 2784).
Erga¨nzend ist darauf hinzuweisen, dass
gegen das BFH-Urteil vom 9. 5. 2012 –
X R 30/06 zwischenzeitlich Verfassungs-
beschwerde erhoben worden ist, die beim
BVerfG unter dem Az. 2 BvR 1868/12
anha¨ngig ist.
RiFG Dr. Alfred Hollatz
Redaktionelle Hinweise:
●
Volltext-Urteil online: DB0585489;
●
BFH-Urteil vom 9. 5. 2012 – X R 30/06,
DB 2012 S. 1601.
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Kurz kommentiert
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013