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Probleme der horizontalen Arbeitsteilung unter Ärzten

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Gutachtliche Entscheidungen

Grundsätze der horizontalen Arbeitsteilung

Der geschilderte Fall gibt Gelegenheit, auf die für die Zu-

sammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten verschiedener

Fachrichtungen (horizontale Arbeitsteilung) geltenden

Grundsätze hinzuweisen, wie sie sich aus der Rechtspre-

chung und dem medizinischen und juristischen Schrifttum

ergeben.

Auszugehen ist von dem Faktum, dass die medizinische

Wissenschaft sich immer mehr differenziert hat. Sie ist in

eine ständig wachsende Zahl von Spezialgebieten unterteilt,

von denen der einzelne Arzt in der Regel nur sein eigenes

Fachgebiet überblicken kann. Der behandelnde Arzt ist also

bei der Beantwortung bestimmter, außerhalb seines Fachge-

bietes liegender Fragen auf die Mithilfe der Ärztinnen und

Ärzte anderer Fachrichtungen angewiesen, die ihm mit ihren

speziellen Kenntnissen und Untersuchungs- bzw. Behand-

lungsmethoden helfen sollen.

Es liegt auf der Hand, dass der primär behandelnde Arzt

grundsätzlich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm

vom Konsiliararzt übermittelten Befunde oder Behand-

lungsergebnisse vertrauen darf, eben weil er auf dem für ihn

fremden Sachgebiet keine hinreichenden eigenen Kenntnis-

se besitzt.

Allerdings muss er, bevor er um ein Konsil bittet, aus seinem

Fachgebiet heraus die Indikation zur Durchführung der er-

betenen Maßnahmen selbst prüfen und die Verantwortung

für deren Richtigkeit tragen, da es nicht Sache des Konsiliar-

arztes sein kann zu prüfen, ob die erbetenen Maßnahmen

für die weitere Behandlung des Patienten durch den über-

weisenden Arzt indiziert sind.

Der umMitwirkung gebetene Arzt ist seinerseits gegebenen-

falls verpflichtet, die für sein Tätigwerden notwendigen Be-

funde in eigener Zuständigkeit zu erheben, zum Beispiel

den Quickwert vor einer invasiven Untersuchung zu bestim-

men.

Bei dem wohl häufigsten Fall der horizontalen Arbeitstei-

lung, der vom primär behandelnden Arzt erbetenen Rönt-

genuntersuchung, wird das letztgenannte Problem in der

Regel ohne Bedeutung sein. Stattdessen treten andere Pro-

bleme auf.Während der Radiologe dann, wenn ihm ein ge-

zielter Auftrag erteilt wird, an diesen inhaltlich gebunden ist

und er deshalb vor einer von ihm für erforderlich gehaltenen

Ausdehnung oder Änderung der Untersuchung sich mit

dem behandelnden Arzt in Verbindung setzen sollte, hat er

bei einer wie im geschilderten Fall offenen Überweisung

selbst über die Wahl und Zweckmäßigkeit der Untersu-

chung zu entscheiden, die er dann –wie auch bei der geziel-

ten Überweisung – in eigener Verantwortung durchführt.

Für die Befundung der vom Konsiliararzt erhobenen Unter-

suchungsergebnisse, etwa der Röntgenaufnahmen, trägt

dieser naturgemäß die Verantwortung, da er ja gerade zu

diesem Zweck um seine Mitwirkung ersucht worden ist. Für

von ihm begangene Fehler ist er im Rahmen seines Zu-

ständigkeitsbereichs allein verantwortlich. Der behandeln-

de Arzt darf,wie bereits erwähnt, auf die Richtigkeit der ihm

mitgeteilten Befunde und Diagnosen grundsätzlich vertrau-

en und kann deshalb für die Folgen eines Fehlers des hinzu-

gezogenen Spezialisten nicht verantwortlich gemacht wer-

den.

Dies ist die in Rechtsprechung und Literatur einhellig ver-

tretene Auffassung und entspricht der ständigen Praxis der

Gutachterkommission. Anzumerken ist hier noch, dass der

Radiologe in jedem Falle, also auch bei einem speziell for-

mulierten Zielauftrag, suspekte, etwa auf ein Karzinom

hinweisende Veränderungen auch geringer Art dem über-

weisenden Arzt mitteilen muss. EinVerstoß gegen diese Ver-

pflichtung ist ein erheblicher Sorgfaltsmangel mit haftungs-

rechtlichen Folgen.

Das Vertrauen des überweisenden Arztes auf die Richtigkeit

der ihm mitgeteilten Befunde und Diagnosen kann aller-

dings nicht mehr gerechtfertigt sein, wenn ihm bei eigener

Prüfung der Untersuchungsergebnisse deren Unrichtigkeit

auffallen muss. Gerade bei der Befundung von Röntgenauf-

nahmen kann dies der Fall sein, wenn der primär behan-

delnde Arzt, wie es häufiger der Fall ist, über ausreichende

Kenntnisse verfügt, um übersandte Röntgenaufnahmen be-

funden zu können. Hat er diese Fähigkeit nicht, kann von

ihm auch nicht verlangt werden, eine eigenständige Über-

prüfung der Röntgenbefunde vorzunehmen.

Dem überweisendenArzt obliegt aber immer die Pflicht, den

ihm übersandten Bericht des Konsiliararztes exakt auszu-

werten, also in dem geschilderten Fall die vom Radiologen

empfohlene differenzierte Beurteilung vorzunehmen und

Entsprechendes zu veranlassen, hier eine CT-Untersu-

chung.

Mit dieser Empfehlung war der Radiologe seiner Verpflich-

tung, den überweisenden Arzt auf Besonderheiten der

Untersuchung und auf die Notwendigkeit eventueller spe-

zieller Untersuchungen hinzuweisen, nachgekommen. Bei

dieser Konstellation ging es nicht mehr um die Frage, ob der

hinzugezogene Arzt einen Fehler begangen hat, sondern

entscheidend war, ob der überweisende Arzt die Empfeh-

lung beachtet und auf sie richtig reagiert hat.

Zusammenfassung

Das Zusammenwirken von Ärzten verschiedener Fachrich-

tungen bei der Behandlung eines Patienten ist angesichts

der zunehmenden Spezialisierung der medizinischen Wis-

senschaft notwendig. Dabei trägt jeder der beteiligten Ärzte,

soweit er in seinem eigenen Fachgebiet tätig ist, die Verant-

wortung für sein Handeln, kann aber grundsätzlich auf die

Richtigkeit der ihm vom jeweils anderen Arzt übermittelten

Angaben vertrauen. Um Schaden vom Patienten abzuwen-

den, ist sowohl die genaue Mitteilung der vom Konsiliararzt

gefundenen Ergebnisse erforderlich als auch die genaue

Beachtung des Inhalts der ihm übermittelten Ergebnisse

durch den überweisenden Arzt, soweit ihm dies möglich ist.

Die Entscheidung darüber, ob und wann empfohlene weite-

re Maßnahmen durchzuführen sind, obliegt allein dem be-

handelnden Arzt und ist von ihm zu verantworten.

Ulrich Mödder und Erwin Wolf