

Die Gutachterkommission hat sich immer wieder mit intu-
bationsbedingten Zahnschäden auseinanderzusetzen. Die
Auffassung, dass Ärzte für dieses typische und damit aufklä-
rungspflichtige Risiko in keinem Fall einzutreten hätten, be-
steht jedoch in Einzelfällen, wie die Auswertung gutachtli-
cher Stellungnahmen ergibt, zu Unrecht.
Zahnschädigungen wurden in 27 der 298 das Fachgebiet An-
ästhesie betreffenden abgeschlossenen Begutachtungsver-
fahren der Jahre 2003 bis 2008 vorgeworfen (9,1 Prozent).
Einer Erhebung der Norddeutschen Schlichtungsstelle der
Jahre 2001 bis 2005 zufolge waren bei 7,4 Prozent der gegen
Anästhesisten Beschwerde führenden Patienten Zahnschä-
digungen eingetreten [1]. In Nordrhein wurde die Frage der
Haftung aufgrund eines vorwerfbaren Behandlungsfehlers
in den letzten 6 Jahren in 2 Verfahren bejaht. In 8, also in
fast einem Drittel der geführten Verfahren wurde eine Auf-
klärungsrüge erhoben, die in keinem Fall bestätigt wurde
(siehe Tabelle 1)
.
Als unvermeidbare Komplikationen gelten Schädigungen,
die im Zusammenhang mit der Behandlung unmittelbar le-
bensbedrohlicher Zustände eingetreten sind (Aspiration,
Luftnot etc.) oder bei inflammatorischer Zerstörung des
knöchernen und ligamentären Zahnhalteapparates (Para-
dentose) oder auch ausgedehnte Karies, die trotz Füllung
zu einer Schwächung des Zahnapparats führt.
Besondere Sorgfalt ist anzuwenden bei zementiert über-
kronten Zähnen, da deren Oberfläche druckempfindlich ist,
und immer dann, wenn sie der Verankerung von Prothesen
(so genannten Brückenkonstruktionen) dienen. Sie können
ausgebrochen werden. Eine sorgfältige Anamnese und Auf-
klärung, eventuell unter Einbeziehung des behandelnden
Zahnarztes, ist hier erforderlich.
Nicht sehr festsitzende Prothesen sind vor der Narkose zu
entfernen. Auf deren sichere Aufbewahrung ist zu achten.
Heute werden zunehmend knochenintegrierte Zahnim-
plantate zurVerankerung von einzelnen oder mehreren feh-
lenden Zähnen oder ganzer Zahnbögen eingesetzt. Fraktu-
ren oder Dislokationen dieses Zahnersatzes treten meist an
der Stelle auf, wo der prothetische Zahnersatz mit dem
Implantat verbunden wird. Der Anästhesist muss über die
Präsenz eines Implantates Bescheid wissen. Bei zu erwar-
tender schwieriger Intubation kann der prothetische Zahn-
ersatz durch einen Zahnarzt entfernt und postoperativ wie-
der eingesetzt werden [2].
Von betroffenen Anästhesisten wird immer wieder ange-
führt, der Patient habe in der unruhigen Aufwachphase auf
den Güdel-Tubus gebissen. Dies ist jedoch als Folge fehler-
haften postoperativen Managements zu sehen. Postoperativ
sollte nicht ein Güdel-, sondern der besser tolerierbare
Wendl-Tubus verwendet werden.
Typische Intubationsschäden betreffen die oberen Schneide-
zähne. Sie können ausgehebelt werden, wenn das Laryngo-
skop falsch als Hebel angesetzt wird, anstatt damit lediglich
den Oberkiefer anzuheben. Unbedingt ist vor Anwendung
des Intubationsspatels für eine ausreichende Muskelent-
spannung zu sorgen
(siehe Fall 1)
.Wenn immer möglich soll-
te nicht endotracheal intubiert, sondern auf Larynxmasken
zurückgegriffen werden
(siehe Fall 2)
. Schwierige Intuba-
tionen sind besser von vorneherein fiberoptisch oder auch
blind nasal durchzuführen.
Fall 1
Die Gutachterkommission hatte kürzlich eine Zahnschädi-
gung bei einem 64-jährigen, 95 kg schweren Patienten zu
beurteilen.
Der Sachverhalt
Im Rahmen der Narkoseeinleitung zu einer Schwenklap-
penplastik wegen Zustand nach Basaliom-Excision mit De-
fektheilung kam es zu einem Zahnschaden im Frontzahnbe-
reich. Betroffen war der mittlere Schneidezahn oben links
(21 als Bestandteil eines Kronenblocks oben 13–23), bei dem
– soweit zunächst für den durchführenden Anästhesisten
erkennbar – die Überkronung durch Druckeinwirkung
des Laryngoskopspatels abplatzte. Bei der nachfolgenden
zahnärztlichen Untersuchung stellte sich heraus, dass der
Haftung für Zahnschädigung durch Anästhesie
Nicht jeder intubationsbedingte Zahnschaden ist eine unvermeidbare Komplikation.
Tabelle 1: Vorwürfe zu Zahnschädigungen
in den abgeschlossenen gutachtlichen Verfahren (Bescheiderledigungen und Erledigungen durch ein Gutachten)
Zeitraum 1.1.2003–31.12.2008
Gesamt
davon mit Feststellung eines Fehlers
absolut
in %
absolut
in %
Anzahl der abgeschlossenen
8.273
100,0
2.621
31,7
Gutachtlichen Verfahren*
Anzahl der anästhesiologischen Verfahren
298
3,6
83
27,9
Vorwurf Zahnschädigung durch Anästhesie
27
0,3
2
7,4
davon mit Aufklärungsrüge
8
29,6
./.
./.
*der Gutachterkommission Nordrhein der Jahre 2003 bis 2007
Gutachtliche Entscheidungen
143