

Im letzten Jahrzehnt sind Komplikationen und damit das
Risiko von Schilddrüsenoperationen deutlich zurückgegan-
gen. Als immerhin vierthäufigste allgemeinchirurgische
Operation ist sie im Gesamtentscheidungskollektiv der Gut-
achterkommission nur mit 1 Prozent vertreten
(siehe Tabel–
le 1
). Jeder vierte Behandlungsfehlervorwurf wurde zu Guns-
ten des Antragstellers positiv beschieden bei einer Gesamt-
anerkennungsrate von etwa 33 Prozent (1997–2006).
Indikationsstellung
Die Indikationsstellung zur operativen Behandlung stützt
sich imAllgemeinen auf eine vorbildliche und ausgewogene
interdisziplinäre Abstimmung beteiligter Fachdisziplinen,
wie Allgemein- und Innere Medizin, Endokrinologie, Nu-
klearmedizin, Pathologie und schließlich der Chirurgie. Da-
zu zählen die knotige Kropfbildung Grad II– III ohne, vor
allem aber mit mechanischer Beeinträchtigung (Atemnot),
die medikamentös nicht kontrollierbare Überfunktion auf
Grundlage eines Morbus Basedow mit größerer Struma
(größer als 50 ml) oder junger Patienten, die thyreoidale Au-
tonomie mit ähnlichen Merkmalen, schließlich der „kalte
Knoten“ als Karzinomverdacht oder die manifeste Mali-
gnomerkrankung.
Der Patient hat Anspruch auf Information und Aufklärung
über gegebenenfalls die Verfügbarkeit und die Erfolgsaus-
sichten echter alternativer Behandlungsmöglichkeiten so-
wie über Komplikationsgefahren, wie beispielsweise eine
Stimmbandnervenverletzung (Nervus recurrens-Parese)
oder einen Nebenschilddrüsenfunktionsverlust (Tetanie).
Eine Auflistung der bei der Gutachterkommission erhobe-
nenVorwürfe und anerkannten Behandlungsfehler zeigt die
Tabelle 2
.
Fall 1
Bei einer 30-jährigen Patientin mit mechanischer Beein-
trächtigung wurde durch Untersuchung (Sonographie, Szinti-
graphie, Hormonbestimmung i. s.) die Diagnose einer
Struma multinodosa Grad III mit euthyreoter Stoffwechsel-
lage gestellt und eine operative Behandlung empfohlen.Nach
ambulanter chirurgischer Voruntersuchung und Indika-
Fehler und Gefahren bei Schilddrüsenoperationen
Tabelle 1: Gutachterkommission Nordrhein 2002–2007
Verfahren insgesamt
8.136
100 %
Vorwurf: Fehler im Rahmen
80
1 %
einer Schilddrüsen-Operation
davon: festgestellte Behandlungsfehler
19
24 %
Tabelle 2:
Beklagte Komplikationen und Haftung bei vorgeworfenen Schilddrüsenoperationen der abgeschlossenen Begutachtungsverfahren
der Jahre 2002 bis 2007
Zeitraum 1.1.2002–31.12.2007
absolut
in % v. n
BF*
Haftung
bejaht
bejaht
in % v. Sp.2
Vorwürfe zu Schilddrüsenoperationen
80
100,0
19
19
24,0
davon**
Rekurrensparese
54
67,5
15
14
26,0
- einseitig
33
41,3
6
6
18,2
- beidseitig
21
26,3
9
8
38,1
Andere Nervenläsion (Horner-Syndrom, Plexusläsion, Hypoästhesie)
4
5,0
/
/
/
Kalziummangelsyndrom
17
21,3
4
3
17,6
Rev.-OP
7
8,8
3
3
42,9
Nachblutung/Hämatom
5
6,3
/
/
/
Belassenes Gewebe/Rezidiv
4
5,0
2
2
50,0
Narbenprobleme
4
5,0
/
/
/
Infektion mit Folgen
3
3,8
1
1
33,3
Kardiale Rhythmusstörungen
2
2,5
/
/
/
Erdulden der unnötigen OP
1
1,3
1
1
100,0
Therapieverzögerung p. o.
1
1,3
1
1
100,0
Ösophagusläsion bei Tumorinfiltration
1
1,3
/
/
/
Tiefe Venenthrombose
1
1,3
/
/
/
* BF = Behandlungsfehler
** Mehrfachnennung
138
Gutachtliche Entscheidungen