

Im Falle einer Verletzung der Harnleiter können für die be-
troffenen Patientinnen und Patienten Komplikationen ent-
stehen, die in ihrer möglichen Komplexität nach der Risiko-
aufklärung über mögliche „Harnleiterläsionen“ – wie aus
den Anschreiben an die Gutachterkommission für ärztliche
Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein hervor-
geht – nicht vorstellbar waren. Juristische Auseinanderset-
zungen können die Folge sein. Trotz einer Vielzahl von
Publikationen hierzu bleibt das Thema aktuell, da auch
weiterhin zahlreiche Behandlungsfehlervorwürfe bestätigt
werden.
Die Anzahl der in Nordrhein festgestellten operationstech-
nischen Behandlungsfehler, die zu einer Harnleiterverlet-
zung führten, stieg in den Abschlussjahren 1975 bis 1998
von 2,9/Jahr auf 3,8/Jahr an [2]. Dabei wurden in den ver-
gangenen neun Abschlussjahren nunmehr auch operations-
technische Fehler mit Ureterläsionen bei abdominal-chirur-
gischen Eingriffen (0,9/Jahr) von der Gutachterkommission
festgestellt. In den 13.322 nordrheinischen Bescheiden der
Abschlussjahre 2006 bis 2014 ging es insgesamt bei 169
Patienten (1,3 Prozent) um eine iatrogene Ureterläsion
(
T
abelle 1)
. Festgestellt wurden 68 Behandlungsfehler (Be-
handlungsfehler-Quote (BF-Quote): 40 Prozent) und drei
Risikoaufklärungsfehler in Bezug auf eine Harnleiterverlet-
zung, darunter zwei bei ansonsten sachgerechter Behand-
lung. 95 Entscheidungen betrafen operative Eingriffe durch
Frauenärzte.
Harnleiterverletzungen durch operationstechnische Fehler
bei gynäkologischen Eingriffen durch Frauenärzte nahmen
von 1,9/Jahr (1999 bis 2005) auf 2,2/Jahr (2006 bis 2014) zu
[3]. Der Anteil der operationstechnischen Fehler an den 919
die Frauenheilkunde betreffenden Verfahren betrug in
Nordrhein 2,2 Prozent und lag damit doppelt so hoch wie
bei der Norddeutschen Schlichtungsstelle mit 1,1 Prozent
(n=2.892). Sie berichtete über 173 Fälle mit iatrogenen Harn-
leiterverletzungen bei gynäkologischen Eingriffen der Ab-
schlussjahre 2000 bis 2011 (n=31.504 Verfahren) mit Fest-
stellung von 82 Behandlungsfehlern (BF-Quote: 47 Pro-
zent). Davon waren 32 operationstechnische Fehler, die eine
Haftung für die eingetretene Ureterläsion begründeten [4].
In Norddeutschland wurden mit 21 Prozent häufiger nur
Nachsorgefehler festgestellt als bei den Frauenärzten in
Nordrhein mit 13 Prozent.
Einzelfehler
Gegenüber den Frauenärzten wurden in 20 Verfahren ope-
rationstechnische Fehler mit Ureterverletzung erkannt, da-
runter folgende Einzelfehler (Mehrfachnennung): Unterlas-
sene Darstellung/Beachtung trotz erschwerter Bedingun-
gen (10x), ungenügend kontrollierte Elektrokoagulation zur
Blutstillung (2x)/Endometriose- (2x) oder Myomknotenbe-
handlung (1x), unbemerkte vollständige Durchtrennung
(4x), Miterfassen bei einer Naht trotz übersichtlicher Ver-
hältnisse (1x), verspätete Konversion (1x) und fehlende ab-
schließende Kontrolle vor OP-Ende bei unübersichtlichem
Situs (2x). Sechsmal wurde der Ureter im OP-Bericht trotz
erschwerter Situation nicht erwähnt. Insgesamt wurde die
Harnleiterverletzung postoperativ 18-mal durch die Ärzte
der operierenden Klinik behandlungsfehlerhaft verspätet
erkannt.
Es zeigte sich in den Verfahren auch, wie wichtig es ist, den
Patienten und den Hausarzt mittels schriftlicher Siche-
rungsaufklärung über die Notwendigkeit der zeitgerechten
Entfernung eingelegter Ureterschienen, nötiger Kontrollen
auffälliger Laborwerte, beispielsweise einer Kreatininerhö-
hung, oder einer Sonographiekontrolle zu informieren [5].
Fehlerbedingte Ureterläsionen bei Operationen im kleinen Becken
Bei operativen Eingriffen im kleinen Becken sind die Harnleiter
besonders verletzungsgefährdet
Tabelle 1: Iatrogene Harnleiterverletzungen in den abgeschlossenen Verfahren der Gutachterkommission Nordrhein der Jahre 2006–2014
Zeitraum 1.1.2006–31.12.2014
n
davon Fehler
Vorgehen*
Nachsorge* Risikoauf-
bejaht
klärungsfehler*
Gesamtzahl der Begutachtungen*
13.322
4.014
Verfahren mit iatrogener Ureterläsion
169
68
38
36
3
bei
– gynäkologischen Eingriffen durch Frauenärzte
95
35
1
20
19
1
1
– gynäkologischen Eingriffen durch andere Ärzte
5
2
2
/
1
– Sektioentbindungen
10
3
2
1
/
– Darmoperationen
27
10
7
3
/
– anderen Laparotomien
5
5
1
4
/
– Gefäßeingriffen
5
3
2
2
1
– andere Eingriffen
5
2
1
2
/
– Behandlungen bei Nephrolithiasis
11
4
2
2
/
– sonstigen Behandlungen
6
4
1
3
/
* = Mehrfachnennung (nur ein Fehler pro Spalte)
1
darunter drei durch nachbehandelte Urologen
Gutachtliche Entscheidungen
233