

Die Resektion des Darmes ist eine Operationsmethode, die
der Entfernung karzinomatöser, tuberkulöser oder brandi-
ger Darmschlingen dient und damit Krankheitsherde aus-
schaltet. Sie kommt auch bei einer Verletzung, Stenose oder
Gangrän des Darms und ggf. bei Polypen in Betracht, die
nicht elektrisch mit der Schlinge abgetragen werden kön-
nen.
Die Gutachterkommission hatte vor Kurzem einen Krank-
heitsverlauf zu beurteilen, der sich nach den Unterlagen der
beschuldigten und der nachbehandelnden Chirurgischen
Klinik sowie der vorbehandelnden niedergelassenen Inter-
nistin wie folgt darstellte.
Der Sachverhalt
Im Rahmen einer Vorsorge zur Krebsfrüherkennung veran-
lasste die niedergelassene Internistin im Juli die Untersu-
chung des Stuhls des 70-jährigen Patienten auf okkultes
Blut.Von den drei Stuhlproben waren zwei negativ und eine
positiv. Der Befund war Anlass zur Überweisung des Patien-
ten an den Chefarzt der Inneren Abteilung des erstbehan-
delnden Krankenhauses zwecks Durchführung einer ambu-
lanten Darmspiegelung. Bei der Untersuchung am 14. Juli
wurde in der rechten Dickdarmkurve ein etwa walnussgro-
ßer, gut durchbluteter Tumor mit kurzem Stiel festgestellt.
Wegen der Kontaktblutung wurde keine Probe zur feinge-
weblichen Untersuchung entnommen. Aufgrund der Größe
und zur Klärung der Dignität wurde die Entfernung durch
Bauchschnitt vorgeschlagen.
Der Patient wurde am 17. Juli vorab in der Inneren Abteilung
des Krankenhauses aufgenommen. Es sollte wegen eines im
Vorjahr abgelaufenen Herzinfarktes und früherer Herzge-
fäßerkrankung die Frage der Operationsfähigkeit geprüft
werden. Nachdem diese uneingeschränkt bejaht wurde und
eine Tumorausbreitung weitgehend ausgeschlossen war,
wurde der Patient am 23. Juli in die beschuldigte Chirurgi-
sche Abteilung des Krankenhauses verlegt.
Operative Behandlung
Die Operation erfolgte am 25. Juli. Dem Operationsbericht
konnte folgender Verlauf entnommen werden: Nach Eröff-
nung der Bauchhöhle wurde zunächst der Bauchraum aus-
getastet. Im Bereich der rechten Dickdarmhälfte konnte der
endoskopisch festgestellte Tumor mit dem Finger bestätigt
werden. Krebsabsiedlungen wurden nicht festgestellt. Unter
derAnnahme einer bösartigen Geschwulst wurde die gesam-
te rechte Dickdarmhälfte bis zur Mitte des Querdarmes mo-
bilisiert. Dabei wurden zunächst die große Magenkurvatur
skelettiert, die mittlere Dickdarmarterie (Arteria colica me-
dia) identifiziert und der Querdarm im Bereich der vorgese-
henen Resektionsgrenze mit einem Zügel umschlungen.
Danach wurden der Blinddarm und der aufsteigende Teil
des Dickdarms von seinen Bauchfellüberzügen gelöst. Bei
der Mobilisation der rechten Dickdarmkurve und des Quer-
darms kam es zu einer venösen Blutung. Daraufhin über-
nahm der Chefarzt der Abteilung, der bis zu diesem Zeit-
punkt dem operierenden Arzt assistiert hatte, die weitere
Operation. Beim Ansetzen einer Overholtklemme riss die
blutendeWunde, die zur Vena mesenterica cranialis (V. m. c.)
führte, weiter ein. Nach exakter Darstellung des Situs
wurde die blutende Vene mit nicht resorbierbaren Fäden
(Prolene 5 x 0) umstochen.
Nach Aufhören der Blutung wurde die Operation fortge-
setzt. Dabei stellte der Operateur fest, dass der Dünndarm
oberhalb der ursprünglich festgelegten Resektionsgrenze,
10 cm oberhalb der Bauhin’schen Klappe, auf eine weitere
Strecke von etwa 15 cm bläulich im Sinne einer Mangel-
durchblutung verfärbt war. Deshalb wurde dieser Darman-
teil noch nachreseziert. Anschließend wurden der Dünn-
darm mit dem Querdarm maschinell mit dem Klammer-
nahtgerät Seit-zu-Seit verbunden und die Darmöffnungen des
Dickdarms und Dünndarms mit dem Gerät verschlossen.
Gegen Ende der Operation stellte der Operateur nach einer
Überprüfung im Bereich der umstochenen Mesenterialvene
keine Blutung mehr fest. In die Nähe der Darmanastomose
und in das kleine Becken wurden Drainagen eingelegt, die
durch Extraschnitte aus der rechten Bauchseite herausgelei-
tet wurden.Nach schichtweisemWundverschluss wurde der
Patient beatmet gegen 15 Uhr auf die Intensivstation verlegt.
Die pathologisch-anatomische Untersuchung des entfern-
ten Darmteils ergab einen 3,8 cm großen Polypen, bei dem
es sich feingeweblich um ein gutartiges, tubulo-villöses
Adenom handelte. Zellatypien als Vorstufe eines Krebses
wurden in den feingeweblichen Schnitten nicht festgestellt.
Operative Revisionen
Der instabile Kreislauf mit Blutdruckwerten um 65/30 mm
Hg konnte zunächst nur mit Hilfe von Transfusionen, Blut-
ersatz und Kreislaufmitteln (Dopamin) angehoben werden.
Gleichwohl trat gegen 16:45 Uhr ein massiver Schockzu-
stand auf, der auf einer starken Blutung in die Bauchhöhle
beruhte. Es wurde die Indikation zur Revision der Bauch-
höhle gestellt.
Nach Eröffnung fanden sich etwa 1.200 ml frisches Blut in
der Bauchhöhle, das abgesaugt wurde. Die umstochene Ve-
ne, aus der es blutete, wurde dargestellt. Der Operateur ver-
suchte mit weiteren Gefäßumstechungen die Blutung zum
Stillstand zu bringen,was aber nicht gelang.Daraufhin wur-
de der Entschluss gefasst, das blutende Gebiet zu tamponie-
ren, den Bauch zu verschließen und den Patienten per Hub-
schrauber in eine Chirurgische Universitätsklinik zu verle-
gen.
Nach Massivtransfusionen und Ausgleich der Gerinnungs-
faktoren fand noch in der Nacht zum 26. Juli die weitere
Operation statt. Es wurden eine Einblutung des gesamten
Bauchfells und Dünndarms und an der Gekrösewurzel ein
massiver Bluterguss festgestellt.Das Gebiet derV.m.c. konn-
te infolge der großen Einblutung nicht hinreichend beur-
Fehlerhafte Darmresektion
Vermeidbare Radikaloperation ohne feingeweblichen Karzinomnachweis
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Gutachtliche Entscheidungen