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titelthema
die diagnose Aufmerksamkeitsdefizit-hy-
peraktivitätsstörung (Adhs) betrifft heute
fünf prozent aller kinder – darunter rund
80 prozent Jungen – und drei prozent der
erwachsenen. dabei stehen folgende sym-
ptome im Vordergrund, die meist bereits
vor dem sechsten lebensjahr auftreten
und länger als sechs monate andauern:
reduzierte Aufnahmefähigkeit, unfähig-
keit zuzuhören, lernschwierigkeiten
starke Impulsivität, z. b. wutausbrüche,
schreien, regelverstöße
konzentrationsschwäche, „träumen“,
Ablenkbarkeit
bewegungsdrang, nicht stillsitzen
können
unüberlegtes handeln, risikoverhalten
ungeduld, rededrang
unterbrechen und stören anderer
Vergesslichkeit, chaotismus
selbstunsicherheit, minderwertigkeits-
gefühl
nervöse „ticks“ wie nägel oder haut ab-
kauen, kratzen, nase- oder ohrenbohren
ruhelosigkeit, getriebenheit, grübeln
neigung zu psychischen störungen wie
sucht oder depression.
tritt Adhs ohne hyperaktivität auf, spricht
man von Ads.
Boombranche Kinderpsychologie: Jeder
fünfte Junge „ADHS-Patient“
sah man die ursache zunächst vor allem in
einer veränderten funktion des zentralen
nervensystems – das „belohnungshormon“
dopamin wird dort nicht ausreichend
übertragen – sowie rauchen oder Alkohol
während der schwangerschaft, so deutet
heute vieles auf eine hohe beteiligung
sozialer faktoren hin. zu diesen zählen nicht
nur eine leistungs- und anpassungsbetonte,
individualisierte gesellschaft, sondern auch
eine forcierte diagnostik: wurde entspre-
chendes Verhalten früher meist unter dem
stichwort „rabauke“ oder „zappelphilipp“
verbucht, so entwickelten sich psychologi-
sche kinderuntersuchungen in den letzten
20 Jahren zur boombranche. so erhält heu-
te fast jeder fünfte Junge zwischen sechs
und elf Jahren eine Adhs-diagnose. „Adhs
ist zunächst nicht mehr als die bezeich-
nung für eine sammlung von symptomen
bei kindern“, so der göttinger neurobiologe
gerald hüther in bild der wissenschaft.
„um behandlungen bei den krankenkassen
abrechnen zu können, sind mediziner ge-
zwungen, die merkmale einer Auffälligkeit
unter einem namen zusammenzufassen.“
Lebhafte Kinder nicht „krank“ machen
so führen bereits schwierigkeiten beim
zuhören, stillsitzen und befolgen von
regeln – typische eigenschaften lebhafter
kinder – mitunter zur diagnose. dennoch
kann die symptomatik auch ausgeprägt
sein: betroffene kinder schwanken dann
in ihren stimmungen bis zur unberechen-
barkeit, sind ständig in bewegung, wippen,
stehen auf und traktieren gegenstände. sie
können stundenlang fasziniert auf bild-
schirme oder displays starren, aber keinem
gespräch folgen, verfügen häufig über
erstaunliche fähigkeiten und einen niemals
ruhenden geist, halten sich aber selten an
regeln, stören unterricht und gespräche,
lernen verzögert, verursachen unfälle und
verlassen die schule häufig ohne Abschluss.
Im ungünstigen fall können sich schrei-,
frust- und wutanfälle sowie regelver-
stöße fast nahtlos ablösen und familien
hochgradig belasten. diese größenordnung
betrifft jedoch zum glück bei weitem nicht
alle „Adhs“-fälle.
Kranke Kinder oder
krankes Umfeld?
In Kita und Schule:
Entdecken, erleben, bewegen
ermöglichen kita, schule und eltern ihren
kindern Aufstehen, entdecken, erleben,
bewegung und zugleich feste strukturen
und Abläufe, zeigen sich viele vermeint-
Weitere Informationen
und Selbsthilfe