WERDER MAGAZIN Nr. 315 - page 26

zählen
(lacht)
. Aber wir haben darüber ge-
sprochen, wie es uns geht, wie es unseren
Familien geht. Es war ein sehr persönliches
Gespräch. Wir haben uns damals beim FC
Chelsea kennengelernt, uns gegenseitig viel
geholfen. Claudio war bereits einige Male
bei mir und meiner Familie in Mendoza. Wir
stehen regelmäßig in Kontakt.
Du hast eine verrückte Spielzeit bei Wigan
Athletic in England hinter dir…
Für mich hatte die vergangene Saison sehr
gut begonnen. Ich stand regelmäßig in der
Startelf, habe gute Spiele gemacht. Das hat
dazu geführt, dass ich zur Nationalmann-
schaft eingeladen wurde, für Argentinien
spielen konnte und dadurch ein Traum für
mich in Erfüllung ging. Als es dann um die
Verlängerung meines Vertrags ging, gab es
die ersten Probleme. Wir kämpften gegen
den Abstieg, es war nicht klar, ob wir in der
Premier League bleiben würden und wie es
in der folgenden Saison weitergeht. Auf der
anderen Seite spielten wir um den FA-Cup.
Als wir tatsächlich die große Überraschung
geschafft und diesen gewonnen hatten
(1:0
im Finale gegen den großen Favoriten Man-
chester City, Anm. d. Red.)
, konnten wir
gar nicht feiern, weil wir wussten, dass es
eine Woche später ein wichtiges Spiel im Ab-
stiegskampf gibt. Wir mussten gegen Arsenal
drei Punkte holen, ansonsten ging es in die
zweite Liga. Es waren also gemischte Ge-
fühle. Leider sind wir am Ende tatsächlich
abgestiegen.
Du hast deine Einsätze in der
A-Nationalmannschaft Argen-
tiniens erwähnt. Wie groß
sind die Chancen auf eine
Rückkehr ins Team?
Ich würde mich freuen,
wenn es so schnell wie mög-
lich klappt. Aber ich weiß,
dass man gerade in Argen-
tinien auf einem sehr guten
Niveau spielen muss, wenn man nominiert
werden will. Ich arbeite hart dafür, dass ich
mich bei Werder gut präsentiere, ein wichti-
ger Teil der Mannschaft bin. Wenn es noch
etwas dauert, bis ich wieder in der National-
mannschaft dabei sein kann, dann werde
ich Geduld haben und weiterhin alles dafür
geben.
Bereits als Jugendlicher bist du ins Ausland
gewechselt, nach Chile. Wie kam es dazu?
Ich habe mit fünf Jahren begonnen, Fußball
zu spielen – in der Nähe meiner Heimatstadt
Mendoza. Mit zwölf Jahren bin ich nach
Rosario gezogen, habe dort bei verschiede-
nen Clubs vorgespielt. Aber als es um einen
Vertrag ging, konnten wir uns mit keinem
Verein einigen. Ich bin also für eine kurze
Zeit zurückgegangen nach Mendoza. We-
nig später kam das Angebot, nach Chile zu
wechseln. Als junger Fußballer will man in
erster Linie spielen, egal wo. Also habe ich
als 13-Jähriger gesagt: Dort will ich hin.
Ein großer Schritt…
… und mit 13 Jahren natürlich nicht leicht.
Ich musste auf vieles verzichten. Und die
Menschen und die Kultur in Chile waren
völlig anders, als ich es aus Argentinien
kannte. Außerdem wird den beiden Ländern
eine gewisse Rivalität nachgesagt. Aber ich
hatte das Glück, mit tollen Leuten zu ar-
beiten, die mir später die Chance gegeben
haben, in der ersten Liga zu spielen. Es war
eine gute Zeit, für die ich sehr dankbar bin.
Wo wirst du in diesem Jahr an den Weih-
nachtstagen sein?
In Argentinien natürlich, in Mendoza, mei-
ner Heimatstadt. Es wird ein ganz besonde-
res Weihnachten, da ich seit sechs Jahren
nicht mehr mit meiner gesamten Familie fei-
ern konnte. Denn in England wird schließ-
lich rund um die Feiertage weitergespielt, es
gibt keine Winterpause. Ich möchte diese
sechs Jahre jetzt nachholen, daher werden
wir eine sehr große Feier
machen. Nicht nur meine
Familie wird da sein, son-
dern auch viele meiner
Freunde mit ihren Familien.
Es wird ein großes Wieder-
sehen. Es gibt natürlich Asa-
do, also verschiedene gegrill-
te Fleischsorten. Und meine
Großmutter macht hervorra-
gende Panadas
(gefüllte Teigtaschen, Anm.
d. Red.)
mit Fleisch und Gemüse.
Wie bist du als Kind in Argentinien aufgewach-
sen?
Ich habe viel erlebt, und es war nicht immer
einfach. Es gab Zeiten, in denen es unserer
Familie wirtschaftlich gut ging. Aber ich
schäme mich nicht zu sagen, dass es auch
Zeiten gab, in denen wir sehr wenig zu es-
sen hatten. Ich kann mich erinnern, dass
mein Vater an manchen Tagen gar nichts
gegessen hat, damit ich nicht hungern muss.
Es hat mir sehr wehgetan, wenn ich sehen
musste, dass er am Abend ohne Essen ins
Bett geht. Er hat jede Arbeit gemacht, die es
gab und die nötig war, damit Essen auf dem
Tisch steht. Mein positives Denken habe ich
von meinen Eltern, weil sie es auch in den
schlechtesten Zeiten immer wieder geschafft
haben, alles für die Familie zu geben. Ich
weiß, dass es einem im Leben nicht immer
schlecht geht. Jeder hat schwierige Phasen.
Aber wenn man sie übersteht und zum Bei-
spiel als Familie zusammenhält, dann geht
es immer irgendwann wieder aufwärts.
Nach diesem Motto gehe ich durchs Leben.
s
„Ich habe
Werder schon
als Kind
verfolgt“
Fotos: M. Rospek
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INTERVIEW
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