WERDER MAGAZIN Nr. 318 - page 17

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ass sich ein Werder-
Spieler irgendwann
einmal das Trikot des
Hamburger SV über-
streift, kommt vor. Hans Schulz
etwa, Deutscher Meister 1965
und heutiges Aufsichtsratsmit-
glied des SVW, wechselte 1966
zum ewigen Nordrivalen. Wenn
allerdings gleich elf (!) Werdera-
ner plötzlich im HSV-Dress auf-
laufen, kann das nicht mit rech-
ten Dingen zugehen. Dennoch
hat sich dieses skurrile Szenario
tatsächlich ereignet.
Wie es soweit kommen konnte?
Auslöser war ein Fauxpas des
Werder-Zeugwarts, der zum Hin-
spiel in Hamburg die falschen
Trikots eingepackt hatte. Eigent-
lich nicht weiter dramatisch, hät-
te sich der SV Werder nicht vor
Saisonbeginn einen neuen ‚Look‘
zugelegt. Nach einer kräftigen
Finanzspritze durch Stadt und
Wirtschaft liefen die traditionell
Grün-Weißen als Werbeträger
ihrer Heimat auf: in den Stadt-
farben Rot und Weiß und mit
‚Bremer Schlüssel‘ auf der Brust.
So legendär die ‚Speckflaggen-
Trikots‘ im Nachhinein auch
wurden, so unvorteilhaft waren
sie im Nordderby, schließlich lief
der HSV in seinen angestamm-
ten roten Hosen samt weißem
Jersey auf.
Schiedsrichter Walter Eschweiler
pfiff das gewöhnungsbedürftige
Duell Rot-Weiß gegen Weiß-Rot
trotzdem an, befand dann aber,
dass sich die Trikots zu sehr
ähnelten. Seine Order: Die Gäste
aus Bremen sollten in der zweiten
Halbzeit doch bitte in anderen
Farben antreten. Eine zweite
Garnitur war 1971 jedoch alles
andere als Usus – und so kam es,
wie es kommen musste: Horst-
Dieter Höttges und seine Mit-
spieler schlüpften tatsächlich in
die blau-weißen Ausweichtrikots
des Nord-Konkurrenten. „Das
war schon etwas ungewöhnlich“,
erinnert sich Werder-Urgestein
Karl-Heinz ‚Kalli‘ Kamp. „Aber
wir hatten schließlich keine an-
dere Wahl.“
Mit dem verfrühten
Trikottausch
schien auch das Glück die Seiten
zu wechseln. Während Ham-
burgs Klaus Zaczyk in der ersten
Halbzeit noch einen Handelfme-
ter verschossen hatte, drückten
die Gastgeber dem Spiel im
zweiten Durchgang zunehmend
ihren Stempel auf. Georg Vol-
kert (61. Minute) und Zaczyk
(70.) steuerten den HSV vor nur
17.000 Zuschauer in sicheres
Fahrwasser – Werder-Angreifer
Werner ‚Acker‘ Weist gelang mit
seinem Anschlusstreffer zum
1:2 (86.) noch etwas Ergebnis-
kosmetik.
Heutzutage
wohl undenkbar,
war der kuriose Trikottausch
seinerzeit kaum mehr als eine
Fußnote. „Wir hatten zu den
HSV-Spielern trotz der Rivalität
ein gutes Verhältnis“, sagt der
damalige Werder-Keeper Günter
Bernard. „Am Trikottausch
hat die Niederlage sicher nicht
gelegen.“
Kurioser
Trikottausch
Saison 1971/1972 · Bundesliga, 16. Spieltag · Hamburger SV – SV Werder Bremen 2:1 (0:0)
1:0 Volkert (61.), 2:0 Zaczyk (70.), 2:1 Weist (86.)
27. Nov.
1971
Umgezogene Werderaner
Erste Hälfte in den eige-
nen Trikots (großes Foto),
zweite Hälfte im HSV-
Dress (Foto oben) – so
wollte es Schiedsrichter
Walter Eschweiler.
Fotos: imago, picture-alliance
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UNVERGESSENE NORDDERBYS
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