A
ls dieses Nordderby
vorüber war, gab es
nur ein Thema: die
Szene in der 82. Minu-
te. Der SV Werder führte nach
der 0:1-Hinspiel-Niederlage mit
2:1 – das Erreichen des UEFA-
Pokal-Finales in Istanbul war nur
noch wenige Minuten entfernt.
Es war bis dahin ein spannendes
und bisweilen hitziges Duell
gewesen. Kein Wunder, dass
dem geplanten Rückpass des
Dänen Michael Gravgaard zu
HSV-Keeper Frank Rost nicht die
ungeteilte Aufmerksamkeit der
Stadionbesucher und der TV-
Zuschauer zuteil wurde.
Doch was war das?
Statt sicher in
den Armen von Rost fand sich der
Ball plötzlich, abgelenkt von ei-
ner Papierkugel, im Tor-Aus wie-
der – Eckball für die Grün-Wei-
ßen. Eine Aufgabe für Diego – er
brachte den Ball von der linken
Seite in den Strafraum, Kopfball-
Verlängerung von Hugo Almeida
auf Frank Baumann, der sich
mutig dem am Pfosten stehenden
Piotr Trochowski entgegen warf,
von diesem angeschossen wur-
de und den Ball mit dem Kopf
zur 3:1-Führung über die Linie
drückte. Der spätere Treffer von
Ivica Olic (87.) brachte dem HSV
nichts mehr ein. Werder hatte
das Ticket für Istanbul gebucht.
Und die Papierkugel,
die einer
Choreografie der HSV-Fans vor
dem Spiel entstammte, war in
den Tagen und Wochen darauf
DER Medienstar. Sie wurde
‚Knäuel des Schicksals‘ oder
‚Papierkugel Gottes‘ getauft und
schließlich versteigert, was
einer Bietergemeinschaft sage
und schreibe 4.510 Euro wert
war. Der Erlös kam dem ‚Kinder-
hospiz Löwenherz‘ in Syke zu
Gute. Die neuen Besitzer stellten
die Papierkugel umgehend dem
WUSEUM, Werders Museum im
Weser-Stadion, zur Verfügung.
Dort ist sie auch heute noch zu
besichtigen.
Eine Papierkugel
schreibt Geschichte
FRANK
BAUMANN:
„Dass die Papierkugel im Spiel
war, wurde mir erst bewusst,
als wir später in der Kabine im
Fernsehen noch mal den Zusam-
menschnitt der Partie sahen. Es
war übrigens nicht der einzige
glückliche Zufall an diesem
Tag – auch mein Treffer, der aus
dieser Ecke entstand. Denn ei-
gentlich war es so abgesprochen
und wurde auch fast immer so
von uns praktiziert, dass ich
bei Ecken am ‚kurzen‘ Pfosten
versuche, den Ball zu verlängern.
Dieses Mal stand dort ausnahms-
weise Hugo Almeida, und ich
konnte am ‚langen‘ Pfosten den
Ball über die Linie befördern.
Übrigens bin ich noch heute
davon überzeugt, dass wir auch
ohne dieses ‚Tor der glücklichen
Umstände‘, also ohne Hilfe der
Papierkugel, den Sprung ins
Finale geschafft hätten.“
Saison 2008/2009 · UEFA-Pokal, Halbfinale, Rückspiel · Hamburger SV – SV Werder Bremen 2:3 (1:1)
1:0 Olic (13.), 1:1 Diego (29.), 1:2 Pizarro (66.), 1:3 Baumann (83.), 2:3 Olic (87.)
7. Mai
2009
Finale, oho…!
Frank Baumann erzielte den
Treffer zum 3:1 (Foto oben li.). Daran nicht
ganz unbeteiligt war die Papierkugel (hier
in der Hand von TV-Moderator Oliver Wel-
ke, Foto li.). Auch Diego (li.) traf für Werder.
Fotos: picture-alliance, imago
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