dann freiwillig nach Berlin. Dorthin, wo
selbst Otto Rehhagel den Fall in die zweite
Liga nicht hatte stoppen können. Heute den-
ken die Menschen wieder in erster Linie an
Fußball, wenn sie Hertha BSC hören. Und
Luhukays Freund hat den Satz inzwischen
zurückgenommen…
Der Trainer
hat Hertha BSC schnell geprägt.
Charakter, das ist nach wie vor Luhukays
Lieblingswort. Danach kommen Fleiß, Diszi-
plin und Pünktlichkeit. Und Bescheidenheit.
Die lebt der Hertha-Coach vor. Obwohl er
seit fast zwei Jahren in Berlin ist, wohnt er
immer noch in einem Hotel-Apartment un-
weit des Stadions. Seine Frau und die beiden
studierenden Kinder sind daheim im nieder-
ländischen Venlo geblieben. „Ich bin hier
2012 angetreten, um den Wiederaufstieg
zu schaffen. Ich bin nicht hier, um Sightsee-
ing zu machen, sondern um es zu genießen,
wie meine Mannschaft erfolgreich Fußball
spielt“, sagt Luhukay. Dazu passt, dass er
bislang lediglich bei zwei Veranstaltungen
abseits des Fußballs war – einmal bei den
Basketballern von Alba Berlin, einmal mit
seiner Familie am Brandenburger Tor.
Luhukay gilt als Trainer,
der seine Erfolge nur
schwer genießen kann: „Meine Frau sagt im-
mer: ‚Jos, du musst auch mal genießen.‘ Aber
ich kann nicht. Genießen ist so schwer – das
werde ich wohl erst können, wenn meine
Trainerlaufbahn vorbei ist.“ Jos – gesprochen
mit kurzem und nicht mit langem ‚o‘ – ist
geboren, um zu arbeiten. Selten hat er das
Gefühl von Glück. So wie 1989, als ihn das
Schicksal vor einem Flugzeugabsturz be-
wahrte. Er gehörte damals der sogenannten
‚Kleurrijk Elftal‘ an, einer Auswahl nieder-
ländischer Spieler mit surinamischen Wur-
zeln. Die Mannschaft ging auf Welttournee,
doch das Flugzeug stürzte ab – 179 Men-
schen starben, davon 14 Spieler der Auswahl.
Luhukay war nicht darunter. Er musste zu
Hause bleiben, weil sein Verein in Venlo
noch in der Relegation spielte. „Es war rei-
nes Glück und Zufall, dass ich nicht im Flie-
ger saß“, sagt Luhukay. Doch seine Gefühle
zeigt der Holländer nicht jedem.
Luhukay und Hertha
– das passt: Mit seiner
sympathischen Art ist der nur 1,68 große,
ruhige und fast unterkühlte Mann das Ge-
sicht des ehemals hitzigen Hauptstadt-Clubs
im lauten Berlin geworden. Und einer, mit
dem man sich gerne länger unterhält…
Timo Frers
Foto: nordphoto
Besonnen und ehrgeizig
Trainer Jos Luhukay hat Auf-
steiger Hertha BSC auf einen
sorgenfreien Mittelfeldplatz
ohne Abstiegskampf geführt.
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