

mit der Prognose beendet werden konnte, dass der Patientin
eine Wiederaufnahme ihrer früheren Tätigkeit als pharma-
zeutisch-technische Assistentin nach weiterer ambulanter
Therapie wahrscheinlich möglich sei.
Gutachtliche Beurteilung
Bei der Aufnahme in die Innere Klinik lag bei der 23 Jahre
alten Antragstellerin eine akute hochfieberhafte Erkran-
kung mit Kopf- und Gliederschmerzen sowie Übelkeit und
Erbrechen vor; an den unteren Extremitäten und am
Rumpf hatten sich petechiale Blutungen entwickelt. Ein
Meningismus wurde nicht festgestellt und deshalb keine
Lumbalpunktion durchgeführt und keine Blutkulturen an-
gelegt. Auch nach einer deutlichen klinischen Verschlechte-
rung über mehrere Tage wurde keine weiterführende Dia-
gnostik erwogen oder durchgeführt, bis ein meningealer
Reizzustand erkannt wurde.
Die Gutachterkommission hat es als nicht zu beanstanden
angesehen, dass aufgrund der klinischen Symptomatik an-
fänglich die Diagnose eines grippalen Virusinfektes mit Ver-
dacht auf Vasculitis gestellt wurde. Denn es ist bekannt,
dass die Symptomatik einer bakteriellen Meningitis trotz
subtiler neurologischer Untersuchung zu Beginn unklar
und verschleiert sein kann.
Allerdings ist zu beanstanden, dass ein ausführlicher Reflex-
status nicht vermerkt und demnach davon auszugehen ist,
dass er nicht erhoben wurde. Vor allem aber ist unverständ-
lich, dass die „vorläufige Diagnose“ trotz zunächst anhal-
tender und sodann zunehmender klinischer Symptomatik
über fast sieben Tage beibehalten wurde, ohne dass eine
weiterführende Diagnostik in Betracht gezogen wurde.
Es war nach Auffassung der Gutachterkommission fehler-
haft, dass in Anbetracht der zunehmenden klinischen Symp-
tomatik mit ansteigender Leukozytose bis 20.000 µ/l, einer
CRP-Erhöhung von über 30 mg/dl und petechialen Haut-
blutungen, die an ein Waterhouse-Friderichsen-Syndrom
bei bakterieller Meningitis hätten denken lassen müssen,
keine weiterführenden Untersuchungen durchgeführt, ins-
besondere keine Lumbalpunktion vorgenommen und keine
Blutkulturen angelegt wurden.
Die Einwände der belasteten Klinikärzte, ein Meningismus
sei wahrscheinlich durch die antibiotische Behandlung ver-
deckt worden und vor dem Abend des 6. Tages nach der
Einlieferung nicht zu erkennen gewesen, so dass eine Lum-
balpunktion nicht indiziert gewesen sei, hat die Gutachter-
kommission nicht gelten lassen. Die Kommission hat es als
sehr unwahrscheinlich bezeichnet, dass eine Kapsel Clinda-
mycin eine völlige Verschleierung des Meningismus über
mehrere Tage habe bewirken können. Vor allem sei nicht
nachvollziehbar, dass trotz zunehmender klinischer Sym-
ptomatik neben der „Virusgrippe“ nicht weitere differenzial-
diagnostische Überlegungen in Erwägung gezogen worden
seien.
Zusammenfassend ist die Gutachterkommission zur Fest-
stellung eines ärztlichen Behandlungsfehlers durch fehler-
hafte Unterlassung und verspätete Veranlassung dringend
erforderlicher diagnostischer Maßnahmen gelangt. Durch
die verzögerte Abklärung des hochpathologischen Befundes
sei die Antragstellerin in eine lebensbedrohliche Situation
geraten, die durch eine gezielte Diagnostik und rechtzeitige
antibiotische Therapie habe vermieden werden können.
Als durch den Behandlungsfehler verursachten Gesund-
heitsschaden hat die Gutachterkommission deshalb die ent-
standene neurologische Symptomatik und die linksseitige
Parese angesehen; außerdem sind die weiteren stationären
Behandlungen in der Neurologischen Klinik und der Reha-
bilitationsklinik sowie die sich anschließende ambulante
Therapie Folgen des Fehlers.
Georg Strohmeyer und Karl Joseph Schäfer
Die spät erkannte Meningokokken-Meningitis
Gutachtliche Entscheidungen
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